‚Kommt die D-Mark, bleiben wir‘ – Währungsunion vor 25 Jahren in kürzester Zeit gestemmt.

Goldregen für die Ossis oder was?
Goldregen für die Ossis oder was?

‚Kommt die D-Mark, bleiben wir‘
Deutschland vor 25 Jahren: In kürzester Zeit stemmte die Bundesbank die Währungsunion

Bereits drei Monate vor der Wiedervereinigung legte die Währungsunion zwischen BRD und DDR einen der Grundsteine für das Zusammenwachsen beider Staaten. Ausführender Hauptakteur war die Deutsche Bundesbank. Von Frankfurt aus regelte sie den Druck neuer Banknoten, deren Transport nach Ostdeutschland, die Eröffnung neuer Filialen und die Ausgabe der ersehnten D-Mark.

(pia) Wenn zum 3. Oktober die Politprominenz in Frankfurt den 25. Jahrestag der Deutschen Einheit feiert, blickt eine große in der Mainmetropole beheimatete Institution bereits zurück: Die Deutsche Bundesbank hat ihr großes Jubiläum schon hinter sich gebracht. Die Behörde war in den neuen Bundesländern mit der Durchführung der deutsch-deutschen Währungsunion zum 1. Juli 1990 betraut und so schon vor der eigentlichen Einheit besonders gefordert. Die Einführung der D-Mark ist vielen Ostdeutschen fast stärker im Gedächtnis haften geblieben als die offiziellen Einheitsfeierlichkeiten am 3. Oktober.

Der Druck war groß
Erdacht wurde die Währungsunion im Bundesfinanzministerium von Theo Waigel (CSU), parallel verhandelte Bundeskanzler Helmut Kohl (CDU) seit Februar 1990 mit dem Ministerpräsidenten der DDR, Hans Modrow. Gespräche, an denen die Bundesbank beteiligt war, wie es in der Jubiläumsfestschrift heißt.

Dennoch wurde es erst später richtig konkret. „Der Druck zur raschen Einführung wurde immer größer, gerade von Regierungsseite“, erinnert sich der damals zuständige Organisationschef der Bundesbank, Wendelin Hartmann. „Ich bekam von dort an einem Wochenende Ende März in meinem Urlaub einen Anruf: ‚Wir müssen jetzt konkret werden und einen Termin festlegen. Klappt das bis zum 1. Juli?‘ Dann hatte ich eine Minute Zeit, ja oder nein zu sagen. Ich sagte ja.“

Zwei Monate Zeit
Zwischen der Unterzeichnung des Staatsvertrags zwischen den beiden deutschen Staaten über die Wirtschafts-, Währungs- und Sozialunion im Mai und der Einführung der D-Mark in der DDR zum 1. Juli lagen nur zwei Monate. Der große Zeitdruck und die logistische Herausforderung dieser Währungsunion sind es, die die

Bundesbank heute besonders herausstellt. In den Wochen vor der Währungseinführung in der DDR – deren Staatlichkeit endete erst drei Monate später – baute sie insgesamt 15 Filialen neu auf. Mitarbeiter der DDR-Staatsbank wurden für die neuen Aufgaben geschult. Bundesbank-Beschäftigte leisteten Aufbauarbeit in der DDR. Die Logistik der Währungsunion wurde von der Zentrale in der Frankfurter Wilhelm-Epstein-Straße sowie der damals vorläufigen Verwaltungsstelle in Berlin geplant und geregelt, an der praktischen Umsetzung waren sämtliche Landeszentralbanken der Bundesrepublik beteiligt.

Sonderschichten in allen Bereichen
Unzählige Geldtransporter, begleitet von Blaulicht-Eskorten, brachten 440 Millionen bundesdeutsche Banknoten mit einem Gewicht von etwa 460 Tonnen in den Osten. Dazu kamen rund 102 Millionen Münzen mit einem Gewicht von 750 Tonnen. Insgesamt waren es 28 Milliarden D-Mark, die ab dem 1. Juli an die DDR-Bürger ausgezahlt werden sollten. Das meiste wurde mit Lastwagen befördert, es sollen aber auch Flugzeuge zum Einsatz gekommen sein. „Viele Straßen und Brücken in der DDR hielten die schweren Geldtransporter nicht aus“, beschreibt Carl-Ludwig Thiele, Vorstandsmitglied der Bundesbank. Problematisch war auch, dass die Buchungssysteme im unbaren Zahlungsverkehr beider Länder nicht kompatibel waren.

In den westdeutschen Bundesdruckereien wurden derweil Sonderschichten auf allen Maschinen gefahren, um den Geld-Nachschub auch im Westen sicherzustellen. Druckereien in der DDR wurden in die Geld-Produktion einbezogen. Für die sichere Lagerung wurden Tresore aus dem Westen herbeigeschafft. Um diese wiederum rangieren zu können, importierte die Bundesbank eigens Gabelstapler aus dem Westen.

Abwanderung verhindern
Die logistische Vorbereitung war das eine, das andere war der Disput über die Vorgehensweise. Der heutige Bundesbank-Chef Jens Weidmann sprach in einem Gastbeitrag im Tagesspiegel erst kürzlich wieder von Entscheidungen, die „entgegen auch von Bundesbankseite geäußerten Bedenken“ getroffen wurden. Kernargument der damaligen Bundesregierung für das hohe Tempo war es, dass die Abwanderung der Menschen von Ost nach West zu stoppen und der eingeleiteten politischen Einigung endgültig den Weg zu ebnen. Auf den Montagsdemonstrationen in Leipzig war Anfang des Jahres 1990 ein Plakat aufgetaucht, dessen Slogan es zur Berühmtheit brachte. „Kommt die D-Mark, bleiben wir, kommt sie nicht, geh’n wir zu ihr.“

Andererseits waren die an die Bundesbank gestellten Anforderungen schwer miteinander in Einklang zu bringen: Das Inflationsrisiko sollte möglichst gering gehalten werden. Die DDR-Unternehmen sollten möglichst wettbewerbsfähig bleiben. Die Ersparnisse der DDR-Bürger sollten möglichst große Kaufkraft behalten, um die Akzeptanz für die Umstellungssätze hoch zu halten.

Wie im Wirtschaftswunderland
Löhne und Gehälter, Stipendien, Renten, Mieten und Pachten wurden damals auf das Umtauschverhältnis 1:1 festgelegt, Ersparnisse zu einem Kurs von 2:1. So durften Bürger ab 60 Jahren bis zu 6000, Erwachsene bis zu 4000 und Kinder bis 14 Jahren bis zu 2000 Ostmark zum Kurs von 1:1 umtauschen. Darüber liegende Sparguthaben wurden zum Kurs 2:1 gewechselt, Schulden wurden ebenfalls halbiert. 900 D-Mark holten sich DDR-Bürger durchschnittlich am 1. Juli, dem ersten Tag der Währungsausgabe. Sie kauften Malereimer, Farben, Schuhe, Gebrauchtwagen oder Reisen. In der Nacht zuvor waren bereits 24,7 Millionen Bankkonten von Ostmark auf D-Mark umgestellt worden.

Die Folgen waren eine sofortige Öffnung des DDR-Marktes für westliche Produkte, die Menschen standen staunend vor Läden, deren Auslagen sich über Nacht gefüllt hatten – in dieser Hinsicht trug diese Währungsreform viele Aspekte des westdeutschen Wirtschaftswunders 1948 in sich. Allerdings mussten sich die DDR-Unternehmen quasi über Nacht der Konkurrenz des Weltmarktes und gleichzeitig dem vorgeschriebenen Umtauschkurs bei den Löhnen beugen, was viele nicht lange durchhalten konnten. Insolvenzen und Massenentlassungen waren die Folge.

Kaufkraft, Stabilität und internationales Ansehen
Carl-Ludwig Thiele spricht im Nachhinein von einer „Schocktherapie“, deren wirtschaftliche und soziale Folgen daraufhin über die vormals westdeutschen Sozialsysteme abgefedert worden seien. „Mit der D-Mark Einführung wurde der Inbegriff von Kaufkraft, Stabilität und internationalem Ansehen in die DDR transportiert.“ Allerdings habe die Währungsunion für sich allein genommen der kranken Realwirtschaft nicht helfen können. Dafür sei ein längerer Atem nötig gewesen.
Bei Bundesbankpräsident Weidmann überwiegt nichtsdestotrotz aus heutiger Sicht die positive Bewertung. Die Bürger Ostdeutschlands hätten eine stabile und kaufkräftige Währung erhalten. Sie habe Transparenz und Planungssicherheit gebracht und dank der erreichten Preisstabilität gerade für den sozialen Frieden einen wichtigen Beitrag geleistet. Der damalige Finanzminister Theo Waigel, der als Festredner der Bundesbank beim Jahrestag in Leipzig auftrat, bezeichnete die D-Mark für die Ostdeutschen als „Überbringer der Freiheit und der menschlichen Würde.“ Dies überlagere sowohl die Kosten als auch die notwendigen Umstellungen der ostdeutschen Wirtschaft.
Elfeinhalb Jahre war Deutschland mit der D-Mark vereint, bevor die Einführung des Euro-Bargelds am 1. Januar 2002 auch die Mark zur historischen Währung machte. Der 1. Juli 1990 markierte zugleich die erste Stufe der europäischen Wirtschafts- und Währungsunion, die später in der Einführung des Euro und dem System der europäischen Zentralbanken münden sollte. „Nicht nur Ost- und Westdeutschland wollten in dieser Zeit näher zusammenrücken, auch die Europäische Gemeinschaft strebte nach einem höheren Grad der Integration“, so Thiele.
Stefan Röttele

Dass Frankfurt als Sitz der Deutschen Bundesbank nicht nur im Jubiläumsjahr, sondern auch vor 25 Jahren eine wichtige Rolle bei der Wiedervereinigung spielte, zeigt die Ausstellung „FRANKFURTinsights – Die 1000 Wunder von Frankfurt“ in den Römerhallen vom 28. September bis 4. Oktober .

Auf großen Leinwänden laufen Videoinstallationen des Presse- und Informationsamtes, die die Betrachter mitnehmen in die Welt der Scheine, Münzen und des Goldes, in die Welt der Menschen, die täglich mit ihnen arbeiten. Aber auch zu den Frankfurtern jenseits der Tresore. Die Ausstellung ermöglicht Einblicke in ihren Alltag und zeigt den Zuschauern Orte, die gewöhnlich verborgen bleiben.

Quelle: Presse und Informationsamt der Stadt Frankfurt am Main, PIA.