Internationale Tage Ingelheim präsentieren ab 1.Mai 2022 Meisterblätter von Edvard Munch

Meisterblätter von Edvard Munch in Ingelheim Die Ausstellung der Internationalen Tage widmet sich 2022 dem norwegischen Künstler Edvard Munch. Der 1863 geborene Künstler entwickelt sich schnell zu einem der bedeutendsten und einflussreichsten Maler und Grafiker der frühen Moderne in Europa. © Foto Diether v. Goddenthow
Meisterblätter von Edvard Munch in Ingelheim Die Ausstellung der Internationalen Tage widmet sich 2022 dem norwegischen Künstler Edvard Munch. Der 1863 geborene Künstler entwickelt sich schnell zu einem der bedeutendsten und einflussreichsten Maler und Grafiker der frühen Moderne in Europa. © Foto Diether v. Goddenthow

Nach Käthe Kollwitz im vergangenen Jahr, präsentieren die Ingelheimer Tage mit Meisterblättern des norwegischen Künstlers Edvard Munch vom 1. Mai bis 10.Juli 2022 wieder herausragende künstlerische Positionen, die in diesem Umfang in Ingelheim noch nie zu sehen waren. Der 1863 geborene Künstler entwickelt sich schnell zu einem der bedeutendsten und einflussreichsten Maler und Grafiker der frühen Moderne in Europa.

Mit der Ausstellung „Edvard Munch. Meisterblätter“ greifen die Internationalen Tage zwei Schwerpunkte auf, die auch in den vergangenen Jahrzehnten für die Ausstellungen in Ingelheim prägend waren, so Kurator Dr. Ulrich Luckhardt. Zum einen würde einer der international bekanntesten Künstler um die Wende des 19. Zum 20. Jahrhundert gezeigt, zum anderen, greife auch die diesjährige Ausstellung wieder das künstlerische Medium der Druckgrafik auf. Dieses künstlerisches Medium habe auch in der Vergangenheit immer wieder eine zentrale Rolle bei hier gezeigten internationalen Künstlern gespielt, etwa bei Picasso, Miro, Dürer, Rembrandt, Goya, und im letzten Jahr bei Käthe Kollwitz.
Bei den von Munchs präsentieren Druckgrafiken handele es sich beispielsweise um Radierung, Lithografie, Holzschnitte und als Besonderheit um eine Hektografie, um einen sogenannten Matrizendruck, was sehr ungewöhnlich sei, so Dr. Luckhardt.

Edvard Munch
Nach einem kurzen Kunststudium in Christiania (heute Oslo) zieht es Edvard Munch 1889 erstmals nach Paris, wo er sich mit dem Symbolismus des ausgehenden Jahrhunderts auseinandersetzt. Persönliche Schicksalsschläge wie der frühe Tod der Mutter und einer Schwester, aber auch unglückliche Beziehungen zu Frauen, prägen schon früh Munchs künstlerisches Werk. So ist die Beziehung der Geschlechter mit den Facetten von Glück und Angst, Erwartung und Sehnsucht Grundthema seiner Kunst, die sich nach der Wende zum 20. Jahrhundert mehr und mehr vom Symbolismus löst. Munch entwickelt nun eine eigene psychologische Bildsprache zwischen tief empfundener Melancholie, Einsamkeit und Todesangst. Als diese Werke erstmals 1892 in Deutschland im Verein Berliner Künstler in Berlin ausgestellt werden, lösen sie einen Skandal aus, der zur Schließung dieser Ausstellung führt.
Gefeiert von der jungen Generation von Künstlern, Literaten und Intellektuellen begründet sich so Munchs großer Einfluss nicht nur auf die bildende Kunst in Deutschland.
Neben der Malerei entsteht seit 1894 weitgehend autodidaktisch ein sehr umfangreiches druckgrafisches Werk, das die Themen der Gemälde aufnimmt. In ihrer technischen Perfektion und den einzigartigen Experimenten, unterschiedliche Druckverfahren miteinander zu kombinieren, wird Munchs druckgrafisches Werk zu einem künstlerischen Höhepunkt in diesem Genre.

Selbsterkundung und Führungen mit Frühstück bzw. Kaffee u Kuchen
Die zirka 90 oftmals farbigen Druckgrafiken geben einen profunden Überblick über das Werk von Edvard Munch. Dabei habe man jedoch die Werke nicht wie bei einer Retrospektive chronologisch, sondern nach Themenschwerpunkten gehängt, angepasst an die Räumlichkeiten im Kunstforum Ingelheim – Altes Rathaus. Hierdurch gewinnt die Ausstellung eine enorme Klarheit und Besucher können sich, beginnend mit Raum 1, im Untergeschoss, systematisch bis Raum 5, im 2 Obergeschoss, durch Munchs Werke „arbeiten“. Am besten sei, so Dr. Luckhardt, dies jeweils im Uhrzeigersinn zu tun. Saaltexte in jedem Raum geben eine kleine Einführung zu den jeweiligen Werken.

Themenschwerpunkte

Ausstellungs-Impression : Meisterblätter von Edvard Munch in Ingelheim vom 1.05. bis 10.7.2022. Vorne "Mädchen auf der Brücke", 1920, Holzschnitt und farbige Lithografie, Sammlung E.W.K., Bern. © Foto Diether v. Goddenthow
Ausstellungs-Impression : Meisterblätter von Edvard Munch in Ingelheim vom 1.05. bis 10.7.2022. Vorne „Mädchen auf der Brücke“, 1920, Holzschnitt und farbige Lithografie, Sammlung E.W.K., Bern. © Foto Diether v. Goddenthow

Anziehung und Loslösung
Beginnend mit dem Geschlechterverhältnis von Mann und Frau, von Männerfantasien über die Annäherung und die innige Liebe bis hin zu Eifersucht und Loslösung und Trennung durch gemeinsamen Tod, wird hier ein Bogen des Lebens visualisiert.

Selbst und Freunde
Zusammen mit den Selbstporträts zeugen die Bildnisse der Literaten wie Henrik Ibsen und August Strindberg oder des Komponisten Frederick DeLus Munchs enge Verbindungen in andere künstlerische Bereiche.

Melancholie und Einsamkeit
Einen weiteren Schwerpunkt bilden Melancholie und Einsamkeit von Menschen, sowohl in Innenräumen wie vor der offenen Meereslandschaft, wobei diese zum tiefgründigen Ausdruck der menschlichen Seele werden.
Das Schwermütige spiele ja in Skandinavien in der Kunst eine sehr große Rolle, so Dr. Luckhardt, und insbesondere auch bei Munch, der ja selber psychisch sehr labil war und nach einem psychischen Zusammenbruch in den Jahren 1908 /1909 für 8 Monate in einer Kopenhagener Nervenklinik weilte. Diese Schwermütigkeit zeichne sich besonders in Darstellungen der Figuren am Meer aus,  einsame Figuren, auch Rückenfiguren, deren Gesicht man nicht sieht. Das sei natürlich alles vor dem Hintergrund zu sehen, dass zu Munchs Zeit die Psychoanalyse entwickelt wurde. Und gerade die nordischen Künstler haben sich damit sehr auseinandergesetzt. Sie haben diese neue Dimension der Menschheit versucht darzustellen, oder im Werk aufwühlen zu lassen, so der Kurator bei der Presseführung.

Erinnerung
Erinnerung meint hier insbesondere das Erinnern an traumatische Lebenssituationen. Vorangestellt wird auf der Texttafel ein Zitat, in dem Munch die Situation beschreibt, in der ihm das Motiv „Der Schrei“ erscheint, was er dann in Gemälden und in der jetzt in Ingelheim gezeigten Lithographie künstlerisch ausgearbeitet hat. Aber auch Ängste spielen bei diesen  Motiven eine große Rolle. Der Schrei resultiere ja im Endeffekt aus einer Angst, so der Kurator. Ebenso haben Munch persönliche Erinnerungen besonders geprägt wie der frühe Tod seiner Mutter oder der frühe Tod einer seiner Schwestern. Munch verarbeitet dies unter anderem in einer Motivgruppe „Das Kranke Kind“.

Liebe, Schmerz, Tod
In der letzten Station im großen, ehemaligen Ratssaal, geht es erneut  um das „Verhältnis der Geschlechter“, diesmal jedoch um die „Rolle“ der Frau als ein für Männer bedrohliches Wesen. Er stellt sie da, etwa als  Salome, im „Gewand“ einer Geigerin mit einem fast skeletthaften, ausgemergelten Kopf. Oder als „Harpye“ , die auch eine Todesgefahr für das männliche Geschlecht signalisiere. Oder „seine“ Frau mit roten Haaren und grünen Augen, der Munch den Titel die „Sünde“ gegeben hat. Besonders nachdrücklich der Titel „Vampyr“: eine über einen Mann gebeugte Frau, die den Mann aussaugt, ihn tötet. Allerdings, so Dr. Luckhardt, könne dieses Werk auch anders interpretiert werden, etwa als eine intime zärtliche Umarmung. Eindeutigkeit gäbe es bei Munch bewusst nicht.

Der schöpferische Akt
Die Ausstellung endet sozusagen als Essenz seines Werkes mit drei Blättern: Im Holzschnitt „Die Blume des Schmerzes“ ragt eine männliche Figur aus dem Boden heraus, aus seinem Herz quillt ein Blutstrom, welcher eine Blume nährt und diese zum Erblühen bringt, sozusagen als Symbol für den Kreislauf des Lebens. Im zweiten Druck  erneut ein Motiv mit einer  Harpyie, einem antiken Zwitterwesen, einem Vogelwesen, was einen weiblichen Körper hat. Die Vogelfrau tötet Männer und wird bei Munch zur Metapher für die Kunst über das Leben des Künstlers hinaus. Das dritte Werk, eine Lithografie einer vertikal aufgerichteten „Urne“, aus der unten ein junges Frauengesicht herausschaut, ist ein geflügeltes Wesen „voller Trauer und Schönheit“. Es symbolisiert die Erneuerung, das Neuerstehen aus dem Abgelebten. So erklärt Munch einen Aspekt zum Wesen der modernen Kunst: ihre ständige Erneuerung.

Besuch und Führungen

Neben Selbsterkundung gibt es auch ein großes Angebot an originellen  Führungen:  etwa „Frühstück & Kunst“ (18 Euro inklusive Frühstück), „Kaffeezeit & Kunst“ (18,- Euro inklusiv Kaffee u. Kuchen) oder die an drei Terminen die Kuratoren-Führung mit Dr. Ulrich Luckhardt. Zudem gibt es gesonderte Angebote für Schulklassen, sowie Workshops für Kinder und am 10. Juni von 19 bis 24 Uhr die Nacht der Kunst rund um den Francois-Lachenal-Platz.
https://www.internationale-tage.de/fuehrungen/

Öffnungszeiten:
Dienstag, Mittwoch, Donnerstag und Freitag
11.00 bis 18.30 Uhr

Samstag, Sonntag und Feiertag
11.00 bis 18.00 Uhr

Montag geschlossen
(außer an Feiertagen)

Eintritt
7,- Euro Tageskarte (ausschließlich am Tag des Besuchs an der Museumskasse erhältlich, eine Reservierung vorab ist nicht notwendig)
5,- Euro ermäßigt
(Schüler ab 17 Jahre, Studenten, Auszubildende, Behinderte)
Kinder und Jugendliche bis 16 Jahre frei

Kunstforum Ingelheim – Altes Rathaus
François-Lachenal-Platz 1
55218 Ingelheim am Rhein
(Stadtteil Nieder-Ingelheim)

 

Katalog

It_Katalog_2022_01-250Gefeiert von der jungen Generation von Künstlern, Literaten und Intellektuellen begründet sich Munchs großer Einfluss auf die Kunst unter anderem in Deutschland. Sein umfangreiches druckgrafisches Werk bildet in technischer Perfektion und der einzigartigen Kombination unterschiedlicher Druckverfahren einen künstlerischen Höhepunkt dieser Gattung. Der Band stellt beliebte Themen seines Schaffens anhand herausragender Arbeiten vor. Die exzellenten Abbildungen erläutert ein fundierter Text von Uwe M. Schneede.
Edvard Munch. Meisterblätter
Herausgegeben von Ulrich Luckhardt mit Texten von Uwe M. Schneede
160 Seiten, 100 Abbildungen in Farbe
21 x 27 cm, gebunden
ISBN: 978-3-7774-3984-6
29,90 €