Kategorie-Archiv: Hamburger Erklärung

Nationaler Lesepakt gestartet / Bundesweite Kampagne für mehr Bildungsgerechtigkeit

nationaler-lesepakt-logo-450Jedes fünfte Kind kann nach der Grundschule keine längeren Texte lesen mit fatalen Folgen für sein ganzes späteres Leben. Die Corona-Pandemie hat die Probleme noch verstärkt. Aus diesem Grund wurde heute der Nationale Lesepakt gestartet, der vom Bundesministerium für Bildung und Forschung unterstützt und von mehr als 150 Partnern aus allen Teilen der Gesellschaft mitgetragen wird.
Der Nationale Lesepakt soll die Lesekompetenz von Kindern und Jugendlichen stärken, das gesellschaftliche Engagement für das Lesen steigern und gute Angebote für all jene schaffen, die junge Menschen beim Lesenlernen unterstützen: Das sind die Ziele des Nationalen Lesepakts. Auf dem heutigen Nationalen Lese-Summit haben die Stiftung Lesen und der Börsenverein des Deutschen Buchhandels ihre gemeinsame Initiative erstmals präsentiert. Bei der digitalen Veranstaltung diskutierten Bundesbildungsministerin und Schirmherrin, Anja Karliczek, die Initiatoren sowie Expertinnen und Experten aus Politik, Wissenschaft und Bildung über die Notwendigkeit, Lesen und Vorlesen als zentrale Bildungszugänge stärker zu fördern.

Anja Karliczek, Bundesministerin für Bildung und Forschung, sagt: „Lesen bildet. Lesen öffnet Augen, Lesen öffnet auch Herzen. Damit schafft Lesen wichtige Voraussetzungen für Orientierung und Teilhabe in unserer Gesellschaft. Deshalb ist Lesen so wichtig. Darum ist es gut, dass es jetzt einen Nationalen Lesepakt gibt. Denn wir müssen sicherstellen, dass alle Kinder in der Grundschule gut und flüssig Lesen lernen. Die jüngsten Bildungsvergleichsstudien haben gezeigt, dass das bei zu vielen Kindern nicht gelingt. Deshalb hat Leseförderung auch in meinem Ministerium einen hohen Stellenwert. Ich nenne ein paar Beispiele: Über das Programm ‚Lesestart 1-2-3‘ lassen wir kostenlos Bücher junge Familien verteilen und motivieren die Eltern zum Vorlesen. Mit ‚Lesestart für Flüchtlingskinder‘ wenden wir uns ganz explizit an Familien, die neu in Deutschland sind. Wir fördern das Lesen digitaler Texte mit dem Mentor-Bundesverband – denn Lesen ist gleichzeitig der Schlüssel zur digitalen Welt. Und auch Erwachsene mit Lese-und Schreibproblemen wollen wir motivieren: In der ‚Nationalen Dekade für Alphabetisierung und Grundbildung‘ entwickeln wir passgenaue Bildungsangebote für Beschäftigte am Arbeitsplatz oder für Menschen in ihrer Alltagswelt.“

Dr. Jörg F. Maas, Hauptgeschäftsführer der Stiftung Lesen, betont: „Ohne Lesen geht es nicht! Egal ob in der Schule, im Beruf oder in der Freizeit: Lesen ist die Grundlage, damit wir unseren Alltag meistern und gestalten. Doch über 3 Millionen Kinder und Jugendliche in Deutschland werden nicht ausreichend beim Lesen unterstützt – mit weitreichenden Konsequenzen für ihr persönliches Leben. Das müssen wir ändern! Mit dem Nationalen Lesepakt haben wir eine nie dagewesene und zukunftsweisende Allianz aufgebaut, die antritt, um partnerschaftlich und mit neuen Ideen das Leben vieler junger Menschen zu verändern. Denn nur, wenn Vorlesen und Lesen in den Familien selbstverständlich ist und auch in Kitas und Schulen noch stärker gefördert wird, haben alle Kinder und Jugendlichen die gleichen Bildungschancen.“

Karin Schmidt-Friderichs, Vorsteherin des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels, erklärt: „Wir brauchen einen klaren Plan für die Leseförderung in Deutschland! Es gibt bereits viele gute Initiativen, auch Buchhandlungen und Verlage vermitteln engagiert Freude am Lesen. Noch immer fehlt allerdings ein übergreifender Ansatz, der bestehende Angebote zu einer wirksamen bundesweiten Strategie bündelt. Mit dem Nationalen Lesepakt wollen wir Aufmerksamkeit dafür schaffen, wie wichtig Lesekompetenz ist und dass dringender Handlungsbedarf besteht. Lesekompetenz ist nicht nur Voraussetzung für die persönliche Entwicklung jedes und jeder Einzelnen, sondern ebenso unabdingbar für das Gelingen unserer freien, demokratischen Gesellschaft. Unverzichtbar ist dabei die Unterstützung der Politik, um wirklich nachhaltige Lösungen zu erreichen.“

Nationaler_Lesepakt_Kampamotiv_I_web-250Kampagnenstart „Lesen – eine wahre Superkraft“
Eine öffentlichkeitswirksame Anzeigen- und Plakatkampagne wird den Nationalen Lesepakt flankieren. Die Motive haben die Initiatoren heute vorgestellt: Unter dem Motto „Lesen – eine wahre Superkraft“ möchten die Stiftung Lesen und der Börsenverein des Deutschen Buchhandels dem Lesen größere Sichtbarkeit verleihen und die gesamte Gesellschaft mobilisieren. Denn alle Menschen und Institutionen in ganz Deutschland sind aufgefordert, die Partnerallianz zu unterstützen. Dabei sind Kooperationen mit Verbänden, Unternehmen, Stiftungen und der Politik ebenso gefragt wie Ideen aus dem Buchhandel und Bibliotheken, Kita- und Schulprojekte und ehrenamtliche Vorleseinitiativen.

Weitere Informationen: Nationaler Lesepakt

Jedes Kind muss lesen lernen! Hamburger Erklärung

Kirsten Boie hat diese Petition  an das Bundesministerium für Bildung und Forschung gestartet. 

Die Petition im Wortlaut (https://www.change.org/p/jedes-kind-muss-lesen-lernen):  

„Seit dem vergangenen Dezember wissen wir: Knapp ein Fünftel der Zehnjährigen in Deutschland kann nicht so lesen, dass der Text dabei auch verstanden wird (18,9%, Internationale IGLU-Studie 2016). Im internationalen Vergleich ist Deutschland damit seit 2001 von Platz 5 auf Platz 21 aller beteiligten Länder abgerutscht und liegt unter dem EU- wie dem OECD-Durchschnitt. Zudem ist Deutschland das Land, bei dem das Ergebnis am stärksten von der sozialen Herkunft abhängt. Wer nach der Grundschulzeit nicht sinnentnehmend lesen kann, wird es in den weiterführenden Schulen nicht lernen. Denn hier wird Lesen nicht mehr gelehrt, sondern vorausgesetzt.

Lesen ist noch immer DIE Schlüsselqualifikation für die Teilhabe an der Gesellschaft. Die betroffenen 18,9 % der Kinder werden einmal unsere Erwachsenen sein. Neben den Folgen, die eine fehlende Lesefähigkeit für jeden Einzelnen von ihnen haben wird, sind auch die Folgen für die Gesellschaft insgesamt erschreckend. Ohne die Möglichkeit, einen qualifizierten Beruf zu erlernen, werden die meisten dieser Menschen vermutlich jahrzehntelang auf staatliche Unter- stützung angewiesen sein. Umso wichtiger, dass JETZT in die Bildungspolitik investiert wird.

Die 16 Länder, die Deutschland im Ranking seit 2001 überholt haben, beweisen, dass und wie es möglich ist, die Lese- fähigkeit aller Kinder signifikant zu steigern. Ein Land wie Deutschland, dessen wichtigste wirtschaftliche Ressource ein hoher Bildungsstand seiner Bevölkerung ist, kann das Thema nicht länger marginalisieren. Der Verweis auf gewachsene Probleme in der Schülerschaft reicht nicht aus. Auf die Analyse muss die Lösung folgen, und diese Lösung darf nicht länger an Elternhäuser und Ehrenamtliche delegiert werden. Nur die Schule erreicht wirklich alle Kinder.

Die Unterzeichner fordern die Politik in allen Bundesländern, die Bundesministerin für Bildung und Forschung, die Kultus- ministerkonferenz und die Bildungsminister aller Bundesländer daher dazu auf, für folgende Punkte Sorge zu tragen:

• Das Lesenlernen und Lesen muss sehr viel stärker in den Fokus der Bildungspolitik rücken.

• An den Grundschulen müssen frühzeitig Fördermaßnahmen in Kleingruppen eingeführt werden, die sich auf die reichlich vorliegenden Erkenntnisse der Leseforschung und die Erfahrungen der Lehrer stützen.

• Diese Förderstunden dürfen nicht für Vertretungsunterricht zweckentfremdet werden.

• Es müssen ausreichend Grundschullehrer eingestellt werden, um dieses Ziel umzusetzen. Das heißt: An den Hochschulen müssen deutlich mehr Studienplätze für die Lehrerausbildung geschaffen werden.

• Es muss Schulbibliotheken, Lesungen und Lektüreprogramme gerade auch an solchen Schulen geben, deren Schülerschaft eher bildungsfern ist. Die Lektüre altersgerechter Bücher vermittelt die Fähigkeit, komplexere Zusammenhänge aus längeren Texten zu entnehmen. So kann man später zum Beispiel Zeitungsartikel lesen und verstehen.

• Für all diese Zwecke müssen jetzt genügend Mittel in den Haushalten ausgewiesen werden. Das Lesen darf nicht den derzeitigen (kosten)intensiven Bemühungen um die Digitalisierung der Schulen zum Opfer fallen.

Unverbindliche Absichtserklärungen reichen nicht mehr aus. Deutsche Grundschulen müssen es schaffen, alle Kinder das Lesen zu lehren!

Erstunterzeichner

Christian Berg, Kindermusicalproduzent und Autor
Dr. Kirsten Boie, Kinderbuchautorin
Prof. Birgit Dankert, Bibliotheks- und Informationswissenschaftlerin
Dr. Klaus von Dohnanyi, ehem. Erster Bürgermeister der Freien und Hansestadt Hamburg
Dr. Dagmar Gausmann-Läpple, Gründerin und Geschäftsführerin Kinderbuchhaus im Altonaer Museum
Prof. Dr. Michael Göring, Vorstandsvorsitzender ZEIT-Stiftung und Autor
Dr. Ulla Hahn, Autorin
Nikolaus Hansen, Harbourfront Literaturfestival Hamburg, Festivalleitung
Thomas Helfer, Vorsitzender Mentor. Die Leselernhelfer, Hamburg
Prof. Dr. Petra Hüttis-Graff, Universität Hamburg, Didaktik der deutschen Sprache und Literatur
Prof. Dr. Ute Krauß-Leichert, Professorin für Bibliotheks- und Informationsmanagement an der HAW Hamburg
Nina Kuhn-Moritz, Vorsitzende Seiteneinsteiger e.V. Hamburg
Christoph Lieben-Seutter, Generalintendant der Elbphilharmonie und Laeiszhalle Hamburg
Dr. Stephan Loos
, Direktor Katholische Akademie Hamburg
Prof. Dr. Rainer Moritz, Leiter des Literaturhauses Hamburg, Autor
Prof. Dr. Astrid Müller, Universität Hamburg, Didaktik der deutschen Sprache und Literatur
Kent Nagano
, Hamburgischer Generalmusikdirektor, Chefdirigent der Hamburgischen Staatsoper und des Philharmonischen Staatsorchesters Hamburg
Alexander Röder
, Hauptpastor St. Michaelis
Sybil Gräfin Schönfeldt, Autorin und Journalistin
Prof. Dr. med. Michael Schulte-Markwort, Ärztlicher Leiter Zentrum für Psychosoziale Medizin im Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf; Ärztlicher Direktor Klinik Kinder- und Jugendpsychiatrie, -psychotherapie und –psychosomatik
Hella Schwemer-Martienßen, Bibliotheksdirektorin
Saša Stanišić, Autor
Bettina Tietjen, Moderatorin
Dr. Regula Venske, Schriftstellerin, Präsidentin des PEN-Zentrums Deutschland
Ulrich Wickert, Journalist und Autor
Prof. Dr. Thomas Zabka, Universität Hamburg, Didaktik der deutschen Sprache und Literatur
Rolf Zuckowski, Komponist, Textdichter, Sänger

Unterstützen Sie die Petition: Jedes Kind muss lesen lernen! – Hamburger Erklärung