Katalog zur Ausstellung „Emil Nolde. Die Grotesken“

katalog.noldeDie Abkehr von der Realität zugunsten einer grotesken Gegenwelt zieht sich durch das Werk von Emil Nolde, von seinen Anfängen über die Grotesken von 1905 und Aquarellen von 1918/1919 bis in die Jahre des Berufsverbots unter den Nationalsozialisten. Der Katalog zur Ausstellung präsentiert erstmals in großer Bandbreite eine faszinierende Seite und bizarre Bilderwelt des großen Malers und Aquarellisten. Dabei werden auch zuvor nie gezeigte Arbeiten veröffentlicht. Mit dem Grotesken und dem Fantastischen gibt es einen unübersehbaren und wichtigen Bereich innerhalb des Gesamtwerks von Emil Nolde, der bislang noch nicht explizit Gegenstand einer Ausstellung oder einer wissenschaftlichen Untersuchung gewesen war.

Der Katalog enthält Texte von Caroline Dieterich, Ulrich Luckhardt, Christian Ring, Daniel J. Schreiber und Roman Zieglgänsberger. Er erscheint im Verlag Hatje Cantz zum Preis von 29,80 € (ISBN 978-3-7757-4267-2).

Zur Ausstellung „Emil Nolde. Die Grotesken“

Die Autoren
Roman Zieglgänsberger verdeutlicht in seinem Beitrag Schlaglichter auf das Schattenreich der Grotesken um 1900 die Herkunft des um die Jahrhundertwende allgegenwärtig Grotesken vor allem im internationalen Symbolismus und im Art Nouveau. Der Autor wirft ein Schlaglicht auf die deutschsprachigen Künstler dieser Epoche, die sich mit der Groteske beschäftigten wie Arnold Böcklin, Franz von Stuck, Alexander Kubin oder Max Klinger.

In seinem Artikel Zur Kontinuität des Grotesken im Werk von Emil Nolde spürt Christian Ring der Kontinuität des Grotesken in den Arbeiten des Künstlers nach. Noldes Kunst wurzelt im deutsch-dänischen Grenzgebiet, aber auch die Großstadt Berlin faszinierte ihn. Im Winter 1923 malte er dort eine Folge von grotesken Fantasiebildern mit höchst eigenwilligen Kreaturen in heiterer Stimmung, die an die Werke von Hallig Hooge erinnern. Ab den 1930er-Jahren und noch intensiver nach dem 1941 von den Nationalsozialisten verhängten Berufsverbot erschuf Nolde über 1.300 kleinformatige, farbgewaltige Aquarelle, in denen er an die Thematik der Phantasien anknüpft. Die „Ungemalten Bilder“ bilden einen Höhepunkt in seinem Spätwerk.

Ulrich Luckhardt widmet sich einem wichtigen Thema des Frühwerks mit seinem Beitrag »Maler werden war meine Bestimmung« Noldes früher Erfolg mit den Bergpostkarten. Ab 1894 porträtierte Nolde Alpengipfel in Gestalt grotesker Sagen- und Märchenfiguren. Insgesamt sind 30 verschiedene Postkartenmotive der Alpen bekannt. Vorgefundene Gebirgsformationen, die er selbst erkletterte, wandelt er in eine oder mehrere menschliche Physiognomien um, die aus den geografisch leicht identifizierbaren Massiven herauszuwachsen scheinen. Diese Folge im Frühwerk von Emil Nolde gelangte durch den Druck und Vertrieb als Serie „Bergpostkarten“ in die Öffentlichkeit. Aufgrund des großen Erfolges ermöglichen sie dem Künstler eine finanzielle Unabhängigkeit und markieren die wichtigste Etappe auf dem Weg in die künstlerische Freiheit.

Caroline Dieterich beleuchtet Emil Noldes Reise 1919 zur Hallig Hooge: »Weltferne Vereinsamung kann reichstes Leben enthalten, rauschende Vielfältigkeit zerstreut alle geistige Sammlung« Emil Noldes Reise zur Hallig Hooge. Der 1918 beendete Krieg hatte den Künstler sehr erschüttert und er sehnte sich nach Ruhe und Einsamkeit, die er auf der Hallig Hooge fand. Hier entstand eine Serie von 71 Aquarellen, die sich heute als Konvolut in der Nolde Stiftung Seebüll befinden. Die Motive reichen von Tanz, Aktdarstellungen, alltäglichen Szenen, Schauspiel und zwischenmenschlichen Begebenheiten bis hin zu frei erfundenen Fantasiefiguren. Von keinem der Blätter hat sich Nolde je getrennt, er beließ die Serie im Ganzen, denn sie waren ihm als persönliche Skizzen wichtig.

Daniel J. Schreiber weist in seinem Thema Pareidolie statt Ideologie – Ein Versuch über Emil Noldes groteske Bilder nach, dass die Groteske bei Nolde eine malerisch ausgelebte Pareidolie ist. Sie ist ein verbreitetes Phänomen, in abstrakten Dingen und Mustern vermeintliche Gesichter und vertraute Wesen oder Gegenstände zu erkennen. Bei den frühen Bergpostkarten werden die Fratzen noch aus der akkuraten Wiedergabe der Bergwelt herausgearbeitet während sich bei den späteren Phantasien die fantastischen Figuren aus dem gestischen Aufschlag der Farbe heraus entwickeln.

Zur Ausstellung Emil Nolde. Die Grotesken.