Das Literaturforum im Mousonturm Frankfurt im Mai 2017

Mittwoch, 3. Mai 2017, 20 Uhr:
Olga Grjasnowa
Gott ist nicht schüchtern

Amal und Hammoudi gehören der syrischen Oberschicht an. Amal ist Schauspielerin und hat eine Hauptrolle in einer bekannten Serie ergattert. Hammoudi ist plastischer Chirurg in Paris und nur wegen einer Passverlängerung in seiner Heimat. Doch dann beginnt der arabische Frühling – Hammoudi darf das Land nicht mehr verlassen und sieht sich gezwungen, im Untergrund Verletzten zu helfen, Amal gerät wegen ihrer Teilnahme an Demonstrationen ins Visier des Geheimdienstes. Als der Bürgerkrieg ausbricht und sie Zeuge schrecklicher Gräuel werden, begeben sich die beiden auf die Flucht nach Europa und landen schließlich in Berlin.

So überstrapaziert dieser Begriff in der Literaturkritik ist: Es ist Olga Grjasnowas Schonungslosigkeit, die ihren dritten Roman Gott ist nicht schüchtern auszeichnet. Sie erzählt von Hoffnungen und ihrem gewaltsamen Ende, von Folter und Erschießungen, von den Ertrunkenen im Mittelmeer und schließlich auch vom Fremdenhass direkt vor unserer Tür.

Moderation: Björn Jager

Ort: Literaturforum im Mousonturm
Eintritt: 7,-/4,- (VVK)| 8,-/5,- (AK)

Olga Grjasnowa, Jahrgang 1984, wuchs in Baku, Aserbaidschan auf. 1996, im Alter von 11 Jahren, emigrierte sie mit ihre Familie nach Deutschland. Sie ist Absolventin des Deutschen Literaturinstituts Leipzig, verbrachte Studienaufenthalte in Polen, Russland und Israel und erhielt, um nur zwei Beispiele zu nennen, das Grenzgängerstipendium der Robert Bosch Stiftung sowie das Hermann-Lenz-Stipendium. Ihre Texte wurden mehrfach ausgezeichnet, u.a. mit dem Anna Seghers-Preis und mit dem Chamisso-Förderpreis. Derzeit lebt sie in Berlin.

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Sonntag, 7. Mai 2017, 11 Uhr:
Ausgeplündert – Lesung mit Dietmar Bär
Abschlussveranstaltung von ‚Frankfurt liest ein Buch‘

Er ist ein vielfach ausgezeichneter Schauspieler und einer der beliebtesten Tatort-Kommissare: Dietmar Bär liest zum Ausklang von ‚Frankfurt liest ein Buch‘ aus Benjamin und seine Väter. Unweit des Roman-Hauptschauplatzes, der Berger Straße, bringt er Heckmanns Worte mit seinem warmherzigen Humor auf einmalige Weise zum Sprechen. Dabei spricht Bär aus Erfahrung: Die Hörspiele, denen er seine Stimme geliehen hat, sind preisgekrönt. So bekommt man Heckmanns Geschichte von Schuld und Sühne jedenfalls nicht noch einmal präsentiert.

Vorhang auf zum letzten Akt!

Ort: Theatersaal im Mousonturm
Eintritt: 15,-/13,-

+++ Der Ticketverkauf erfolgt über den Mousonturm +++

Herbert Heckmann, geboren 1930 in Frankfurt, gestorben 1999 in Bad Vilbel, veröffentlichte u.a. Erzählungen, Kinderbücher und Romane. Neben seiner wissenschaftlichen Lehrtätigkeit war er Mitherausgeber der Neuen Rundschau und verfasste für den hr Kulturbeiträge für Fernsehen und Rundfunk. Darüber hinaus war er von 1984 bis 1996 der Präsident der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung. Für seinen Roman Benjamin und seine Väter (1962) erhielt er den Bremer Literaturpreis.

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Samstag & Sonntag, 13.-14. Mai 2017, 10-18 Uhr:
Der Text und seine Glaubwürdigkeit
Schreibseminar mit Olga Martynova

Es gibt eine schwer zu bestimmende Dimension eines Textes: wie überzeugend er ist. Wir lesen zum Beispiel, wie Dante in die Hölle hinabsteigt und zum Purgatorium und sogar in den Himmel hinaufsteigt – und glauben ihm. Hingegen lesen wir manchmal, wie jemand in einem Park mit seinem Hund spazieren geht, und glauben der beschriebenen Szene nicht. Im Seminar werden wir im gemeinsamen Gespräch über Texte – sowohl mitgebrachte Texte der Teilnehmer als auch kleine und spielerische Schreibaufgaben – herausfinden, wann und warum sie überzeugend oder weniger überzeugend sind. Als Motto zu diesem Versuch, beim Spiel mit den Texten mehr über die Wege des Schreibens zu begreifen, nehmen wir die kühne Behauptung des russischen Dichters Daniil Charms, dass die wichtigste Eigenschaft des Schriftstellers die Macht sei. Der Schriftsteller habe die Aufgabe, die Leser vor eine so unbestreitbare Offensichtlichkeit zu stellen, dass sie nicht einmal wagen, einen Ton dagegen zu sagen.

Teilnahmegebühren: 100,-/50,-

Anmeldungen mit 2-3 Seiten Textprobe bitte an: bjoern.jager@hlfm.de

Mit freundlicher Unterstützung der Sparkassen-Kulturstiftung Hessen-Thüringen.

Olga Martynova, geboren 1962 bei Krasnojarsk in Sibirien, wuchs in Leningrad auf und studierte dort russische Sprache und Literatur. 1991 zog sie nach Deutschland und lebt seither in Frankfurt. Martynova schreibt Lyrik, Essays und Romane. Ihre Lyrik wurde mehrfach preisgekrönt und ihr erster Roman, Sogar Papageien überleben uns (2010), gelangte auf die Longlist des Deutschen Buchpreises und auf die Shortlist des aspekte-Literaturpreises. Nach dem Chamisso-Preis und dem Roswitha-Preis (2011) gewann sie 2012 den Ingeborg-Bachmann-Preis und 2015 den Berliner Literaturpreis.

 

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Montag, 15. Mai 2017, 20 Uhr:
‚Frankfurter Premieren‘
Mit Oleg Jurjew: Unbekannte Briefe

Drei lange verschollene Briefe russischer und deutscher Autoren hat Oleg Jurjew ausfindig gemacht und übersetzt: Leonid Dobytschin schreibt an den Kritiker Kornei Tschukowski. Iwan Pryschow wendet sich an Dostojewski, der ihn in seinen Dämonenals Figur benutzt. Und J.M.R. Lenz bringt offenbar noch am Tag seines Todes eine Nachricht an seinen russischen Freund Karamsin auf den Weg. Doch Moment: War Dobytschin nicht schon längst tot, als er angeblich den Brief verfasste? Existierte Pryschow tatsächlich? War Lenz, dem Büchner ein Denkmal gesetzt hat, psychisch noch in der Lage, Briefe zu schreiben? Und überhaupt: Wie kommt Jurjew an die Dokumente? Die Umstände, die er jeweils schildert, gleichen jedenfalls sehr merkwürdigen Zufällen…
Die Wahrheit ist: Oleg Jurjew hat einen Roman geschrieben – und zwar zum ersten Mal auf Deutsch. Unbekannte Briefe ist ein Vexierspiel zwischen Dichtung und Wahrheit, eine Hommage an das Briefeschreiben, an den noch lange nicht toten Briefroman und nicht zuletzt an die russische Literatur.

Moderation: Björn Jager

In Kooperation mit dem Kulturamt der Stadt Frankfurt.

Eintritt: 7,-/4,- (VVK)| 8,-/5,- (AK)

Oleg Jurjew, geboren 1959 in Leningrad, zog 1991 nach Deutschland und lebt seither in Frankfurt. Sein umfangreiches Werk umfasst Lyrik, Theaterstücke, Essays und Romane, von denen er manche auf Russisch und andere auf Deutsch geschrieben hat. Neben zahlreichen Stipendien und Auszeichnungen kam Jurjew mehrfach auf die Shortlist des russischen Andrej-Bely-Preises. Ebenso wie der Prosaband Spaziergänge unter dem Hohlmond (1993) wurde auch sein Roman Halbinsel Judatin (1999) für den russischen Bookerpreis nominiert. 2010 erhielt er den Hilde-Domin-Preis für Literatur im Exil der Stadt Heidelberg.

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Donnerstag, 18. Mai 2017, 20 Uhr:
Poetische Positionen
Mit Nancy Hünger und Sascha Kokot

Nichts weniger als „Texte, die irritieren, aus der Spur werfen“, verspricht die auf Lyrik spezialisierte edition AZUR. Wie dieser Anspruch erfüllt werden kann, demonstrieren zwei Frühjahrstitel auf je eigene Weise. Zum Soundtrack von Nancy Hüngers Ein wenig Musik zum Abschied wäre trotzdem nett gehören Geräusche wie „das Knacken eines Schädels“. Der Band bietet Bilder von morbider Schönheit – an Kneipenabenden, im Zuge von Jugenderinnerungen oder auf Urlaubsreisen. Wo auch immer aber das Ich der Gedichte sich befinden mag: Der Einsamkeit entkommt es nicht. Bei Sascha Kokots Ferner gibt der Titel das Programm vor. Die Verse greifen ins Räumliche aus. Sie durchmessen Zimmer, Städte und Landschaften. Kokots Sprache wirkt kühl und karg, die Gegenden, die er vor Augen stellt, erscheinen unwirtlich. Umso stärkere Effekte haben die dosiert eingesetzten Metaphern. Über allem liegt dabei der Schatten eines „Nicht mehr“, von Momenten, die unwiederbringlich sind. Für das Wecken von Frühlingsgefühlen sind andere zuständig.

Moderation: Malte Kleinjung

Eintritt: 7,-/4,- (VVK)| 8,-/5,- (AK)

Nancy Hünger, geboren 1981 in Weimar, studierte dort an der Bauhaus-Universität Freie Kunst. Heute lebt sie als freie Autorin in Erfurt. Sie erhielt zahlreiche Stipendien, darunter das Hermann-Lenz-Stipendium und das Stipendium des Thüringer Kultusministeriums 2008, 2012 das Förderstipendium Lyrik des Kunstfördervereins Düren. Darüber hinaus war sie 2011 Stadtschreiberin der Stadt Jena und 2013 Stipendiatin des Künstlerhauses Edenkoben. 2014 gewann sie den Publikumspreis des Menantes-Preises sowie den Förderpreis des Caroline-Schlegel-Preises der Stadt Jena. Zuletzt erhielt sie 2015 das Thüringer Literaturstipendium Harald Gerlach. Sie veröffentlichte mehrere Bände im Verlag edition Azur.

Sascha Kokot, Jahrgang 1982, wuchs in Osterburg in der Altmark auf. Nach einer Lehre zum Informatiker in Hamburg und einem längeren Aufenthalt in Australien studierte er am Deutschen Literaturinstitut Leipzig. Er erhielt u.a. das Sonneck-Stipendium (2007), das Literaturstipendium der Albert Koechlin Stiftung (2009) und das Stipendium der Kulturstiftung des Freistaates Sachsen (2010). Darüber hinaus nahm er mehrfach als Finalist am Leonce-und-Lena-Preis, am Münchner Lyrikpreis und am Literaturwettbewerb Wartholz teil und wurde mit dem Feldkircher Lyrikpreis (2012) und dem Georg-Kaiser-Förderpreis ausgezeichnet. Neben zahlreichen Veröffentlichungen in Zeitschriften und Anthologien erschien 2013 sein Debutband Rodung im Verlag edition Azur. Er lebt als freier Autor und Fotograf in Leipzig.