Mainz feiert 550. Todestag Gutenbergs mit einem facettenreichen Kulturprogramm – Gestern Auftakt im Kleinen Haus des Staatstheaters

Veranstaltungen im Gutenbergjahr 2018

Zum Auftakt des Gutenberg-Jahrs hatte die Stadt Mainz zu einem kleinen Festakt „Mainz feiert Gutenberg“ ins Kleine Haus des Staatstheaters eingeladen. Die Veranstaltung stand in der Tradition vieler Jahrhundertfeiern für Gutenberg, die in diesem Jahr zum 550. Todestag Gutenbergs mit einem facettenreichen Kulturprogramm erinnert.

Gutenberg-Werkstatt-Impression des 15. Jahrhunderts.
Gutenberg-Werkstatt-Impression des 15. Jahrhunderts.

Bestens musikalisch umrahmt wurde Festakt durch das Philharmonische Staatsorchester Mainzer unter Leitung des Generalmusikdirektors Hermann Bäumler mit Werken von Giovanni Gabrieli, Felix Mendelsohn Bartholdy und besonders trefflich mit: Leroy Andersons „The Typewriter“.

Das Philharmonische Staatsorchester Mainzer unter Leitung des Generalmusikdirektors Hermann Bäumler spielt hier,  unter anderem begleitet von einer Original-Reiseschreibmaschiene, Leroy Andersons „The Typewriter“. © Foto: Diether v. Goddenthow
Das Philharmonische Staatsorchester Mainzer unter Leitung des Generalmusikdirektors Hermann Bäumler spielt hier, unter anderem begleitet von einer Original-Reiseschreibmaschiene, Leroy Andersons „The Typewriter“. © Foto: Diether v. Goddenthow

Oberbürgermeister Michael Ebling, zugleich Präsident der Internationalen Gutenberg-Gesellschaft, begrüßte die zahlreichen Gäste, die Gutenbergpreisträger /innen und alle, die sich mit diesem Thema verbunden fühlen zum Gutenberg-Jubiläum. Gutenbergs Erfindung des Buchdrucks mit beweglichen Lettern revolutionierte die Welt in ungeahntem Maße. Er war sowohl Erfinder als auch Welt-Veränderer – und avancierte damit zum „Man of the Millennium“. Vor allem, so Ebling, habe Johannes Gutenberg, dessen 550. Todestag wir heute und das Jahr über würdigen, im wahrsten Sinne des Worte Bewegung in die mediale Entwicklung von den mittelalterlichen Schreibstuben hin zu den modernen Druckwerkstätten gebracht. „Sie hat Bewegung in die Köpfe und in die Welt gebracht. Denn auch wenn Gutenbergs Arbeitsweise mittlerweile von der Digitalisierung abgelöst wurde, auch wenn sich Bleisatz und Druckplatten eher im Museum als in einer modernen Druckerei befinden, und das Hurenkind, der Schusterjunge oder der Zwiebelfisch nur noch in Anekdoten weiterleben, so gelte. Das Gutenbergische Grundprinzip nach wie vor:“ Nach wie vor werden Texte zunächst in die jeweils kleinsten verfügbaren Informationseinheiten in digitale Codes zerlegt, und anschließend gleichsam erneut zusammengesetzt.“, so Ebling.
Gutenberg habe damit die Grundlagen zur Medienrevolution unserer Tage gelegt, und wirke bis heute unmittelbar in unser aller Leben.

Oberbürgermeister Michael Ebling, © Foto: Diether v. Goddenthow
Oberbürgermeister Michael Ebling, © Foto: Diether v. Goddenthow

Und noch etwas habe er uns gelehrt: „Wie man mit Mut zum Risiko auf eine geniale Geschäftsidee ein gewagtes Unternehmen aufbauen kann“., so der Oberbürgermeister. Gutenberg sei gleichsam einer der ersten Start-up-Unternehmer der Geschichte gewesen, „ein äußerst cleverer Unternehmer, der mit sicherem Gespür über Angebot und Nachfrage wusste, was seine Zeit dringend brauchte: Bücher! Das in Hülle und Fülle, von gleichbleibender Qualität, und mit verlässlichen Inhalten.“, so der Oberbürgermeister.
Das 15. U. 16. Jahrhundert in Europa sei eine Zeit des Aufbruchs auf praktisch allen Ebenen gewesen, mit expandierenden Städten, einer aufstrebenden Geldwirtschaft und einem regelrechten Boom an Universitäten, Schulen und Bibliotheken, die vom wachsenden Selbstbewusstsein und auch Bildungshunger der Bürger kündeten, so Ebling.

„Forschen, Studieren, Lernen, Lesen – all das verlangte nach dem geschriebenen Wort, all das profitierte vom gedruckten Wort. Nur leider ließ dieses Wort vor Gutenberg lange auf sich warten. So dauerte die Abschrift einer Bibel von Hand etwa zwei bis drei Jahre, und das Endprodukt war entsprechend teuer“, so der Oberbürgermeister weiter, und pries Gutenberg als einen Mann der Stunde, der sich wohl überlegt habe, ob das mit dem Herstellen und Vervielfältigen von Büchern nicht irgendwie preiswerter, schneller und gewinnbringender gehen könne, eine für damalige Zeit geniale Fragestellung, die schließlich zur Erfindung des Buchdrucks mit flexiblen Lettern geführt habe.
Bekanntermaßen verbreitete sich rasend schnell von Mainz aus die die neue Kunst des Druckens in Deutschland und in Europa. „Und was immer danach kam, die Reformation, die ersten gedruckten Nachrichten, die ersten Zeitungen, die ersten demokratischen Ideen, ja ganze Revolutionen, wären vermutlich zwar ohne Gutenbergs geschehen, aber sicher nicht so schnell verbreitet worden. „, so Ebling. Und noch etwas habe sich dank Gutenberg verbreitet: „Der Name seiner Heimatstadt, der Gutenbergstadt Mainz. Darauf können wir mehr als stolz sein!“.
Sichtbares Zeichen für die Wertschätzung für den größten Sohn unserer Stadt sei, so Ebeling, seit über 100 Jahren das Gutenberg-Museum, das Weltmuseum der Druckkunst.

Mit mittlerweile über 130 000 Gästen zähle das Gutenberg-Museum zu den besucherstärksten Museen der Bundesrepublik, was auch „ein wesentlicher Wirtschaftsfaktor unserer Stadt, unserer Geschäftswelt und im Gastronomiebereich“ sei. Als Beispiel der großen Bedeutung des Gutenberg-Museums erinnerte Ebling an den Besucher der englischen Königin Elisabeth II. und Prinz Philipp, die es sich nicht nehmen ließen, 1978 bei ihrem Deutschlandbesuch auch einen Blick auf die gerade neu erworbene Original-Gutenbergbibel zu werfen.

Bibelturm und bevorstehender Bürgerentscheid

In der Praxis werde sich jedoch noch zeigen müssen, „in wie weit hin sichtbar dieses Museum tatsächlich auf in Zukunft strahlt. Dafür müssen wir den Bürgerentscheid am 15. April abwarten, den ersten Bürgerentscheid unserer Stadtgeschichte.“, leitete Oberbürgermeister auf die letzten Hürden zur Realisierung des geplanten Neubaus des Gutenberg-Museums über.
Dieser Bürgerentscheid passe jedoch zu Mainz, denn „schließlich waren es Bürger und Bürgerinnen, die sich anlässlich der Feier des 500. Geburtstags von Johannes Gutenberg im Jahre 1900 sowohl für die Gründung der Gutenberggesellschaft als auch für die Einrichtung eines Museums zu Ehren ihres größten Sohnes der Stadt entschieden haben.“, erinnerte Ebling.
Auch wieder seien es die Bürgerinnen und Bürger, „die am 15.April 2018 darüber entscheiden werden, wie es mit Gutenbergs Erbe weitergehen und vor allem wie weit sichtbar das Gutenberg-Museum zukünftig auch Akzente setzen soll und kann.“, so der Oberbürgermeister.
Ebling betonte aber: „Der Bürgerentscheid ist aber keine Entscheidung ‚Pro oder Contra Gutenberg‘“ „Denn in ihrer grundsätzlichen Wertschätzung des Gutenberg-Museums hoffe ich, sind alle Bürgerinnen und Bürger vereint, seien sie nun Freunde oder Gegner des sogenannten Bibelturms.“

Das Gutenberg'sche Wappen
Das Gutenberg’sche Wappen

Über Werk und Wirkung Johannes Gutenbergs referierte Professor Dr. Wolfgang Dobras, Leiter des Stadtarchivs in seiner Homage an Gutenberg. Dobras gab einzigartige, zum Teil neue Einblicke in das wechselvolle Leben Gutenbergs inmitten unsicherer Zeiten des damaliger Umbrüche, in den das Zunftwesen das Patriziat ablöste.

„Gutenberg 550 – Das Gutenberg-Museum und seine Zukunft“
Dr. Annette Ludwig, Direktorin des Gutenbergmuseums lenkte in ihrem Beitrag “Gutenberg 550 – Das Gutenberg-Museum und seine Zukunft“ den Fokus auf die Weiterentwicklung des Gutenberg-Museums“. Das auf Internationalität angelegte Museum der Druckkunst schlage Brücken zwischen den Kulturen und lade mit einer praxisorientierten Vermittlung in seinen Werkstätten dazu ein, Grundlagen des Schriftgießens, des Schriftsetzens, der graphischen Techniken und des Druckens lebendig nachzuvollziehen. Die gewachsenen Sammlungen rund um Schrift, Druck und Buch erzählten eine enzyklopädische Geschichte des Print-Memory, so die Museumsdirektorin.

Dr. Annette Ludwig, Direktorin des Gutenberg-Museums. © Foto: Diether v. Goddenthow
Dr. Annette Ludwig, Direktorin des Gutenberg-Museums. © Foto: Diether v. Goddenthow

Mit dem nach seinem Wiesbadener Architekten genannten Schell-Bau konnte sich 1962 das Zentrum der Buchkultur auf über 3000 qm Ausstellungsfläche entfalten. Einst feierte die internationale Presse den damaligen Neubau, und Annette Lugwig fände es „großartig, wenn die internationale Presse in einigen Jahren die Strahlkraft des erneuerten Museums und die Leistungsfähigkeit von Stadt, aber auch von Land und Bund, würdigen würden“.

»Weder ergänzt ein neues Medium je ein altes Medium, noch lässt es das alte Medium in Ruhe. Es hört nie damit auf, die älteren Medien zu unterdrücken, bis es für sie neue Formen und Positionen findet.« , zitierte die Museumsdirektorin Marshall McLuhan aus dem Jahre 1964 im Hinblick auf die Kritik gegenüber dem geplanten Bibelturm: „Und diesen Umbruch erleben wir ja gerade alle auch wieder“

Auch die noch in Butzenscheibenromantik gestaltete Gutenbergwerkstatt mit der rekonstruierten hölzernen Presse, als Repräsentantin des Medienwandels, sei von Anbeginn ein Besuchermagnet gewesen . Begleitet wurden die dargebotene Druckvorführungen vom Puppenfilm der Gebrüder Hermann und Ferdinand Diehl, der erst mit Hilfe des SWR durch eine Animation 2012 zeitgemäß ersetzt wurde.

Druckvorführungs-Szene aus dem 2012 durch einen modernen Animationsfilm abgelösten Puppenfilm der Gebrüder  Hermann und Ferdinand Diehl.
Druckvorführungs-Szene aus dem 2012 durch einen modernen Animationsfilm abgelösten Puppenfilm der Gebrüder Hermann und Ferdinand Diehl.

Dieser Film, ein didaktischer Grundpfeiler und von Lehrern am häufigsten angefordert, offenbarte zugleich aber auch „ein revisionsbedürftiges Gutenbergbild mit einer ambivalenten Botschaft über das Museum selbst, so Annette Ludwig „Zeitgleich mit dieser Vermittlung präsentierte sich das Haus mit einer Medienfassade, und der ersten einer Reihe von preisgekrönten Sonderschauen zum Schwerpunkt Typographie. Es vermittle Inhalte über QR-Codes auf das soeben auf den Markt gekommene I-Pad, katapultierte sich, die Presse lobte ‚ins 21. Jahrhundert‘ und zeigte einmal mehr, dass sich der Lernort Museum auch als Institution in einem spannenden Transformationsprozess befindet. Das Museum als Smart-Place“, so die Museumsdirektorin.
Mit diesem zugegebenermaßen extremen Anachronismus sei skizziert, so Annette Ludwig, dass 56 Jahre nach der Wiedereröffnung des Gutenberg-Museums akuter Handlungsbedarf bestehe. Die infrastrukturellen Anforderungen hätten sich radikal geändert wie auch die Erwartungshaltungen, die Seh- und Wahrnehmungsgewohnheiten der Besucherinnen und Besucher. „In ihrer Heterogenität forderten sie heute zurecht ein breites Angebot an Präsentations-, Vermittlungs- und Kommunikations-Formen, Formen, die bezeichnenderweise wie vor dem Zeitalter des Buchdrucks körpergebunden und technologisch vermittelt sind“, so Annette Ludwig.

Daher seien Medien und kommunikationshistorische Entwicklungen von Gutenberg bis ins 21. Jahrhundert, die Überlappungen von Skript, Print und Electronic-Memory, die drei Formationen des Massenmediums Buchdruck und die authentische Vermittlung analoger und vom vergessen bedrohter Kulturtechniken zentrale Bausteine einer neuen Dauerausstellung.
Aus einem Haus der stummen Bücher solle ein Haus lebendiger Geschichten werden, das durch die Bauaufgabe und ihrer öffentlichen Bedeutung auch stadträumlich über anderen Profanbauten stehen müsse als kleine von allen Seiten frei zugängliche Museumstadt, die in die Urbanität von Mainz hineinwirke und sie zugleich integriere, so Annette Ludwig.

Als erster Bauabschnitt des Siegerentwurfes sei als lebendiges neues Zeichen ein Bau geplant, der mittlerweile als Bibelturm in aller Munde sei. Es solle Fix- und Orientierungspunkt, markanter zeitgenössischer Impuls, skulpturales Element und Leuchtturm der Kultur in Mainz werden.
Die Transparenz und die subtile Strahlkraft von Innen und Außen, sei auch ganz wörtlich zu verstehen. Im Schatten des Domes offenbare „es sensibel etwas vom Wesen des Museums, weil sich die metallische Außenhaut als Letterndenkmal auf Gutenbergs Erfindung und die mechanische Vervielfältigung beweglicher Lettern“ beziehe, so die Museumsdirektorin.
„Wir möchten den Besuchern aus aller Welt zeigen, dass das Gutenberg-Museum als Ort lokaler und globaler Identität inhaltlich wie architektonisch in der Gegenwart angekommen ist, um in die Zukunft zu weisen“, sagte die Museumsdirektorin.

Bau- und Kulturdezernentin Grosse bietet im Vorfeld des Bürgerentscheids öffentliche Informationsveranstaltungen 

Bei dem Streit „Pro und Contra Bibelturm“ geht es im Kern nicht um die Frage, ob das Gutenberg-Museum ausgebaut und modernisiert werden soll oder nicht,  ob das Museum Zukunft hat oder nicht. Der Streit dreht sich  um den besten, äußerlich sichtbaren architektonischen Weg zu einem zeitgemäßen Museum. So herrscht in Mainz, einmal von wenigen Ausnahmen abgesehen, über alle Interessenslager hinweg  Konsens darüber, dass das Gutenberg-Museum dringend modernisiert, umgebaut, ausgebaut und erweitert werden muss. Strittig sind jedoch die Fragen, ob der geplante, sogenannte Bibelturm in seiner äußeren Erscheinungsform hinreichend integrierend in die Urbanität von Mainz hineinwirkt, ob er möglichst viele  Menschen  in ihrem Stilempfinden und Herzen abholt und ob er internationale Gäste auf der Suche nach dem romantischen Old Germany – wie beispielsweise in Frankfurt mit der teilrekonstruierten Altstadt –  in ihren Erwartungen entsprechend bestätigt.

Da all diese und viele andere Fragen gar nicht so einfach zu beantworten sind, und auch die Frage offen steht, ob ein Nein zum Bibelturm denn das Ende des Museumsneubaus oder lediglich eine Fassadenanpassung bedeuten soll, bietet Bau- und Kulturdezernentin Marianne Grosse drei öffentliche Informationsveranstaltungen für interessierte Bürgerinnen und Bürger an.

Die Informationsveranstaltungen finden statt am

Freitag, 9. März 2018, um 17.00 Uhr,
Dienstag, 20. März 2018, um 18.30 Uhr,
Donnerstag, 12. April 2018, um 18.30 Uhr,

jeweils im Vortragssaal des Gutenberg-Museums Mainz, Liebfrauenplatz 5, 55.116 Mainz .

Ebenfalls teilnehmen und für Fragen zur Verfügung stehen werden Museumsdirektorin Dr. Annette Ludwig (am 9.3. und 12.4.) sowie der planende Architekt von DFZ-Architekten aus Hamburg, Stephen Kausch (am 20.3.).

(Dokumentation: Diether v. Goddenthow /Rhein-Main.Eurokunst)

Initiative für den Turm
www.mainz-fuer-gutenberg.de

Initiative gegen den Turm:
www.bi-gutenberg-museum.de

 

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