Ob in Dresden, München, Berlin, Düsseldorf oder anderswo: Kabarett begeistert überall das Publikum mit scharfem Verstand, beißender Satire und politischem Witz. Doch die Landeshauptstadt Mainz bietet noch mehr: Sie beherbergt das Deutsche Kabarettarchiv, das 1961 von Reinhard Hippen gegründet wurde. Dieses Archiv mit Museum und Kleinkunstbühne ist eine wahre Schatzkammer: Fast alles Wissenswerte über die Entstehung, Geschichte und weltweite Verbreitung des Kabaretts findet sich dort. An den Wänden, in Schubladen und in Vitrinen lagern wertvolle Informationen. Es ist das Gedächtnis des scharfen Spotts und seiner Hauptakteure und es ist ein Ventil fürs Publikum über all die Dinge, die in Politik und Gesellschaft schieflaufen, befreiend lachen zu können, seien es Bürokratie, Personenkult, Korruption, Parteilügen usw.
Beim Deutsche Kabarettarchiv handelt es sich zudem um ein Forschungsinstitut für deutschsprachige Satire, Kleinkunst und Kabarett und mit einer Zweigstelle in Bernburg/Saale zur Aufarbeitung des DDR-Kabarett in Zeiten von SED-Herrschaft.
Wie grenzt sich das Kabarett gegenüber andern „Humorformaten“ ab?
Bei der nicht immer einfachen Abgrenzung von Kabarett gegenüber anderen Kunstformaten wie etwa Comedy, geht es um die Künstlerinnen und Künstler insbesondere im politisch-literarischen Kabarett, dessen Intention ist, mit dem freien Wort für den Erhalt von Freiheit und Demokratie zu kämpfen. Dabei stehen auch die Autoren und deren Lebensgeschichten im Mittelpunkt, die oft von Leid geprägt waren. Das Kabarett hat durch alle Zeiten hindurch eine bedeutende Rolle für die Menschen gespielt – von der Jahrhundertwende vom 19. ins 20. Jahrhundert, der sogenannten ‚Belle Époque‘, und der Kaiserzeit, bis hin zu den Jahren zwischen Aufbruch und Zensur, zwischen dem Ersten und Zweiten Weltkrieg, zwischen Demokratie und Diktatur, Militarismus und Faschismus. Es war stets eine Kunst des Überlebens – im inneren und äußeren Exil, zwischen verschiedenen Stilen und Standpunkten.
Beim Kabarett geht es um unsere Kultur und deren Wandel, um Bildung und natürlich um das Lachen. Das Lachen über andere und über uns selbst, damals wie heute. Es geht um die vielfältigen Nuancen und Spielarten des Spotts und seiner Sprache im Wandel der Zeit, ebenso wie um Humor und die Poesie des Menschlich-Allzumenschlichen. Es geht um das Absurde und das Konkrete, um Kunst als kritische Auseinandersetzung mit der Gegenwart und, nicht zuletzt, auch um Unterhaltung. Und nicht zuletzt geht es auch um die Freiheit der Kunst, um Meinungsfreiheit und die Freiheit Wortes, auch Unsagbares, Ungeheuerliches, Verletzendes, Beschämendes sagen zu dürfen, so wie einst der Narr im Mittelalter, zumindest an bestimmten Orten und zu gewissen Anlässen, straffrei gegenüber der Herrschaft aus der Rolle fallen durfte.
Kabarett-Archiv ist eine Fundgrube politischer Humorgeschichte
Wer sich – schmunzelnd oder auch rein wissenschaftlich – über die Geschichte des Kabaretts und ihrer mitunter genialen Protagonisten einen fundierten Überblick verschaffen möchte, dem sei das Mainzer Kabarett-Archiv wärmstens empfohlen.
Er, natürlich auch Sie, findet dort beschrieben, die vielfältigen Erscheinungsformen dieses Genres und seit 1961 die fortlaufend archivierten und wissenschaftlich erschlossenen unzähligen Skripte, Fotos, Plakate, (Regie-)Bücher, Tonaufnahmen, Noten, Karikaturen, Preise, Urkunden sowie Vor- und Nachlässe berühmter Kabarettisten, Autoren, Komponisten, Sänger und Kabarettbühnen. All diese visuellen und audiovisuellen Exponate füllen die Wände und Regale im historischen Proviantmagazin in Mainz. Ganz nah am Romano-Guardini-Platz, auf dem der „Walk of Fame des Kabaretts“ verläuft, mit den „Sternen der Satire“, die die Stiftung Deutsches Kabarettarchiv vergibt.
Seit 2019 entwickelt sich das Archiv unter neuer Leitung in einen lebendigen Wissens-Ort mit Führungen, Vorträgen, Kabarett-Veranstaltungen und modernen Ausstellungen. Immer rund um das Thema Kabarett: mal heiter, mal nachdenklich, aber stets informativ und sehr unterhaltsam.
Die kleine Bühne im Gewölbe bringt Publikum und Künstler: innen ganz nah zusammen und ist so der ideale Ort für schöne Kabarett-, Interview-, Chanson-Abende oder Lesungen. Und immer bietet die Kabarett-Bar inmitten des Archivs den schönsten Platz zum Verweilen, Genießen und Plauschen.
Herbert Bonewitz-Platz geplant
Wenn die Mainzer Gremien zustimmen soll der noch namenlose Platz vor dem Proviantmagazin vor dem Mainzer Kabarett-Archiv nach dem legendären Fastnachter und Kabarettisten Herbert Bonewitz benannt werden. Er war am 29. April 2019 verstorben.
Stiftung Deutsches Kabarettarchiv e. V.
Neue Universitätsstraße 2
55116 Mainz
www.kabarett.de
Öffnungszeiten:
Montag 09.00 – 17.00
Dienstag 09.00 – 17.00
Mittwoch 09.00 – 17.00
Donnerstag 09.00 – 17.00
Freitag 09.00 – 14.30