Karikaturist Gerhard Haderer kann auch „Caravaggio“ – Werkschau im Caricatura Frankfurt präsentiert erstmals bittersüße Ölgemälde im Großformat

Das Caricatura Museum Frankfurt präsentiert ab April 2023 einen der bedeutendsten satirischen Zeichner im deutschsprachigen Raum: Gerhard Haderer (*1951 in Leonding/Österreich). 25 Jahre lang erreichte er mit seinen wöchentlichen Zeichnungen für den stern ein Millionenpublikum. Seine zahlreichen Cartoons sind meistens provokativ, auf jeden Fall immer treffend.  Ausstellungs-Impresseion. © Foto Diether von Goddenthow
Das Caricatura Museum Frankfurt präsentiert ab April 2023 einen der bedeutendsten satirischen Zeichner im deutschsprachigen Raum: Gerhard Haderer (*1951 in Leonding/Österreich). 25 Jahre lang erreichte er mit seinen wöchentlichen Zeichnungen für den stern ein Millionenpublikum. Seine zahlreichen Cartoons sind meistens provokativ, auf jeden Fall immer treffend. Ausstellungs-Impresseion. © Foto Diether von Goddenthow

Das Caricatura Museum Frankfurt – Museum für Komische Kunst präsentiert vom 6. April bis zum 17. September 2023 die Werke des „Superstars der Komischen Kunst“ Gerhard Haderer, darunter als Highlights erstmals seine bittersüßen großformatigen Ölgemälde. Kuratiert hat die Ausstellung Stefanie Rohde. 

Die Ausstellung heiße schlicht Gerhard Haderer, ähnlich wie auch einst die Alten Meister ihre Werke nur mit ihrem Künstlernamen präsentiert hätten, wobei bei Gerhard Haderer die Betonung auf „Meister“ läge, begrüßt Achim Frenz, Direktor des Caricatura Museum für Komische Kunst Frankfurt, ein wenig augenzwinkernd die Runde. Schon 2011 präsentierte das Caricatura Frankfurt  Haderers bissigen Werke. „Diese machten die damalige Werkschau zu einer der erfolgreichsten Ausstellungen unseres Museums“, so Frenz.

Direktor Achim Frenz mit Gerhard Harderer im Gespräch vor dem Cartoon"Am Tag danach", welches  Haderer am 7. Jan. 2015 nach dem terroristischen Anschlag auf das Redaktionsbüro der französischen Satirezeitschrift Charlie Hebdo in Paris malte.  © Foto Diether von Goddenthow
Direktor Achim Frenz mit Gerhard Harderer im Gespräch vor dem Cartoon“Am Tag danach“, welches Haderer am 7. Jan. 2015 nach dem terroristischen Anschlag auf das Redaktionsbüro der französischen Satirezeitschrift Charlie Hebdo in Paris malte. © Foto Diether von Goddenthow

Jetzt gut 10 Jahre nach der ersten Haderer-Ausstellung später, möchte das Caricatura Frankfurt ein weiteres Feld über die neuen Arbeiten des Meisters Haderer zeigen. So habe Gerhard Haderer Achim Frenz versprochen, zum Abschluss seiner Zeit als Museumsleiter des Caricatura Museums seine bislang noch nie gezeigten großformatigen Ölgemälde in Frankfurt auszustellen. Und da nun der legendäre Museumsleiter Achim Frenz tatsächlich demnächst in den „Ruhestand“ verabschiedet werden wird, hat Gerhard Haderer, den mittlerweile eine enge Freundschaft mit Frenz verbindet, sein Versprechen eingelöst, und  ermöglicht erstmals eine Präsentation seiner großformatigen Ölgemälde.
Unter seinen Ölgemälden befinden sich sagenhafte Werke mit Abmessung von 2,50 x 1,80 Meter, „also etwas größer als seine Zeichnung und Acryl-Bilder“ in der sich Haderer in den Techniken der Alten Meister übte und sich der gestalterischen Aufgabe der großen Leinwand stellte, so Frenz. Er selbst habe ihn einmal bei einer Ausstellung im Kunst-Museum Linz den Caravaggio der komischen Kunst genannt. Mit Recht.  Denn ein Blick auf Haderers liebevoll-bösartigen satirischen Öl-Gemälde im Hell-Dunkel-Stil früher Barockmalerei eines Caravaggios (1571 -1610) reicht, um darin  den italienischen Altmeister wiederzufinden. Haderer habe sich bei Italienreisen in Caravaggios Bilder und dessen Malweise verliebt. und er habe es als Herausforderung empfunden, dessen Malweise ein wenig nachzuempfinden.

Ausstellungs-Impresseion. Im Hintergrund der Öl-Cartoon "Waldlichtung" © Foto Diether von Goddenthow
Ausstellungs-Impresseion. Im Hintergrund der Öl-Cartoon „Waldlichtung“ © Foto Diether von Goddenthow

Zum Glück, denn  Gerhard Haderer kann auch Caravaggio: Auch Haderers Figuren wirken vor den bewusst dunkel gehaltenen Hintergründen enorm  lebendig. Die Akteure seiner kurios boshaft witzigen Öl-Cartoons treten im wohldosierten Lichterschein aus dunklen Hintergründen besonders plastisch hervor. Der meisterhaft in dieser Chiaroscuro-Technik erzeugte Kontrast zwischen Hell und Dunkel verleiht Haderers  Ölgemälden eine besonders dramatische Note und  fotorealistische Ästethik und  Tiefe. Kaum ein Betrachter vermag sich der Magie dieser Öl-Cartoons entziehen. Die Bilder verführen unweigerlich zum Hinschauen und ziehen Betrachter  ins Geschehen hinein. Gerhard Haderer gelingt es durch diese spezielle Hell-Dunkel-Technik die Kompositionen an Tiefe und Theatralik gewinnen zu lassen, die seine Bildbotschaften subtil noch verstärken.

Ob er Perfektionist sei? Nein, davon sieht sich der Meister fern – „gut bei den Ölgemälden“, die eine neue echte Herausforderung waren und auch etwas mit Disziplin zu tun hätten, „hat er eine Ausnahme gemacht“, aber immer “wenn ich in die Nähe eines Perfektionisten gerate, muss ich mich selber sofort rächen, also überprüfen“, und dann entstünden eben solchen Dinge wie „‘Moff‘ dieses kleinformatige bildchenförmige Schundheftel, wie es in Österreich heißt, das nur mit einem Stift auf weißem Papier gezeichnet ist. Also Perfektionismus ist mir wohl sehr fern“, beteuert der Künstler, dem man dies nicht so ganz abnehmen kann. Zu vollkommen sind seine Werke.

Seine  Bilder entstünden in seinen Ateliers in Linz und im Sommersitz am Attersee, Ruhe, Zeit und Ordnung benötige er für die Ausarbeitung, so Frenz. Haderer arbeitet klassisch mit Stiften, Pinsel, Papier und Farbe. Auf Skizzen folgt eine erste Zeichnung, dann die Ausarbeitung mit Buntstiften in einer gekonnt eingesetzten Mischung aus zarten und kräftigen Strichen. Nie vernichtend, sondern geradezu liebevoll und mit größter Genauigkeit nähert er sich seinen Szenerien, sucht die Zwischentöne in den großen Themen.

Keep going  (c)  Gerhard Haderer 2020 © Foto Diether von Goddenthow
Keep going (c) Gerhard Haderer 2020 © Foto Diether von Goddenthow

Für Haderer sei es keine Arbeit, so Frenz, „es geht ihm leicht von der Hand, 10 bis 12 Stunden arbeitet er an einem Werk“, für seine großformatigen Ölgemälde benötigt er allerdings gute drei Monate, was jedoch dennoch recht flott ist.
Dass seine großformatigen Ölgemälde maximal 2,50 auf 1,80 Meter messen, habe einen ganz banalen Grund, nämlich läge an der relativ kleinen Wohnung in Linz. „Fünf Zentimeter größer wäre einfach nicht mehr durch die Eingangstür gegangen. Deswegen haben sich diese Bilder in diesem für mich Riesenformat in dieser Größe ergeben“, erklärt der Meister.

Im Mittelpunkt der jetzt gezeigten Ausstellung stehen Haderers bereits erwähnten, beeindruckenden Ölgemälde, die zwischen fotorealistischer Perfektion und karikaturesker Überspitzung seine exzeptionelle Position auch in der Komischen Malerei unter Beweis stellen, wie es im Prospekt des Caricatura-Museums heißt.
Komplettiert wird die Werkschau durch eine breite Auswahl an Cartoons des vielfach ausgezeichneten Künstlers. Verschiedene Arbeitsskizzen sowie eine Medienstation, die den Entstehungsprozess ausgewählter Zeichnungen zeigt, gibt zudem Einblicke in die Arbeitsweise Haderers. Seine zahlreichen Cartoons sind meistens provokativ, auf jeden Fall immer treffend. In ihnen entdeckt der Betrachtende eine Bandbreite an gesellschaftlichen oder politischen Themen: Religion, Migration, Klimawandel, soziale Ungerechtigkeit, Bürokratiewahnsinn, Sportskandale uvm. Haderer zeichnet aus Notwehr gegen den Wahnsinn: „Es wäre schön, die Mächtigen mit dem Bleistift in Grund und Boden zeichnen zu können.“ Gerade in diesen Tagen der absoluten Krisen werden seine Werke wertvoller denn je und seine Rebellion auf dem Papier umso wichtiger. Das allgegenwärtige Credo: sich einmischen, aufmischen und bloßstellen.

(Diether v. Goddenthow /RheinMain Eurokunst)

Wer ist Gerhard Haderer?

Gerhard Haderer, rein zufällig, vielleicht ein wenig symbolisch für sein spezielles Verhältnis zur katholischen Kirche, im Hintergrund der Frankfurter Dom St. Bartholomäus gegenüber vom Caricatura Museum für komische Kunst am Weckmarkt. © Foto Diether von Goddenthow
Gerhard Haderer, rein zufällig, vielleicht ein wenig symbolisch für sein spezielles Verhältnis zur katholischen Kirche, im Hintergrund der Frankfurter Dom St. Bartholomäus gegenüber vom Caricatura Museum für komische Kunst am Weckmarkt. © Foto Diether von Goddenthow

Gerhard Haderer wurde im österreichischen Leonding am 29. Mai 1951 geboren. Schon als Kind war für ihn das Zeichnen die unmittelbarste Sprache, mit der er sein Umfeld über die bloße Abbildung hinaus kommentierte. Seine Eltern förderten sein Talent. Sie ermutigten ihn, dieses beruflich zu nutzen und ermöglichten ihm eine Ausbildung zum Grafiker an der Linzer Fachschule für Gebrauchs- und Werbegrafik. Eine daran anschließende Lehre als Graveur in Stockholm brach er ab. Kurzzeitig arbeitete er als Dekorateur bei der Quelle AG, ab 1974 dann sehr erfolgreich als freier Grafiker und Illustrator für verschiedene Werbeagenturen. Insbesondere seine fotorealistischen Arbeiten in allen Bereichen der Werbeillustrationen waren auch bei großen Unternehmen und Marken schnell gefragt. Wirtschaftlich auf der Sonnenseite haderte der Künstler jedoch immer mehr mit dieser Erwerbsform und der vermeintlich heilen und strahlenden Werbewelt.

Gerhard Haderer im Gespräch mit seiner Kuratorin Stefanie Rohde. © Foto Diether von Goddenthow
Gerhard Haderer im Gespräch mit seiner Kuratorin Stefanie Rohde. © Foto Diether von Goddenthow

Mit 30 Jahren entschied er sich für einen radikalen Neuanfang. Er kündigte seine Dienste in der Werbebranche, zog mit Frau und Kindern nach Linz, wo er bis heute lebt. Hier widmet er sich fortan der Komischen Kunst. Bereits 1984 erschien Haderers erste Karikatur auf dem Cover der Salzburger Satirezeitschrift „Watzmann“. Dadurch wurde die Chefredaktion des österreichischen Nachrichtenmagazins „profil“ auf den Zeichner aufmerksam. Bis 2009 zeichnete er regelmäßig für das Magazin. Einem Millionenpublikum wurde er durch seine Kolumne „Haderers Wochenschau“ im „Stern“ bekannt, die er 1991 bis 2016 zeichnete. Ebenso arbeitete er für den „Wiener“, „Titanic“, „GEO“ und „trend“ und zuletzt für die „Oberösterreichischen Nachrichten“, seit 2017 für das österreichische Nachrichtenmagazin „news“.

Neben diesen Tätigkeiten suchte Haderer immer weiter nach neuen künstlerischen Herausforderungen und Ausdrucksformen. So erschien 1991 sein erstes Kinderbuch „Das große Buch vom kleinen Oliver“, dem weitere folgen sollten. Für die Wiener Kabarett-Gruppe „maschek“ entwarf er 2006 erstmals Handpuppen für ihre als Kasperltheater inszenierten Stücke. 2014 brachte er seinen Bestseller „Der Herr Novak“ auf die Bühne.

Von 1997 bis 2000 erschien erstmals Haderers eigenes Comic-Format mit dem lautmalerischen Titel „MOFF“, das er 2008 gemeinsam mit seinem Sohn und dessen Frau wiederbelebte. In „MOFF“ konzentriert sich der Karikaturist im Gegensatz zu seinen detailreichen Arbeiten auf schnelle Schwarz-Weiß-Comic-Strips im Kleinstformat. Konträr dazu übte sich Haderer in den vergangenen Jahren in der Ölmalerei. Mit Großformaten von 250 cm x 180 cm zitiert er dort in karikaturesker Überspitzung die dramatischen Inszenierungen der Alten Meister.

2017 gründete Haderer die „Schule des Ungehorsams“ in Linz mit dem Ziel, durch alle gesellschaftlichen Schichten einen kritischen Diskurs zu etablieren. Vorträge, Ausstellungen, Lesungen und Workshops bis hin zu Publikationen und Aktionen im öffentlichen Raum sollen Menschen mit künstlerischen Mitteln aktiv werden lassen.

Andere Angebote, die Haderers Freiheit und damit seine Unabhängigkeit eingeschränkt hätten, lehnte der Künstler hingegen kategorisch ab, darunter lukrative Angebote der Privatwirtschaft wie beispielsweise Red Bull oder das millionenschwere Angebot der FIFA, Nutzungsrechte einer Zeichnung zu erhalten.

Ausschnitt aus: Messias im Vatikan, 2014, © Gerhard Haderer © Foto Diether von Goddenthow
Ausschnitt aus: Messias im Vatikan, 2014, © Gerhard Haderer © Foto Diether von Goddenthow

Haderers Arbeiten kommentieren mit ihrem hintersinnigen Witz gesellschaftliche und politische Missverhältnisse. Sie fordern heraus, provozieren. Insbesondere diejenigen, die sich von den Karikaturen ertappt fühlen. Das zeigen viele öffentliche und teils heftige Reaktionen auf seine Werke. Sein Bestseller-Comic „Das Leben des Jesu“ zog internationale Proteste seitens der Kirche und der Politik nach sich und mündete in Anzeigen in Österreich und der Tschechischen Republik. In Griechenland verurteilte man ihn 2005 in Abwesenheit wegen Blasphemie zu einer sechsmonatigen Freiheitsstrafe, in einer Berufungsverhandlung wurde er freigesprochen. Zusammen mit der Initiative „Courage – Mut zur Menschlichkeit“ sorgte er zuletzt im März 2021 für internationale Aufmerksamkeit: Als Protest gegen die Migrationspolitik der damaligen österreichischen Regierung unter Kanzler Sebastian Kurz zierte der Cartoon des „Herzlosen Kanzlers“ ein 230 Quadratmeter großes Plakat an einem der meist frequentierten Verkehrsknotenpunkte in Wien.

Haderer beobachtet, zeichnet das, was ihm auffällt, was ihn alltäglich umgibt. Intensive Gespräche und exakte Beobachtungen seines Umfeldes liefern ihm die Inspiration für ein vielfältiges Themenspektrum. Sein Figurenensemble ist vielgestaltig, neben den Großen und Mächtigen fängt er auch immer wieder Stimmung und Empfindlichkeiten der Bevölkerung ein.

Eröffnet wird die Ausstellung am heutigen Mittwoch, dem 5. April, um 18.00 auf dem Weckmarkt vor dem Caricatura Museum Frankfurt. Gerhard Haderer ist anwesend. Die Frankfurter Kulturdezernentin Dr. Ina Hartwig steuert ein Grußwort bei und Kabarettistin Maren Kroymann (Schauspielerin, Kabarettistin und Sängerin) sendet eine Videobotschaft. Musikalisch sendet von Attwenger ein Videogrußwort. Anmeldung ist nicht erforderlich, wer möchte kann es aber über E-Mail caricatura.museum@stadt-frankfurt.de

Caricatura Museum Frankfurt
Museum für Komische Kunst
Weckmarkt 17
60311 Frankfurt am Main
Telefon: 069 / 212 30161
Caricatura.museum@stadt-frankfurt.de
www.caricatura-museum.de