Kategorie-Archiv: Buchmesse Frankfurt

Aleida und Jan Assmann mit dem Friedenspreis des Deutschen Buchhandels 2018 ausgezeichnet

Jan und Aleida Assmann mit dem Vorsteher des Börsenvereins, Heinrich Riethmüller © Foto: Tobias Bohm
Jan und Aleida Assmann mit dem Vorsteher des Börsenvereins, Heinrich Riethmüller © Foto: Tobias Bohm

Die deutsche Literatur- und Kulturwissenschaftlerin Aleida Assmann und der deutsche Ägyptologe und Kulturwissenschaftler Jan Assmann sind heute mit dem Friedenspreis des Deutschen Buchhandels ausgezeichnet worden. Die Verleihung fand vor rund 700 geladenen Gästen in der Frankfurter Paulskirche statt. Die Laudatio hielt der deutsch-amerikanische Literaturwissenschaftler Hans Ulrich Gumbrecht.

In ihrer gemeinsamen Dankesrede stellten Aleida und Jan Assmann die Bedeutung von Meinungsvielfalt und der Debatte in einer demokratischen Gesellschaft heraus, zeigten aber auch auf, wann Austausch an Grenzen stößt. „In der Demokratie kann man das Denken nicht delegieren und den Experten, Performern oder Demagogen überlassen. (…) Es stimmt, dass Demokratien durch Streit und Debatten gestärkt werden, aber auch in ihnen steht nicht alles zur Disposition. Es muss unstrittige Überzeugungen und einen Grundkonsens geben wie die Verfassung, die Gewaltenteilung, die Unabhängigkeit des Rechts und die Menschenrechte. Nicht jede Gegenstimme verdient Respekt. Sie verliert diesen Respekt, wenn sie darauf zielt, die Grundlagen für Meinungsvielfalt zu untergraben. Demokratie lebt nicht vom Streit, sondern vom Argument. Pöbeleien oder gar eine Eskalation polarisierender Symbole wie in Chemnitz führen in einen Zustand allgemeiner Verwirrung, legen die Demokratie lahm und machen sie betriebsunfähig für wichtige Aufgaben“, sagten die Preisträger.

Der Prozess des Erinnerns sei wichtiger und anspruchsvoller zugleich geworden. Jan und Aleida Assmann: „Das nationale Gedächtnis, das lange Zeit ein Sockel für Ehre, Stolz und Heldentum war, ist inzwischen komplexer, inklusiver und selbstkritischer geworden. Es ist eben nicht nur ein Sockel, der die Nation größer und mächtiger macht, sondern auch ein Spiegel der Selbsterkenntnis, der Reue und Veränderung. Die Nation ist kein heiliger Gral, der vor Befleckung und Entweihung – Stichwort ‚Vogelschiss’ – zu retten ist, sondern ein Verbund von Menschen, die sich auch an beschämende Episoden ihrer Geschichte erinnern und Verantwortung übernehmen für die ungeheuren Verbrechen, die in ihrem Namen begangen wurden.“

Solidarität müsse sowohl auf der Ebene der Gesellschaft, aber auch global gezeigt und immer wieder eingeübt werden: „Es kann nicht angehen, dass es eine neoliberale Freiheit für die Bewegung von Kapital, Gütern und Rohstoffen gibt, während Migranten an Grenzen festhängen und wir die Menschen, ihr Leid und ihre Zukunft vergessen. Die zentrale Frage ist ja nicht mehr, ob wir die Integration schaffen oder nicht, sondern wie wir sie schaffen. Im Moment sieht es fast so aus, als ginge die Entwicklung rückwärts. Die Verengung der öffentlichen Debatten auf wenige Themen trägt viel zur Aufheizung von Stimmungen, aber wenig zur Klärung und Bearbeitung anstehender Probleme bei.“

Im Bereich der Kultur, so Jan und Aleida Assmann, existierten keine starren Grenzen: „Kulturen überschreiten Grenzen durch den Import und Export von Büchern, durch Übersetzungen, Aneignungen und Umdeutungen. Durch Kontakt mit anderen Kulturen verwandeln sie sich, gehen ineinander über, inspirieren und modifizieren sich gegenseitig. Sie lassen sich weder stillstellen noch in nationale Grenzen einsperren.“

Der Laudator Hans Ulrich Gumbrecht stellte die „zweistimmige Lebensleistung“ der Preisträger heraus, die aufgrund ihrer unterschiedlichen Talente eine „zweifache Energie“ entwickelten. „Der nüchternen Klarheit von Aleidas Gedanken und Aleidas Sprache ist es gelungen, das vielleicht in einer Zeit allzu großspuriger Theorieentwürfe verspielte Recht wieder zu erringen, gehört und ernstgenommen zu werden.“ An Jan Assmann lobte Gumbrecht das „riskante Denken“, die „Freude an überraschenden und oft gegenintuitiven Vorstellungen“. Eine Lobrede sei aber unvollkommen, „wenn sie nicht auf die Familie von Jan und Aleida Assmann und auf ihre Liebe schaute – in einer Zeit, wo gerade Liebe und Familie alle Selbstverständlichkeit verloren haben“, sagte Gumbrecht.

Heinrich Riethmüller, Vorsteher des Börsenvereins, bezeichnete die Preisträger als „Wegbereiter einer klugen und aufgeklärten Erinnerungskultur.“ Eine solche sei fundamental für das friedliche Zusammenleben auf Basis der Menschenrechte, die vor 70 Jahren in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte Niederschlag fanden. „Die Forschungen von Aleida und Jan Assmann sind Grundlagen dafür, wie eine moderne Gesellschaft aus der Vergangenheit lernen kann, um in Frieden und Freiheit leben zu können. Und für uns – für die Buchhandlungen und Verlage – ist die Vermittlung dieser Werte unsere ganz besondere Menschenpflicht“, sagte Riethmüller.

Seit 1950 vergibt der Börsenverein des Deutschen Buchhandels zum Abschluss der Frankfurter Buchmesse den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels. Preisträger waren neben dem bislang einzigen auszeichneten Ehepaar Alva und Gunnar Myrdal unter anderem Albert Schweitzer, Astrid Lindgren, Václav Havel, Jürgen Habermas, Susan Sontag, David Grossman, Liao Yiwu, Navid Kermani und im vergangenen Jahr Margaret Atwood. Der Preis ist mit 25.000 Euro dotiert.

Stephan Rürup gewinnt den Deutschen Cartoonpreis 2018

Mit dem  Cartoon "Kinderarmut" "Aber sie geht vorüber, irgendwann sind die Bälger erwachsen" belegt Stephan Rürup Platz 1 beim Deutschen Cartoonpreis 2018. Das Urteil der Jury: "Eine knallharte und kurzpointierte Analyse".© Foto: Diether v. Goddenthow
Mit dem Cartoon „Kinderarmut“ „Aber sie geht vorüber, irgendwann sind die Bälger erwachsen“ belegt Stephan Rürup Platz 1 beim Deutschen Cartoonpreis 2018. Das Urteil der Jury: „Eine knallharte und kurzpointierte Analyse“.© Foto: Diether v. Goddenthow

 

So eindeutig wie in diesem Jahr sei das Urteil noch nie gewesen, so Jurymitglied und Mitherausgeber des Begleitbuches „Beste Bilder 9″ Wolfgang Kleinert bei der heutigen, erstmals im neuen Frankfurter Pavilion stattfindenden Verleihung des Deutschen Cartoon-Preises 2018. Dieser geht an Stephan Rürupg mit der bitterbösen Zeichnung „Kinderarmut – Aber sie geht vorüber, irgendwann sind die Bälger erwachsen.

Martin Perscheid erhielt  Platz 3. Es sei ein sehr guter, auch technisch perfekter Cartoon, dessen Pointe zielgenau treffe, so  die Jury. © Foto: Diether v. Goddenthow
Martin Perscheid erhielt Platz 3. Es sei ein sehr guter, auch technisch perfekter Cartoon, dessen Pointe zielgenau treffe, so die Jury. © Foto: Diether v. Goddenthow

Den zweiten Platz belegt Volker Kischkel alias Mock, den dritten Preis erhält Martin Perscheid mit an den Cartoon „Spürst du die Natur“. Der Deutsche Cartoonpreis wird jährlich gemeinsam vergeben von der Frankfurter Buchmesse und dem Lappan Verlag in der Carlsen Verlag GmbH.

Die Preisträger setzten sich gegen mehr als 4000 Cartoons von 320 Zeichnerinnen und Zeichnern durch. Aus all diesen Einsendungen trafen die Herausgeber der Reihe BESTE BILDER eine Vorauswahl für das Buch BESTE BILDER 9, in dem 77 Künstlerinnen und Künstler mit 270 Cartoons vertreten sind. Auf Grundlage dieses Buches, das heute auf der Frankfurter Buchmesse veröffentlicht wurde, wählte die Jury die drei Gewinner des Deutschen Cartoonpreises 2018 aus.

Der Jury gehörten an:
Hendrik Hellige, Director Business Development Visual Culture & Kinder- u. Jugendbuch
Rolf Dieckmann, ehemaliger Humorchef stern
Antje Haubner, stellv. Programmleiterin Lappan Verlag
Wolfgang Kleinert, Chef Berliner Cartoonfabrik
Dieter Schwalm, stellv. Programmleiter Lappan Verlag
Martin Sonntag, Leiter Caricatura Galerie in Kassel

Der Deutsche Cartoonpreis 2018 ist dotiert mit

3.000 € für den 1. Preis
2.000 € für den 2. Preis
1.000 € für den 3. Preis

BESTE BILER 9 zeigt, was das Jahr 2018 an Höhe- und Tiefpunkten zu bieten hatte, zusammen mit dem Besten an gezeichnetem Zeitgeist, Humor und Nonsens. Dieser satirische Jahresrückblick hat beim Lappan Verlag Tradition, seit 2010 gibt es die Sampler-Reihe BESTE BILDER.

Juror und Mitherausgeber Wolfgang Kleinert, führte in die Preisverleihung ein und hält hier das herrliche Begleitbuch mit zum Teil 270 atemberaubend bösen Cartoons hoch. Höchst empfehlenswert. © Foto: Diether v. Goddenthow
Juror und Mitherausgeber Wolfgang Kleinert, führte in die Preisverleihung ein und hält hier das herrliche Begleitbuch mit zum Teil 270 atemberaubend bösen Cartoons hoch. Höchst empfehlenswert. © Foto: Diether v. Goddenthow

Eine Auswahl der BESTEN BILDER aus diesem Jahr ist in einer Freiluftausstellung auf der Agora der Frankfurter Buchmesse zu sehen. Darüber hinaus zeigt die Caricatura – Galerie für komische Kunst ab dem 17. November die Ausstellung „BESTE BILDER – Die Cartoons des Jahres“ in Kassel.

Flankierend zum Deutschen Cartoon-Preis 2018 können Buchmessenbesucher sämtliche Bilder der Shortlist in der Freiluftausstellung auf der Buchmesse bis Sonntag noch bewundern. Die Ausstellung geht danach nach Kassel in Caricatura-Museum. © Foto: Diether v. Goddenthow
Flankierend zum Deutschen Cartoon-Preis 2018 können Buchmessenbesucher sämtliche Bilder der Shortlist in der Freiluftausstellung auf der Buchmesse bis Sonntag noch bewundern. Die Ausstellung geht danach nach Kassel in Caricatura-Museum. © Foto: Diether v. Goddenthow

Mit dem Preis, der Freiluftausstellung auf der Buchmesse und der Buchpublikation BESTE BILDER 9 präsentieren die Frankfurter Buchmesse und der Lappan Verlag den Cartoon als Kunstform einem breiten Publikum.

Verleihung des 3. Global Illustration Awards im neuen Pavilion der Frankfurter Buchmesse

Awards in fünf Kategorien und ein „Grand Award“ wurden vergeben

In einer farbenprächtigen Zeremonie wurde heute Abend zum dritten Mal der internationale Preis für Illustrationen, der „Global Illustration Award“ (GIA) auf der Frankfurter Buchmesse verliehen. Die Preisverleihung fand im neuen Frankfurt Pavilion statt und bot ein buntes Rahmenprogramm mit bekannten Illustratoren wie Kitty Crowther, Květa Pacovská und Martin Salisbury.

Die Preise des Global Illustration Awards wurden in fünf Kategorien vergeben:
“Original Unpublished Children’s Picture Book Illustration”, “Scientific Illustration”, Advertising and Editorial Illustration, Book Illustration and Theme Illustration. Aus 8000 eingereichten Illustrationen wurden in jeder Kategorie zwei Gewinner mit dem “Excellence Award” ausgezeichnet, je ein Gewinner pro Kategorie mit dem “Gold Award”, und auch ein “Grand Award”-Gewinner wurde gekürt.
Das diesjährige Thema der “Theme Illustration”-Kategorie lautet “Signs & Civilisation” (Zeichen und Zivilisation). Es rückt zentrale Aspekte der Ehrengastpräsentation von Georgien auf der Frankfurter Buchmesse in den Mittelpunkt, die unter dem Motto „Georgia – Made by Characters“ steht.

Der Gewinner des „Grand Award“ erhält ein Preisgeld von 6.000 Euro, die fünf Gewinner des „Gold Award“ jeweils 2.000 Euro und die zehn Gewinner des „Excellence Award“ jeweils 1.000 Euro. Der Preis wurde in Kooperation mit der International Information Content Industry Association (ICIA) ausgelobt und exklusiv von IlluSalon ausgerichtet, einer internationalen Online-Plattform für Illustrationen mit Sitz in Asien.

Die Gewinner in den einzelnen Kategorien auf einen Blick:

Book Illustration
Gold Award Winner: Simsung Park, “Here” (USA)
Excellence Award Winners: Narges Mohammadi, “Trojan Horse” (Iran)
Jacques & Lise, “Viktor” (Belgien)

Original unpublished children’s picture book project
Gold Award Winner: Fan Zhang , “Subway” (China)
Excellence Award Winners: Zhenjia Liu, “Tomorrow” (China), Luisa Jung, “City under Water” (Argentinien)

Advertising and editorial illustration
Gold Award Winner: Sonia Alins Miguel, “Dones d’aigua” (Spanien)
Excellence Award Winners: Joohee Yoon, “Warby Parker Mural” (USA)
Marina Friedrich, “Meat vs. Meat” (Deutschland)

Scientific illustration
Gold Award Winner: Melanie Gandyra , “Hortus Domus” (Germany)
Excellence Award Winners: Annalisa and Marina, “Golden eagle” (Italien)
Lang Shi, “Wake Up” (China)

Theme illustration “Signs & Civilisation”
Gold Award Winner: Antong Dong, “Break Your Own Dream of Your Childhood” (China)
Excellence Award Winners: Tongyang Yu, “Food culture” (China), Fatinha Ramos “Social Discrimination” (Portugal)

Grand Award
Winner: Jacques & Lise, Book Illustration “Viktor” (Belgien)

Die Illustrationen finden Sie hier.

Erster Gemeinschaftsstand „Literatur in Hessen“ auf der Frankfurter Buchmesse eröffnet

Die regionale hessische Literatur- und Kleinverlagsszene hier mit Kunst- und Kultur-Minister Boris Rhein nach der Eröffnung des Hessischen Gemeinschaftsstand "Literatur in Hessen". © Foto: Diether v. Goddenthow
Die regionale hessische Literatur- und Kleinverlagsszene hier mit Kunst- und Kultur-Minister Boris Rhein nach der Eröffnung des Hessischen Gemeinschaftsstand „Literatur in Hessen“. © Foto: Diether v. Goddenthow

Unter reger Teilnahme der regionalen hessischen Literatur- und Verlagsszene hat heute Kunst- und Kulturminister Boris Rhein gemeinsam mit Barbara Jost, Vorsitzende des Börsenvereins – Landesverband Hessen, Rheinland-Pfalz, Saarland e.V. und Hartmut Holzapfel vom Hessischen Literaturrat den Gemeinschaftsstand den ersten Gemeinschaftsstand „Literatur in Hessen“ eröffnet.
Der hessische Literaturstand ist eine neue Plattform, auf der vom 10. bis zum 14. Oktober Literaturinstitutionen, Autoren und Verlage erstmals während der Buchmesse die Gelegenheit bekommen, sich und ihre Programme den Messebesuchern zu präsentieren. Der Stand ist eine gemeinsame Initiative des Landes Hessen, dem Landesverband Hessen, Rheinland-Pfalz, Saarland des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels e.V. und dem Hessischen Literaturrat e.V.

Die Besucherinnen und Besucher erwartet ein buntes Programm. Unter anderem liest der aktuelle Robert-Gernhardt-Preisträger Florian Wacker aus seinem jüngst veröffentlichten Roman „Stromland“. Zudem berichten Autorinnen und Autoren über ihre Stipendienaufenthalte, die Preisträger des Hessischen Verlagspreises präsentieren sich, Literaturinstitutionen berichten aus ihrer Arbeit und es gibt Auszüge aus neuen Hörbüchern in einer interaktiven Hörstation zu entdecken

Kunst- und Kulturminister Boris Rhein eröffnete heute gemeinsam mit Barbara Jost vom Landesverband des Börsenvereins und Hartmut Holzapfel vom Hessischen Literaturrat den Gemeinschaftsstand. © Foto: Diether v. Goddenthow
Kunst- und Kulturminister Boris Rhein eröffnete heute gemeinsam mit Barbara Jost vom Landesverband des Börsenvereins und Hartmut Holzapfel vom Hessischen Literaturrat den Gemeinschaftsstand. © Foto: Diether v. Goddenthow

Kunst- und Kulturminister Boris Rhein: „Wir verfügen in Hessen über ein immenses literarisches Erbe, eine starke Literaturförderung mit Veranstaltungsreihen, Schreibwettbewerben, Schreibworkshops, Leseförderprojekten, Literaturpreisen und Autorenstipendien. All das wollen wir auf der Buchmesse, einer der bedeutendsten Plattformen für Kultur und Literatur im Land, zeigen. Zudem gibt es in Hessen viele kleine Verlage mit einer großen kulturellen Bandbreite. Vor allem ihnen wollen wir mit dem Gemeinschaftsstand die Möglichkeit geben, ihr Programm auf dem Hessischen Gemeinschaftsstand zu präsentieren. Vielen wäre das aufgrund der Standmieten sonst nicht möglich. Ich freue mich, den Gemeinschaftsstand ,Literatur in Hessen‘ eröffnen zu können, und danke dem Hessischen Literaturrat und dem Landesverband Hessen, Rheinland-Pfalz, Saarland des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels herzlich für ihren Einsatz.“

Homo georgicus – der Schädel aus dem Ursprungsland der ersten Europäer

Das Original des weltweit vollständigsten  fossilen Menschenschädels – Schädel 5 aus  Dmanisi – für fünf Wochen zu sehen im  Senckenberg Naturmuseum. Foto: Guram Bumbiashvili, Nationalmuseum Georgien
Das Original des weltweit vollständigsten
fossilen Menschenschädels – Schädel 5 aus
Dmanisi – für fünf Wochen zu sehen im
Senckenberg Naturmuseum.
Foto: Guram Bumbiashvili, Nationalmuseum Georgien

Präsentation vom 11. Oktober bis 18. November 2018 im Senckenberg Naturmuseum Frankfurt

Frankfurt, 10.10.2018. Georgien ist das Gastland der diesjährigen Frankfurter Buchmesse. Aus diesem Anlass zeigt das Senckenberg Naturmuseum Frankfurt in Zusammenarbeit mit dem Georgischen Nationalmuseum ein außerordentliches Fossil. In Georgien wurden die bisher ältesten Überreste von Menschen außerhalb Afrikas gefunden. Sie werden der Zeit vor 1,8 Millionen Jahren zugeschrieben und gelten somit als die Vorfahren der ersten Europäer. Von besonders großer wissenschaftlicher Bedeutung sind fünf aus der gleichen Fundschicht stammende, gut erhaltene Schädel. Eines dieser Fossilien, „Schädel 5“, wird in der Schatzkammer des Museums ausgestellt. Er ist der weltweit vollständigste fossile Menschenschädel, bei dem auch der Unterkiefer erhalten ist. Der Originalschädel wird erstmals außerhalb Georgiens zu sehen sein.

Prof. Dr. Andreas Mulch, Direktor des Senckenberg Forschungsinstituts und Naturmuseums, eröffnete die Ausstellung und dankte dem Georgischen Nationalmuseum sowie anwesenden Vertretern des georgischen Ministeriums für Bildung, Wissenschaft, Kultur und Sport für die Möglichkeit, diesen Sensationsfund aus der Grabungsstätte Dmanisi dem Frankfurter Museumspublikum im Original zu präsentieren. Mulch verwies dabei auf die paläoanthropologische Tradition des Senckenberg-Forschungsinstituts und auf die Chancen, die sich aus der Forschung zur Entwicklung des Menschen ergeben: „Ich freue mich sehr, dass in unserem Haus, mit seiner bereits 1968 von Gustav Heinrich Ralph von Koenigswald gegründeten paläoanthropologischen Abteilung, nun ein für die Forschung so bedeutendes Originalfossil gezeigt werden kann“.

Mikheil Giorgadze, stellvertretender Minister für Bildung, Wissenschaft, Kultur und Sport in Georgien bei der Einweihung des „Schädel 5“. Foto: Senckenberg/Tränkner
Mikheil Giorgadze, stellvertretender
Minister für Bildung, Wissenschaft,
Kultur und Sport in Georgien bei der
Einweihung des „Schädel 5“.
Foto: Senckenberg/Tränkner

1991 wurden bei Grabungen in der Nähe des Dorfes Dmanisi Reste von fossilen Menschen gefunden. Der Ort liegt etwa 85 Kilometer südwestlich der georgischen Hauptstadt Tiflis. In den Folgejahren wurden auf einer Fläche von etwa 400 m² fünf Menschenschädel, zahlreiche weitere Skelettelemente sowie einfache Steinwerkzeuge entdeckt. Das Alter der Fossilien konnte auf etwa 1,8 Millionen Jahre datiert werden. Sie sind damit die ältesten Frühmenschenfunde außerhalb Afrikas und gelten als Vorfahren der ersten Europäer. Senckenberg-Anthropologe Prof. Dr. Friedemann Schrenk nennt die Grabungsstätte Dmanisi eine „spektakuläre Homininen-Fundstelle“, die mit über 20 geborgenen Homininenfragmenten „in die kleine Spitzengruppe der bedeutendsten Hominiden-Fundstellen der Welt aufgerückt ist“.

Die vollständige Erhaltung der fünf Schädel aus Georgien erklärt man sich damit, dass Hyänen sie in unterirdische Höhlen schleppten und sie dort vor Zerfall geschützt waren. Die Überreste von drei Männern und zwei Frauen unterschiedlichen Lebensalters weisen eine Mischung anatomischer Merkmale auf, die vor deren Funden verschiedenen Frühmenschenarten zugeordnet wurden. „Hätte man die einzelnen Schädel an voneinander weiter entfernten Fundorten entdeckt, wären sie aufgrund ihrer großen anatomischen Verschiedenheit wahrscheinlich unterschiedlichen Arten zugeordnet worden“, so Schrenk. Doch die tatsächliche Fundsituation lässt für die internationale Forschergemeinschaft nur den Schluss zu, dass sie alle Angehörige derselben Population waren.

Senckenberg-Paläoanthropologe Prof. Dr. Friedemann Schrenk (links),  im Gespräch mit Prof. Dr. David Lordkipanidze, Generaldirektor Georgisches Nationalmuseum, über neueste Forschungen zu „Schädel 5“  und den Kaukasus als Hotspot der Evolution früher Menschen. Foto: Senckenberg/Tränkner
Senckenberg-Paläoanthropologe
Prof. Dr. Friedemann Schrenk (links),
im Gespräch mit Prof. Dr. David Lordkipanidze,
Generaldirektor Georgisches Nationalmuseum,
über neueste Forschungen zu „Schädel 5“
und den Kaukasus als Hotspot der Evolution früher Menschen.
Foto: Senckenberg/Tränkner

Der im Jahr 2005 entdeckte Originalschädel „Schädel 5“ ist der am besten erhaltene und kompletteste der fünf Schädel und zugleich der weltweit vollständigste eines fossilen Menschen. Ihm wurde später ein fünf Jahre zuvor gefundener Unterkiefer zugeordnet. Auffällig sind der große Gesichtsschädel mit den prominenten Überaugenwülsten und das kleine Gehirnvolumen von nur 546 cm³. Damit besaß dieses Individuum unter den Dmanisi Frühmenschen das kleinste Gehirnvolumen, obwohl es mit einer Körperhöhe von etwa 1,60 Metern größer war als die anderen. Man geht davon aus, dass es sich um eine männliche Person im Alter von etwa 40 Jahren handelt.

Friedemann Schrenk und Grabungsleiter David Lordkipanize sprachen über die neueste Forschung an „Schädel 5“ sowie über den Kaukasus als Hotspot der Evolution früher Menschen. Aktuelle Forschungsmethoden erlauben Einblicke in die biologische und soziale Variabilität der frühen Homininen-Population. „Die Zähne sind völlig abgenutzt, die Zahnwurzel war entzündet. Der rechte Wangenknochen war aufgrund einer
Fraktur deformiert, das linke Unterkiefergelenk weist Anzeichen einer chronischen Arthritis auf“, erklärt Schrenk und ergänzt: „Durch die Funde aus Dmanisi wissen wir heute, dass die ersten Frühmenschen spätestens vor 2 Millionen Jahren zum ersten Mal den afrikanischen Kontinent verließen. Ressourcenreiche Flusstäler erlaubten ein rasches Vordringen der Homininen in den Südkaukasus. Die dortigen Lebensräume boten ideale Lebensbedingungen und waren daher das früheste Zentrum der Menschhheitsgeschichte in Europa.“

Der „Schädel 5“ ist vom 11. Oktober bis zum 18. November 2018 im Senckenberg Naturmuseum Frankfurt zu sehen. Begleitet wird die Präsentation des einzigartigen Exponats von Repliken der anderen vier Schädel, von einigen großformatigen Fotos sowie von einem Kurzfilm über die Arbeiten an der Grabungsstätte Dmanisi.

Die Präsentation kann nur in Verbindung mit der Dauerausstellung besichtigt werden. Eintritt: 10 Euro für Erwachsene, 5 Euro für Kinder und Jugendliche (6 bis 15 Jahre) sowie 25 Euro für Familien (2 Erwachsene und bis zu 3 Kinder). Öffnungszeiten: Mo, Di, Do, Fr 9 – 17 Uhr, Mi 9 – 20 Uhr, Sa, So und Feiertage 9 – 18 Uhr.

Die Ausstellung ist in Zusammenarbeit mit dem Georgischen Nationalmuseum und dem Ministerium für Bildung, Wissenschaft, Kultur und Sport Georgiens im Rahmen des Gastlandauftritts Georgiens auf der Frankfurter Buchmesse 2018 entstanden.

Der in der Ausstellung gezeigte Kurzfilm über die Grabungsstätte Dmanisi wurde mit Mitteln des Aktionsplans der Leibniz-Forschungsmuseen finanziert.

Ort:
Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung
Senckenberganlage 25
60325 Frankfurt

Literatur in hochpolitischen Zeiten Das Frankfurter Lesefestival Open Books der Buchmesse öffnet seine Türen

Logo-Openbooks-LSeit zehn Jahren flankiert das Lesefestival Open Books die weltgrößte Buchmesse mit Buchpräsentationen und Lesungen. Frei nach dem Motto »Bücher für alle« sollen die herbstlichen Novitäten der Verlagsbranche in die Stadt getragen werden, von Anfang an war der Andrang groß, die Plätze kostenlos und heiß begehrt.

Am Dienstagabend eröffnete die Kulturdezernentin das des Frankfurters beliebtestes Lesespektakel im mit über 300 Besuchern gefüllten Konferenzsaal der Deutschen Nationalbibliothek. Die rauschende Messestimmung hatte sich eingestellt, schließlich war auch die frisch gekürte Trägerin des Buchpreises geladen, um auf dem traditionsreichen Blauen Sofa Platz zu nehmen. Neben Inger-Maria Mahlke, deren Roman »Archipel« jüngst mit der höchsten deutschen Auszeichnung für ein Buch geehrt wurde, sprach der Schauspielerveteran und Romandebütant Christian Berkel (»Der Apfelbaum«), die Hamburger Theater- und Romanautorin Nino Haratischwili (»Die Katze und der General«) sowie der für seinen hitzigen Aufruf zur Desintegration kurzzeitig von der Lyrik abgekommene Max Czollek (»Desintegriert Euch!«).

Nichts ist unpolitisch an diesem Abend, die Zeichen stehen auf Konfrontation und wenn dies der herbstliche Ausschnitt der deutschen Literaturlandschaft im Jahr 2018 ist, dann lässt sich eines mit gutem Gewissen feststellen: Literatur kann das. Literatur kann Antworten geben auf die steigende Komplexität einer Gesellschaft. Diese Antworten sind wiederum zäh, sie sind schwierig, nicht linear, sie schmerzen und sie geben Anlass zum Streit. Vielleicht ist der literarische Raum einer, an dem wir lernen können, dass »Diversität« eben mehr als ein Begriff ist, der Gleichstellungsratgeber bewohnt.

Prominentester Gast war die frisch gekürte Trägerin den Deutschen Buchpreises 2018 Inger Maria Mahlke. © Foto: Diether v. Goddenthow
Prominentester Gast war die frisch gekürte Trägerin den Deutschen Buchpreises 2018 Inger Maria Mahlke. © Foto: Diether v. Goddenthow

Buchpreisträgerin Inger-Maria Mahlke ist Kausalitäten gegenüber misstrauisch. Sie hält sie für falsch, für fehlgeleitet. Falsche Kausalitäten verstecken sich in scheinbaren Geschichtszyklen, in der vorschnellen Identifikation von Ereignissen, in instrumentalisierbaren Fortschrittsnarrativen. Deswegen rekonstruiert  Mahlke in »Archipel« die Geschichte der Kanareninsel Teneriffa anhand zweier Familienbiographien chronologisch rückwärts. Das anachronische Erzählen bewirkt, dass das Verhältnis zur Zeitlichkeit beim Lesen neu geordnet wird. Grob vereinfacht, Plot und Story fallen auseinander, der Leser wird in die Illusion geführt, mehr zu wissen, als die Handlungsträger, was vor einer identifikatorischen oder geisteslosen Lektüre schützt: Die Lesehaltung ist eine immer schon distanzierend-puzzlende, ordnende, verwaltende, kurz, eine konzentrierte. Mahlke verrät an diesem Abend, dass ihr Schreiben genauso wenig linear verläuft, wie die Handlung ihres Romans. Sie schreibt ganze Seiten voll, die sie dann zerschneidet, verkehrt ineinander fügt, liest und wieder liest, sodass sie am Ende ihren gesamten Romantext auswendig aufsagen kann – immerhin 432 Seiten.

Jahrelang war Schauspieler Christian Berkel vor seiner Geschichte davongelaufen. Jetzt hat er sie aufgeschrieben. © Foto: Diether v. Goddenthow
Jahrelang war Schauspieler Christian Berkel vor seiner Geschichte davongelaufen. Jetzt hat er sie aufgeschrieben. © Foto: Diether v. Goddenthow

Christian Berkel, der bisher eher für sein schauspielerisches Talent bekannt war, nähert sich in »Der Apfelbaum« der Geschichte seiner jüdischen Großmutter, indem er sie neu erfindet, indem er Distanz zu vertrauten Figuren entwickelt, sie fiktionalisiert und neu anschaut. Milde lächelnd bricht er jeden autobiographischen Pakt mit dem Leser: Wie auch beim Schauspielen ist das Erschaffen einer literarischen Figur determiniert und begrenzt durch den eigenen Erfahrungsraum. Der Aufruf zur absoluten Authentizität, so klingt es an, ist vielmehr ein erdrückender Zwang zur Entscheidung.

Sich nicht entscheiden müssen zwischen verschiedenen Herkünften, darum geht es Nino Haratischwili, die zu Recherchezwecken für ihren Roman über die menschlichen Abgründe vier russischer Soldaten inmitten des Tschetschenienkriegs auch mal »als Geogierin ging«. An diesem Open Books Abend interessiert sie sich besonders für die verschlungenen und düsteren Wege des falschen Erinnerns: Warum sind die beiden Tschetschnenkriege kein Teil der kollektiven Erinnerung, obwohl sich in der Region kaum jemand finden lässt, der nicht durch die Ereignisse verformt, zumindest geprägt wurde? Wie sieht das historische Bewusstsein der nachfolgenden Generationen aus, wenn von dieser Zeit nicht berichtet wird? Dennoch, historische Instruktionsliteratur schreibt Haratschiwili nicht.

Mit etwas Mut lässt sich sagen, das der letzte und sicher kontroverseste Auftritt an diesem Abend, die gelegten Fäden zusammenführt. Max Czollek wird vom Deutschlandfunk-Kulturchef René Aguigah etwas polemisch als »vorbildlich integriert« vorgestellt: Promovierter Historiker, Autor mehrerer Lyrikbände, jüdisch. Sein Essay »Desintegriert Euch!« ist eine Absage an das Gedächtnistheater, so Czollek, das mit den Juden in Deutschland gespielt wird, und das vornehmlich dazu dienen soll, ein positives deutsches Selbstbild zu stabilisieren. Weil aber das Konzept »Integration« an sich schon davon ausgeht, dass es einen gesellschaftlichen Ziel-Ort gibt, dass das noch Fremde in den schon integrierten Kern einverleibt wird, dreht Czollek den Spieß um: Teilweise ironisch, teilweise furios ruft er eine jüdisch-muslimische Allianz aus, eine Allianz der Desintegretierten, die sich von den Rollenerwartungen des Integrationsparadigmas löst. Es bleibt zu diskutieren, wie das konkret aussieht. Czolleks Interesse ist zunächst ein hermeneutisches: Was lernen wir über uns, über die Strukturierung unserer Gesellschaft, wenn wir den Blick verändern? Wenn wir zurücktreten, um klarer zu sehen?

Das kann Literatur. Denn es gilt ja nicht, Komplexitäten zu reduzieren, sondern zu lernen, komplex zu denken. Treffend formuliert es die Buchpreisträgerin Inger-Maria Mahlke: »In so komplexen Zeiten wie den unseren müssen wir den Ball manchmal eben über die Bande spielen«.

(Miryam Schellbach /Rhein-Main.Eurokunst)

Das Lesefestival  geht weiter

Open Books, das Lesefestival zur Buchmesse im und rund um den Frankfurter Römer wurde gestern eröffnet. © Foto: Diether v. Goddenthow
Open Books, das Lesefestival zur Buchmesse im und rund um den Frankfurter Römer wurde gestern eröffnet. © Foto: Diether v. Goddenthow

Das OPEN-BOOKS-Programm auf einen Blick!

Programmheft zum Download!

Das gesamte Rahmenprogramm ist im Veranstaltungskalender der Frankfurter Buchmesse
abrufbar: www.buchmesse.de/kalender

Veranstaltungsorte auf einen Blick
Literatur im Römer
Römerhallen, Römerberg 23,
60311 Frankfurt am Main

Römer
(Romerhalle, Schwanenhalle, Ratskeller)
Römerhalle, Römerberg 23, 60311 Frankfurt
Schwanenhalle, Römerberg 27, 60311 Frankfurt
Ratskeller, Paulsplatz 7, 60311 Frankfurt

Frankfurter Kunstverein
Steinernes Haus am Römerberg,
Markt 44, 60311 Frankfurt am Main
www.fkv.de

Haus am Dom
Katholische Akademie Rabanus Maurus
Domplatz 3, 60311 Frankfurt am Main
www.hausamdom-frankfurt.de

Evangelische Akademie Frankfurt
Römerberg 9, 60311 Frankfurt am Main
www.evangelische-akademie.de

Historisches Museum Frankfurt
Junges Museum Frankfurt
Saalhof 1, 60311 Frankfurt am Main
www.historisches-museum-frankfurt.de

Deutsche Nationalbibliothek
Adickesallee 1, 60322 Frankfurt am Main
www.dnb.de

Literaturhaus Frankfurt
Schöne Aussicht 2, 60311 Frankfurt am Main
www.literaturhaus-frankfurt.de

Katharinenkirche
An der Hauptwache, 60313 Frankfurt am Main
www.st-katharinengemeinde.de

Aufbruch für Menschenrechte und zu neuer Lesekultur auf der 70. Frankfurter Buchmesse – Die Welt nicht nur in 140 Twitterzeichen erklären

Dunja Hayali, Esther Schweins, Christian Berkel,  Jasmin Tabatabai, Juergen Boos, Heinrich Riethmüller und viele andere Prominente haben zum Jubiläum 70 Jahre Buchmesse und 70 Jahre UN-Menschenrechtsdeklaration gestern Abend bei der Eröffnung der 70. Internationalen Frankfurter Buchmesse im Kongresscenter die Aktion I'm on the same page" ins Leben gerufen. © Foto: Diether v. Goddenthow
Dunja Hayali, Esther Schweins, Christian Berkel, Jasmin Tabatabai, Juergen Boos, Heinrich Riethmüller und viele andere Prominente haben zum Jubiläum 70 Jahre Buchmesse und 70 Jahre UN-Menschenrechtsdeklaration gestern Abend bei der Eröffnung der 70. Internationalen Frankfurter Buchmesse im Kongresscenter die Aktion I’m on the same page“ ins Leben gerufen. © Foto: Diether v. Goddenthow

Gestern Abend wurde mit viel Prominenz aus Kultur, Politik und Wirtschaft feierlich und kämpferisch  die 70. Frankfurter Buchmesse eröffnet. Nicht nur die Buchmesse wird 70 Jahre, sondern auch die UN-Charta der Menschenrechte. Statt sich selbst zu feiern, haben Buchmessegesellschaft und Börsenverein des Deutschen Buchhandels die Menschenrechts-Kampagne „On The Same Page“ gestartet. 

Mit der Kampagne „On The Same Page“ begehen der Börsenverein und die Frankfurter Buchmesse in diesem Jahr zusammen mit Partnern das 70. Jubiläum der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte.  „Fast täglich können wir beobachten, dass gegen Menschenrechte verstoßen wird. Wir müssen uns aktiv für sie einsetzen und von ihnen Gebrauch machen, um sie zu bewahren. Buchhandlungen und Verlage sehen sich in der Verantwortung, eine Gesellschaft, die auf den Menschenrechten basiert, mitzugestalten. Auch die gesamte Zivilgesellschaft ist aufgefordert, einen Beitrag zum Gelingen einer freien, demokratischen Gesellschaft zu leisten und sich für die Menschenrechte stark zu machen. Ansonsten bestimmen diejenigen den Diskurs, die anderen ihre Würde und ihre Rechte absprechen und Freiheiten einschränken wollen“, sagte Heinrich Riethmüller, Vorsteher des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels  zur Eröffnung der 70. Frankfurter Buchmesse.

Heinrich Riethmüller, Vorsteher des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels. © Foto: Diether v. Goddenthow
Heinrich Riethmüller, Vorsteher des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels. © Foto: Diether v. Goddenthow

Dabei betonte Riethmüller, dass das Menschenrecht der Meinungsfreiheit von  existenzieller Bedeutung für die Buchbranche sei. Mit besonderer Besorgnis blicken wir immer noch auf die Türkei – ein Land, zu dem Deutschland seit Jahrzehnten besondere Beziehungen pflegt. Rund 3 Millionen türkischstämmige Menschen leben in unserem Land. Deshalb erlaube ich mir, die Liste noch zu ergänzen: Deniz Yücel, aus der Haft in der Türkei entlassen, aber weiterhin wegen Volksverhetzung und Terrorpropaganda angeklagt. Oder Aslı Erdoğan, aus der Haft entlassen, heute im Exil in Frankfurt lebend, ihr droht weiterhin lebenslange Haft. Erst vergangene Woche hat ein Berufungsgericht die lebenslange Haftstrafe für den Journalisten und Autoren Ahmet Altan bestätigt. Er sitzt weiterhin im Gefängnis. Und mit ihm hunderte weitere Kultur- und Medienschaffende und sieben Menschen deutscher Staatsbürgerschaft. Von einer Normalisierung der Verhältnisse zwischen der Türkei und Deutschland, die sich Präsident Erdoğan wünscht, kann keine Rede sein.

Die Türkei ist Erstunterzeichnerin der UN-Menschenrechts-Charta. Faktisch ist ein Großteil ihrer Inhalte  aber in dem Land aktuell nicht mehr gültig. Deshalb lautet unser Appell und unsere Forderung als Buchbranche: Präsident Erdoğan, wenn Sie auf der Seite der Menschenrechte stehen, lassen Sie alle inhaftierten Autoren, Journalisten, Verleger, Kulturschaffenden und anderen politisch Gefangenen frei. Beenden Sie die Verfolgung von kritischen Stimmen und Andersdenkenden. Dieser Appell gilt dem türkischen Staatspräsidenten, aber auch allen anderen Despoten in Saudi-Arabien, China, Russland, Nikaragua oder den USA, die die Menschenrechte angreifen oder zu ihrem eigenen Vorteil auslegen.

We are on the same page. Seiten sind unser Kerngeschäft. Es ist das, was wir können und wofür wir brennen. Lassen Sie uns unsere Fähigkeit und unser Engagement nutzen, um Geschichten zu schreiben und zu verbreiten, die unseren Blick auf die Welt zeigen. Geschichten, die einschließen statt ausgrenzen, die die Vielfalt und den Respekt vor dem Anderen feiern, die uns bereichern. Die Menschenrechte haben es verdient, weiter und weiter fortgeschrieben zu werden.  „Wir fordern mit Nachdruck, dass alle inhaftierten Autoren, Journalisten, Verleger, Kulturschaffenden und anderen politisch Gefangenen in der Türkei – und weltweit – umgehend freigelassen werden. Die Verfolgung von kritischen Stimmen und Andersdenkenden muss ein Ende haben.“, so der Börsenvereinsvorsteher.

Die Bücherschau in bewegten Zeiten 

Die 70. Frankfurter Buchmesse (10-14. Oktober) fällt in eine bewegte Zeit: Während die Idee eines gemeinsamen Europas in die Defensive gerät, gewinnen populistische Gruppierungen in vielen demokratischen  Ländern Zulauf. Das politische Klima ist aufgeheizt, gleichzeitig verändern sich die wirtschaftlichen Voraussetzungen der Buch- und Verlangsbranche grundlegend: Immer weniger Menschen beziehen ihre Informationen aus etablierten Medien: „alternative Fakten“ sind längst Teil der Berichterstattung. Den demokratischen Meinungsbildungsprozess durch gut recherchierte Inhalte zu ermöglichen, hat für Branchenakteure oberste Priorität und ist mit Blick auf eine immer kleiner werdende Zahl von Lesern und Buchkäufern zugleich die größte Herausforderung.

Verlage und Buchhandlungen arbeiten daher  intensiv an neuen Ansätzen, um Menschen  für Bücher zu begeistern. Gleichzeitig wollen sie eine freie, demokratische Gesellschaft mitgestalten und beziehen Position für Menschenrechte, für Freiheit, Vielfalt und Respekt. Dies stellte Heinrich Riethmüller, Vorsteher des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels, heute auf der Pressekonferenz in den Mittelpunkt seiner Begrüßung zur Frankfurter Buchmesse 2018: „Wir haben große und wichtige Aufgaben vor uns und gehen diese selbstbewusst und optimistisch an. Bücher sind ein zentrales Medium der Unterhaltung, der Information und der Meinungsbildung. Mit unseren Inhalten und unserer Vermittlungsarbeit wollen wir Kultur und Bildung fördern und zu Verständigung, Dialog und einem friedlichen Zusammenleben in einer pluralen Gesellschaft beitragen.“ (Die Eröffnungsrede von Heinrich Riethmüller)

 

Juergen Boos, Direktor der Frankfurter Buchmesse.© Foto: Diether v. Goddenthow
Juergen Boos, Direktor der Frankfurter Buchmesse.© Foto: Diether v. Goddenthow

„Angesicht der drängenden Themen, die unsere Gesellschaft heute beschäftigen, ist die Frankfurter Buchmesse eine wichtige öffentliche Plattform“, sagte Juergen Boos, Direktor der Frankfurter Buchmesse. Die internationale Buchmesse steht seit ihrer Wiedereröffnung nach dem Zweiten Weltkrieg 1949 für Meinungs- und Publikationsfreiheit, für internationale Vernetzung und Dialog. Auch die 70. Frankfurter Buchmesse wird unter politischen Vorzeichen stattfinden, führte Juergen Boos aus: „Die Frankfurter Buchmesse steht seit ihrer Wiedereröffnung nach dem Zweiten Weltkrieg 1949 für Meinungs- und Publikationsfreiheit, für internationale Vernetzung und Dialog. Für uns, wie für alle anderen internationalen Buchmessen, gilt: Meinungen zuzulassen und Diskussionen zu führen – auch und gerade zu kontroversen Themen. Polarisierende Autoren und Meinungen auszuhalten und sich argumentativ damit auseinanderzusetzen, sind Errungenschaften einer demokratischen Gesellschaft. Wir verurteilen jede Form von Fremdenhass aufs Schärfste. Mit unserem Veranstaltungsprogramm im Weltempfang und zum Thema „Menschenrechte“ als Teil unserer #onthesamepage-Kampagne setzen wir ein deutliches Signal für Vielfalt sowie für die Einhaltung der Grundrechte in unserer Gesellschaft.“

An fünf Tagen im Oktober werden in Frankfurt Geschäfte gemacht, wirtschaftliche Tendenzen analysiert, gesellschaftliche Phänomene diskutiert und kulturell Trends präsentiert. Die Frankfurter Buchmesse bezieht mit einem Veranstaltungsprogramm im Zentrum Weltempfang (Halle 4.1 B 81) und im neuen Frankfurt Pvilion selbst Stelllung: Hier geht es um Kunst im Spannungsfeld von Macht und Moral, um Strategien gegen antidemokratische Tendenzen, um Grenzbereiche politischer Kommunikation.

Die Welt  nicht in 140 Twitterzeichen erklären

Volker Bouffier, Hessischer Ministerpräsident.© Foto: Diether v. Goddenthow
Volker Bouffier, Hessischer Ministerpräsident.© Foto: Diether v. Goddenthow

Der Hessische Ministerpräsident Volker Bouffier hielt eine vielbeachtete Rede. Hier ein paar Auszüge daraus: „Die erste Buchmesse 1948, ausgerechnet in der Paulskirche, also an dem Ort, der mehr steht für die demokratische Entwicklung als viele andere, war eben nicht nur ein Markt der Meinungen, der Möglichkeiten und um vielleicht auch Geschäfte zu machen. Sondern es war viel mehr, es war die Rückkehr ein gutes Stück in die zivilisierte Welt. Und damals hatte niemand eine Vorstellung vom Internet, damals hatte niemand sich vorstellen können, was ein e-Book ist, und von Twitter wusste auch niemand etwas. Also die Welt hat sich komplett verändert, aber das ist geblieben: Diese universalen Menschenrechte, die Sie heute hier in den Mittelpunkt stellen. Dazu gratuliere ich Ihnen. Und ich möchte Sie auffordern, nicht nur heute, sondern generell, dass in den Mittelpunkt unserer Betrachtungen zu stellen. Dies ist nötig: Und Bücher können mehr als anregen. Was meine ich damit: Wir leben in einer Zeit, in der Sie alle Halben gesagt bekommen, dass niemand länger zuhört als 30 Sekunden, das Twitterformat sozusagen das Maß aller Kommunikation ist. Niemand mit Sinn und Verstand wird jemals auf die Idee kommen, in 140 Zeichen die Welt zu erklären. Aber genau das geschieht zur Zeit. Tosender Applaus.

Bücher haben die Chance, inne zu halten, darüber nachzudenken, ob die schnelle Botschaft, ob die Überschrift, ob das wirklich das ist, worum es geht. Deshalb sehe ich in dem Buch die großes Chance, kritisch zu bleiben, zu hinterfragen, auch sich selbst orientieren und anderen Orientierung zu geben. Sich auch die Zeit zu nehmen, und den Mut, einmal mit einem Gedanken sich etwas länger vertraut zu machen. Das ist auch das Geheimnis der Literatur. Das ist das, was wir den Literaten, also den Schriftstellerinnen und Schriftstellern verdanken, dass sie die Welt erklären zu einen in einer Geschichte, oder in einer Abfolge und jedenfalls nicht in 140 Zeichen.“

EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini. © Foto: Diether v. Goddenthow
EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini. © Foto: Diether v. Goddenthow

Die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini erklärte, weswegen sie gerne die Einladung zur Eröffnung angenommen hatte: „Wenn Georgien Gastland der Frankfurter Buchmesse ist, ist es wichtig, dass die EU dabei ist“. Der georgische Premierminister Mamuka Bakhtadze betonte „Europa hat die georgische Zivilisation geprägt. Wir sind ein modernes Land mit einer langen Geschichte und vielfältigen Kultur. Georgien war immer Teil Europas, und nur eine Zeitlang von ihm getrennt.“

 

Literarische Gastrednerinnen

Ngozi-Adichie. © Foto: Diether v. Goddenthow
Ngozi-Adichie. © Foto: Diether v. Goddenthow

Als literarische Gastrednerin auf der Eröffnungspressekonferenz am Vormittag begrüßte Juergen Boos die preisgekrönte nigerianische Autorin Chimamanda Ngozi Adichie, die mit ihren Romanen Blauer Hibiskus, Die Hälfte der Sonne und Amerika zu den großen literarischen Stimmen des 21. Jahrhunderts gehört und am Abend des 9. Oktobers mit dem PEN Pinter Prize in London ausgezeichnet wird. Chimamanda Ngozi Adichies TED-Talks „We Should All Be Feminists“ und „The Dangers of a Single Story“ haben zudem vielbeachtete Debatten zu den Themen Feminismus und Migration ausgelöst.

Nino-Haratischwili. © Foto: Diether v. Goddenthow
Nino-Haratischwili. © Foto: Diether v. Goddenthow

Nino Haratischwili und Aka Morchiladze stimmten bei der offiziellen Eröffnungsfeier am Dienstag Nachmittag mit ihren literarischen Keynotes die 2200 geladenen Gäste im Namen von Georgia ­ – Made by Characters auf den Ehrengast Georgien ein.  Nino Haratischwili. die schon lange in Deutschland lebt und lieber in deutscher Sprache schreibt stand auch auf der Shortlist für den Deutschen Buchpreis 2018.  Nino Haratischwili weiß um die Kraft und Macht von Geschichten. Und sie hat die große Gabe, in Form von Erzählungen Weltgeschichte zu vermitteln und dadurch unseren Blick auf einen Teil der Welt zu schärfen und gar zu verändern. In ihrem Roman „Das achte Leben“ zeichnet die Autorin anhand einer einzigen Familie ein Panorama ihres Heimatlandes in der Sowjetzeit, einem Jahrhundert, das – so die Erzählerin – „alle betrogen und hintergangen hat“. Betrogen und hintergangen werden sie alle, die Figuren von Haratischwili: um ihre Freiheiten und Träume, um ihre Hoffnung auf anhaltendes Glück und Menschlichkeit. Es gibt aber auch die kleinen Geschichten, die Hoffnung machen – die von Freundschaft, Liebe und Solidarität. (Haratischwilis Rede zum Download). Hier die  Rede von Aka Morchiladze.

Georgien – Ehrengastpavillon

Ehrengastpavillon Georgien © Foto: Diether v. Goddenthow
Ehrengastpavillon Georgien © Foto: Diether v. Goddenthow

Mit Georgien präsentiert sich eine jahrtausendealte Kulturnation als Ehrengast der Frankfurter Buchmesse. Die georgischen „characters“, die 33 kunstvoll geschwungenen Buchstaben des einzigartigen Alphabets, zählen zum UNESCO-Weltkulturerbe und prägen das Motto des Ehrengastauftritts: „Georgia – Made by Characters“. Das Land zwischen Europa und dem Kaukasus stellt dabei nicht nur seine Geschichten und Werke vor, sondern auch die dahinterstehenden Charaktere. Über 150 Neuerscheinungen wurden im Gastlandjahr auf dem deutschsprachigen Buchmarkt herausgegeben. 70 deutschsprachige Verlage haben Titel zu Georgien in ihrem Programm. Seit der Gründung des Georgian National Book Center (2014) und der Einführung des Übersetzungsförderungsprogramms (2011) sind insgesamt 200 Titel aus dem Georgischen in deutscher Sprache erschienen. Mehr als 70 Autorinnen und Autoren werden auf der Frankfurter Buchmesse und in der Stadt Frankfurt ihre Werke auf insgesamt 350 literarischen Veranstaltungen vorstellen. Rund 100 Kulturevents laden zu Entdeckungen des Landes ein. Das Herz des Ehrengastauftritts ist der Pavillon auf dem Messegelände, der in seiner Gestaltung an die 33 Buchstaben angelehnt ist.

Die Redner des Abends. © Foto: Diether v. Goddenthow
Die Redner des Abends. © Foto: Diether v. Goddenthow

In der Buchbranche sei derzeit eine Art Aufbruchsstimmung zu verspüren. „Angestoßen durch die Ergebnisse unserer umfangreichen Buchkäufer-Studie setzen sich Verlage und Buchhandlungen so intensiv mit ihren Kunden und deren Bedürfnissen auseinander wie nie zuvor. Denn die befragten Buch-Abwanderer schätzen das Buch und haben Sehnsucht danach – jedoch kommen sie im hektischen Alltag, gestresst durch Social Media und abgelenkt durch andere Unterhaltungsformate weniger zum Lesen. Ob kleine oder große Buchhandlung, Publikums- oder Fachverlag, die Branche arbeitet in allen Bereichen daran, das Buch wieder stärker zu den Menschen zu bringen, ihnen mehr Kontaktpunkte zu Büchern und mehr Orientierung zu bieten“, sagte Riethmüller. Der Markt 2018 liege aktuell einschließlich September mit -1,1 Prozent leicht unter dem Vorjahr. Man ist aber optimistisch, durch ein gutes Herbst- und Weihnachtsgeschäft noch ein ausgeglichenes Jahresergebnis zu erreichen.

Gut gerüstet für den Medienmarkt der Zukunft

© Foto: Diether v. Goddenthow
© Foto: Diether v. Goddenthow

Mit Blick auf die deutsche Buchbranche sagte Heinrich Riethmüller, Vorsteher des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels: „Wir haben große und wichtige Aufgaben vor uns und gehen diese selbstbewusst und optimistisch an. Bücher sind ein zentrales Medium der Unterhaltung, der Information und der Meinungsbildung. Mit unseren Inhalten und unserer Vermittlungsarbeit wollen wir Kultur und Bildung fördern und zu Verständigung, Dialog und einem friedlichen Zusammenleben in einer pluralen Gesellschaft beitragen.“

Die 70. Frankfurter Buchmesse präsentiert sich als dynamische Leistungsschau der globalen Buch- und Medienbranche. Rund 7.500 Aussteller zeigen ihre Produkte und ihre Marke in Frankfurt, das entspricht einem Zuwachs von rund drei Prozent gegenüber dem Vorjahr. Mit einem Anteil von knapp 70 Prozent an internationalen Ausstellern, die aus 110 Ländern nach Frankfurt kommen, unterstreicht die Frankfurter Buchmesse ihre Position als größte internationale Messe der Content-Branche. Der Handel mit Rechten und Lizenzen floriert: Das Literary Agents & Scouts Centre (LitAg) ist in diesem Jahr um rund sechs Prozent gewachsen.

„Die Frankfurter Buchmesse baut ihre Stellung als wichtigste internationale Leitmesse auch im 70. Jahr ihres Bestehens weiter aus“, sagte Juergen Boos, Direktor der Frankfurter Buchmesse heute auf der Eröffnungspressekonferenz in Frankfurt. „Ob Filmproduzenten oder Literaturagenten, ob App-Entwickler, Buchhändler oder Bibliothekare, ob Bildungs-Start-up oder Datenbankspezialisten: Die Frankfurter Buchmesse bringt den Kosmos der Medienbranche an wenigen Tagen im Jahr zusammen. Alle, die in der Branche erfolgreich agieren wollen, profitieren von dem globalen Netzwerk, vom Wissenstransfer und von den zahlreichen zielgruppenspezifischen Angeboten, die wir für sie entwickeln.“

Der neue Frankfurt Pavilion

Das neue Wahrzeichen der Buchmesse: Der Frankfurt Pavilion, hier bei der Eröffnungspressekonferenz am 9.10.2018 © Foto: Diether v. Goddenthow
Das neue Wahrzeichen der Buchmesse: Der Frankfurt Pavilion, hier bei der Eröffnungspressekonferenz am 9.10.2018 © Foto: Diether v. Goddenthow

Mit dem Frankfurt Pavilion erhält die 70. Frankfurter Buchmesse ein neues Wahrzeichen, das zugleich das Herz des neuen BOOKFEST ist. Im Rahmen des Festivals finden vom 9. bis zum 14. Oktober 80 Veranstaltungen im Frankfurt Pavilion, im Saal Harmonie auf der Messe und in vielen Locations in Frankfurt statt. Auf der Buchmesse setzt das BOOKFEST literarische Akzente. Im neuen Frankfurt Pavilion auf der Agora erwartet das Messepublikum ein Programm mit ausgezeichneten Schriftstellerinnen und Schriftstellern: u. a. mit Paul Beatty, Dmitry Glukhovsky, Dörte Hansen, Eckart von Hirschhausen, Cixin Liu, Maja Lunde, Robert Seethaler, Martin Suter, Benedict Wells, Meg Wolitzer, Deniz Yücel und Juli Zeh. Am Sonntag, 14. Oktober 2018, wird es von 9.30 Uhr bis 14.00 Uhr einen Family Day mit Veranstaltungen und Lesungen für Familien und Kinder geben, u. a. mit Martin Baltscheit und Ralph Caspers.

Der Frankfurt Pavilion,  © Foto: Diether v. Goddenthow
Der Frankfurt Pavilion, © Foto: Diether v. Goddenthow

 

Georgia – Made by Characters Der Ehrengast der Frankfurter Buchmesse 2018 ist so einzigartig und kunstvoll wie sein Alphabet

Ehrengastpavillon Georgien © Foto: Diether v. Goddenthow
Ehrengastpavillon Georgien © Foto: Diether v. Goddenthow

FRANKFURT. Mit Georgien präsentiert sich eine jahrtausendealte Kulturnation vom 10. bis 14. Oktober 2018 als Ehrengast der Frankfurter Buchmesse. Die georgischen „characters“, die 33 kunstvoll geschwungenen Buchstaben des einzigartigen Alphabets, zählen zum UNESCO-Welterbe und prägen das Motto des Ehrengastauftritts: Georgia – Made by Characters. Das Land zwischen Europa und dem Kaukasus stellt dabei nicht nur seine Geschichten und Werke vor, die in dieser faszinierenden Schrift niedergeschrieben wurden, sondern auch die Charaktere, die dahinterstehen: Autor*innen, Künstler*innen, Musiker*innen – kurzum, die Georgier*innen selbst. Über 150 Neuerscheinungen wurden im Gastlandjahr auf dem deutschsprachigen Buchmarkt herausgegeben. 70 deutschsprachige Verlage haben Titel zu Georgien in ihrem Programm. Seit der Gründung des Georgian National Book Center (2014) und der Einführung des Übersetzungsförderungsprogramms (2011) sind insgesamt 200 Titel aus dem Georgischen in deutscher Sprache erschienen. Mehr als 70 Autor*innen kommen nach Deutschland und werden auf der Frankfurter Buchmesse und in der Stadt Frankfurt ihre Werke auf insgesamt 350 literarischen Veranstaltungen – von Lesungen bis Konferenzen – persönlich vorstellen. Rund 100 Kulturevents laden zu weiteren spannenden Entdeckungen des Landes ein. Das Herz des Ehrengastauftritts ist der Pavillon auf dem Messegelände, der in seiner Gestaltung an die 33 Buchstaben angelehnt ist. Hier wird täglich ein umfangreiches und hochkarätiges Literatur- und Kulturprogramm geboten: von Lesungen und Diskussionen bis hin zu klassischer und elektronischer Musik.

Von Klassik bis Zeitgeist – Neue Bücher aus und über Georgien

Bücherschau im georgischen Ehrengast-Pavillon im Forum der Frankfurter Buchmesse.  © Foto: Diether v. Goddenthow
Bücherschau im georgischen Ehrengast-Pavillon im Forum der Frankfurter Buchmesse.
© Foto: Diether v. Goddenthow

Vom historischen Heldenepos über die scharfzüngige Satire bis zum persönlichen Bericht aus dem Gulag – die Neuerscheinungen in deutscher Sprache spiegeln die historische und kulturelle Vielfalt des Landes wider, dessen Literatur bereits im 5. Jahrhundert mit dem hagiographischen Werk Das Martyrium der Heiligen Schuschanik begann. Dabei werden auch unterschiedliche Genres abgedeckt: von Romanen, Krimis, Erzählungen, Märchen und Sagen bis hin zu georgischen Epen und Anthologien georgischer Poesie, Sachbüchern, Kinder- und Jugendbüchern sowie Sammlungen kritischer Essays. Auch zahlreiche „Klassiker“ der georgischen Literatur können von den deutschsprachigen Leser*innen nun entdeckt werden. So etwa das georgische Nationalepos von Schota Rustaweli Der Recke im Tigerfell (Reichert Verlag, 2014) aus dem 12. Jahrhundert, das nun auch in einer modernen Prosaversion unter dem Titel Der Held im Pardellfell, nacherzählt von Tilman Spreckelsen und illustriert von Kat Menschik (Galiani Verlag), erschienen ist. Von Micheil Javakhishvili (1880–1937), dem Begründer der modernen georgischen Prosa, sind sieben Titel in deutscher Sprache erhältlich. Mit Awelum, Der Korb und Der Garten der Dariatschangi (Matthes & Seitz Berlin) von Otar Tschiladse (1933–2009) sind drei Werke eines Vertreters der Weltliteratur erschienen, der bereits zweimal für den Literaturnobelpreis nominiert war.

Über 70 georgische Autor*innen kommen zur Frankfurter Buchmesse

Impressionen vom Ehrengast-Pavillon. © Foto: Diether v. Goddenthow
Impressionen vom Ehrengast-Pavillon. © Foto: Diether v. Goddenthow

Mehr als 70 georgische Autor*innen werden in den kommenden Tagen Frankfurt zu Gast sein und ihre Bücher vorstellen. Darunter Aka Morchiladze, einer der derzeit angesehensten georgischen Schriftsteller. Von dem in London lebenden Autor, der über 30 Werke veröffentlichte, erschienen gleich mehrere Bücher in deutscher Sprache: Santa Esperanza und Obolé (beide Mitteldeutscher Verlag) sowie Reise nach Karabach und Der Filmvorführer (beide Weidle Verlag). Er und die hierzulande wohl bekannteste Autorin Nino Haratischwili werden bei der Eröffnungsfeier der Frankfurter Buchmesse sprechen. Die in Hamburg lebende Autorin stellt ihr neues Buch Die Katze und der General (Frankfurter Verlagsanstalt) vor. Erwartet werden auch weitere der vielen engagierten georgischen Frauen, etwa Naira Gelaschwili, eine wegen ihrer nonkonformistischen Prosa beliebte Schriftstellerin, die mit ihrem 1982 unter schwierigen Umständen in Georgien veröffentlichten Buch Ich fahre nach Madrid (Verbrecher Verlag) ein glühendes Plädoyer für die Kraft der Fantasie hält. Oder Tamta Melaschwili, eine Aktivistin der feministischen Bewegung, die in ihrem neuen Werk Marines Engel (Wieser Verlag) in literarischer Form versucht, den Ursprung von Ungerechtigkeit, Ungleichheit und Unterdrückung zu begreifen. Anna Kordsaia-Samadaschwili hält mit Wer hat die Tschaika getötet (Verlag Hans Schiler) ein Plädoyer für Toleranz, und Nana Ekvtimishvili gibt den rebellischen Mädchen und Frauen in der georgischen Gesellschaft in ihrem Buch Das Birnenfeld (Suhrkamp Verlag) Gesicht und Stimme.

Ein dunkles Kapitel der Landesgeschichte schlägt Lewan Berdsenischwili, ehemaliger Direktor der Georgischen Nationalbibliothek, auf. In seinem Buch Heiliges Dunkel – Die letzten Tage des Gulag (Mitteldeutscher Verlag) erzählt er von seiner Zeit als politischer Häftling. Guram Dotschanaschwili schuf mit seinem Klassiker Das erste Gewand (Carl Hanser Verlag) eine Fabel über Tyrannei und Sehnsucht und ein virtuoses Sprachkunstwerk. Archil Kikodze fängt mit seinem neuen Roman Südelefant (Ullstein Verlag) den georgischen Zeitgeist ein. Und schließlich stellt Lasha Bugadze, der wegen seiner scharfen Satire zu sozial-politischen Themen stets im Mittelpunkt des gesellschaftlichen Interesses steht, in Frankfurt sein neues Buch Der erste Russe (Frankfurter Verlagsanstalt) vor. Auch das in Georgien sehr beliebte Genre Lyrik ist stark vertreten, und so kommt etwa mit Besik Kharanauli auch einer der bekanntesten georgischen Dichter nach Frankfurt. Alle Neuerscheinungen unter: www.georgia-characters.com/Translations.aspx.

Umgeben von den 33 Buchstaben: Der Ehrengast-Pavillon auf der Frankfurter Buchmesse

Impressionen vom Ehrengast-Pavillon. © Foto: Diether v. Goddenthow
Impressionen vom Ehrengast-Pavillon. © Foto: Diether v. Goddenthow

Die Vielfalt der georgischen Kultur und Literatur wird vor allem im Ehrengast-Pavillon (Forum / Ebene 1) erfahrbar. In dem von George Bokhua Studio und Multiverse Architecture aus Tiflis gestalteten Raum spielen die Buchstaben des georgischen Alphabets, das seit 2016 auf der UNESCO-Liste des immateriellen Kulturguts steht, eine herausragende Rolle: In dem von den 33 Schriftzeichen inspirierten Ambiente werden nicht nur die georgischen Neuerscheinungen präsentiert, es öffnen sich auch 33 Türen, 33 Lieder erklingen, 33 Boote segeln und 33 Brote werden gebacken. Der Pavillon wird zur Bühne für ein umfangreiches Programm mit Lesungen und Live-Musik. Jeden Tag klingt der Messetag um 17 Uhr bei der Happy Hour aus; etwa bei den Techno-Klängen vom Haus-DJ des berühmten Clubs Bassiani aus Tiflis oder beim Auftritt des georgischen Nationalballetts Sukhishvili. Georgischer Wein und landestypische Spezialitäten bringen die Besucher*innen auf den besonderen Geschmack. Krönender Abschluss des Ehrengast-Programms ist die traditionelle GastRollen-Übergabe u.a. mit dem georgischen Autor Zurab Karumidze und der norwegischen Schriftstellerin Åsne Seierstad (14. Okt., 15:30 Uhr).

Begegnungen mit georgischen Autor*innen, Künstler*innen und Kreativen sind ebenso bei Veranstaltungen und Lesungen auf dem gesamten Messegelände möglich, so auch am Nationalstand Georgien (Halle 5.0, B100), am Stand für Kinder- und Jugendliteratur (Halle 3.0, F152), bei THE ARTS+ (Halle 4.1, N67, N71 u.a.), auf der Agora und in der Gourmet Gallery (Halle 3.1, L140, L146). Auch die „Wissenschaft – Made by Characters“ sowie die Innovations- und Technologieagentur präsentieren sich (Halle 4.2, E93, B85). Eine Vielzahl an Vorträgen und Lesungen gibt es dazu auch an anderen Orten, so etwa im Rahmen des städtischen Lesefests OPEN BOOKS oder beim BOOKFEST, dem Festival der Frankfurter Buchmesse.

Eröffnung des Ehrengastpavillions.© Foto: Diether v. Goddenthow
Eröffnung des Ehrengastpavillions.© Foto: Diether v. Goddenthow

Ausstellungen, Performances, Filme: Georgien in Frankfurt
Außerhalb des Messegeländes geben zahlreiche Events vom Theater über Performance bis zur Ausstellung weitere Einblick in die facettenreiche Kulturlandschaft. Das Programm in Frankfurter Museen und Kultureinrichtungen vereint das Beste aus Urgeschichte, antiker und zeitgenössischer Kunst, Fotografie, Architektur, Design, Typografie und Illustration. Zu den Höhenpunkten zählen die Ausstellung „Medeas Liebe und die Jagd nach dem Goldenen Vlies“ in der Liebieghaus Skulpturensammlung mit herausragenden archäologischen Funden und antiken Kunstwerken aus Georgien sowie „Gold & Wein. Georgiens älteste Schätze” im Archäologischen Museum Frankfurt. Unter dem Motto „Tiflis on my Mind“ im Klingspor Museum in Offenbach steht erstmals das georgische Alphabet im Zentrum einer Ausstellung. Freund*innen zeitgenössischer Kunst können sich auf den Film „All is fair in Dreams and War“ von Andro Wekua, einem der populärsten zeitgenössischen Künstler Georgiens, sowie die erste Einzelausstellung zu Thea Djordjadze, einer der profiliertesten Künstlerinnen Georgiens, freuen. Weltberühmte Musiker*innen stimmen das Publikum auch musikalisch auf das Gastland ein, so etwa die Pianistin Khatia Buniatishvili bei der Eröffnungszeremonie der Buchmesse, der Jazz-Pianist Beka Gochiashvili und viele andere beim Konzert des TV-Senders ARTE und nicht zuletzt die Geigerin Lisa Batiashvili mit dem Georgian Philharmonic Orchestra sowie dem Gori Frauenchor beim Konzert in der Alten Oper Frankfurt. Ergänzt wird das Programm durch eine Reihe von Inszenierungen bedeutender georgischer Theaterensembles, darunter das renommierte Rezo Gabriadze Puppentheater, das Tumanishvili Film Actors Theatre sowie das Tskhinvali Staatstheater. Auch Filmfreund*innen kommen auf ihre Kosten, etwa bei einer Filmreihe im Deutschen Filmmuseum sowie bei der Buchvorstellung und Filmvorführung rund um den georgischen Filmemacher, Drehbuchautor, Schauspieler und Maler Kote Mikaberidze.

Georgia is cooking – kulinarische Erlebnisse in ganz Frankfurt
Nicht nur im Georgien-Pavillon und in der Gourmet Gallery können Messebesucher*innen auf den besonderen georgischen Geschmack kommen. Unter der Motto „Georgia is cooking“ macht Veranstalter Leon Joskowitz mit fünf georgischen Top-Köch*innen und kulinarischen Botschafter*innen, darunter die gefeierte Köchin Tekuna Gachechiladze, die eigens zur Buchmesse nach Frankfurt reisen, die kulinarische Vielfalt des Landes auch im Frankfurter Stadtgebiet erlebbar, etwa mit der Reihe „Books n‘ Wines“.

Inger-Maria Mahlke mit dem Deutschen Buchpreis 2018 für Ihren Roman „Archipel“ in Frankfurt ausgezeichnet

Die Gewinnerin des Deutschen Buchpreises 2018 ist Inger-Maria Mahlke. Sie erhält die Auszeichnung für ihren Roman „Archipel“ (Rowohlt). © Foto: Diether v. Goddenthow
Die Gewinnerin des Deutschen Buchpreises 2018 ist Inger-Maria Mahlke. Sie erhält die Auszeichnung für ihren Roman „Archipel“ (Rowohlt). © Foto: Diether v. Goddenthow

Mit dem Deutschen Buchpreis zeichnet die Börsenverein des Deutschen Buchhandels Stiftung seit 2005 zum Auftakt der Frankfurter Buchmesse den besten deutschsprachigen Roman des Jahres aus. Partner sind neben der Frankfurter Buchmesse die Deutsche Bank Stiftung und die Stadt Frankfurt am Main. Die Deutsche Welle unterstützt den Deutschen Buchpreis bei der Medienarbeit im In- und Ausland.

Der Deutsche Buchpreis 2018 geht an Inger-Maria Mahlke. Während eines Festaktes mit über 300 geladenen Gästen der Buchbranche erhielt die  1977 in Hamburg geborene Autorin heute Abend  im Frankfurter Römer die Auszeichnung für ihren Roman „Archipel“ (Rowohlt)  aus den Händen von  Heinrich Riethmüller, Vorsteher des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels.

Ina Hartwig, Kulturdezernentin der Stadt Frankfurt. © Foto: Diether v. Goddenthow
Ina Hartwig, Kulturdezernentin der Stadt Frankfurt. © Foto: Diether v. Goddenthow

Kulturdezernentin Ina Hartwig wies in ihrem Grußwort darauf hin, dass schon die Nominierung zum Deutschen Buchpreis ein großer Erfolg sei. Der Deutsche Buchpreis gelte als wichtigste Auszeichnung der Branche und habe auch  deutlichen Einfluss auf die Verkaufszahlen. Die Sieger schafften es in der Regel auf einen vorderen Platz der Bestsellerlisten.

Im Finale um den Deutschen Buchpreis 2018 standen neben der Preisträgerin  weitere fünf  Autorinnen und Autoren mit je einem Werk: María Cecilia Barbetta, „Nachtleuchten“ (S. Fischer), Maxim Biller, „Sechs Koffer“ (Kiepenheuer & Witsch), Nino Haratischwili, „Die Katze und der General“ (Frankfurter Verlagsanstalt), Susanne Röckel, „Der Vogelgott“ (Jung und Jung) und Stephan Thome, „Gott der Barbaren“ (Suhrkamp).

v.li.n.r. Stephan Thome: Gott der Barbaren (Suhrkamp, September 2018), Maxim Biller: Sechs Koffer (Kiepenheuer & Witsch, September 2018),Inger-Maria Mahlke: Archipel (Rowohlt, August 2018),María Cecilia Barbetta: Nachtleuchten (S. Fischer, August 2018). vorne r.:Susanne Röckel: Der Vogelgott (Jung und Jung, Februar 2018), Nino Haratischwili: Die Katze und der General. © Foto: Diether v. Goddenthow
v.li.n.r. Stephan Thome: Gott der Barbaren (Suhrkamp, September 2018), Maxim Biller: Sechs Koffer (Kiepenheuer & Witsch, September 2018),Inger-Maria Mahlke: Archipel (Rowohlt, August 2018),María Cecilia Barbetta: Nachtleuchten (S. Fischer, August 2018). vorne r.:Susanne Röckel: Der Vogelgott (Jung und Jung, Februar 2018), Nino Haratischwili: Die Katze und der General. © Foto: Diether v. Goddenthow

Die sieben Jurymitglieder haben seit Ausschreibungsbeginn 199 Titel gesichtet, die zwischen Oktober 2017 und dem 11. September 2018 erschienen sind. Der Jury für den Deutschen Buchpreis 2018 gehören neben Christine Lötscher an: Christoph Bartmann (Goethe Institut Warschau), Luzia Braun (ZDF), Tanja Graf (Literaturhaus München), Paul Jandl (freier Kritiker), Uwe Kalkowski (Literaturblog „Kaffeehaussitzer“) und Marianne Sax (Bücherladen Marianne Sax, Frauenfeld).

Heinrich Riethmüller unterstrich, dass der Deutsche Buchpreis in jedem Jahr einen Höhepunkt in der öffentlichen Beschäftigung mit Büchern markiere. „Die Diskussionen um die nominierten Titel zeigen uns immer aufs Neue, was das eigentlich Wertvolle an Kultur ist: Kultur funktioniert, weil sie vielfältig ist. Sie funktioniert im Austausch und in gegenseitiger Anregung“, so der Vorsteher des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels.

Heinrich Riethmüller, Vorsteher des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels. © Foto: Diether v. Goddenthow
Heinrich Riethmüller, Vorsteher des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels. © Foto: Diether v. Goddenthow

Die Möglichkeiten sich mit Büchern auseinanderzusetzen, seien so zahlreich wie noch nie. Das Reden über Bücher fände in unzähligen digitalen wie analogen Bäumen statt. Bücherfans diskutierten ihre Lese-Erlebnisse auf Buchblogs und Instargram. Sie treffen sich in Büchercafés oder zu Literatur-Events wie in diesem Jahr dem ausverkauften Shortlist-Abend im Schauspiel Frankfurt mit rund 700 gebannten Zuhöhrern. Die Begeisterung und Geschichten sei ungebrochen, auch wenn die Zahl der Buchkäufer ein wenig zurückgegangen sei. Dafür kauften die, die Bücher kauften, im Schnitt mehr. „Ich möchte sogar behaupten, das Sprechen und das Teilhaben an Literatur ist offener und zugänglicher denn je“, so Riehtmüller.

Auch die Bücher der diesjährigen Shortlist sprächen diese Einladung aus. „Die Titel begeben sich in ferne Welten, in andere Länder, in die Geschichte, ins Phantastische. Sie fordern und auf, sich einzulassen, auf ihre Rhythmen und ihre Ordnungen. Sie schärfen auf besondere Art und Weise unsere Beobachtungskraft. Ihre Protagonisten fordern unser Urteilen heraus. Ein aufregender Unruhezustand legt sich über die Geschichten. Mehr als einmal bittet das Gelesene um einen zweiten Blick“, so Riethmüller in seiner Ansprache zur Preisverleihung.

archipel

Wenn auch alle sechs nominierten Titel den Buchpreis verdient hätten, weil jedes Werk auf ganz unterschiedliche Art und Weise die Leser zu einem zweiten Blick und neuen Perspektiven herausfordert, hat sich die Jurys letztlich für Inger-Maria Mahlkes Roman „Archipel“ (Rowohlt) entschieden. Ihre Begründung: „Der Archipel liegt am äußersten Rand Europas, Schauplatz ist die Insel Teneriffa. Gerade hier verdichten sich die Kolonialgeschichte und die Geschichte der europäischen Diktaturen im 20. Jahrhundert. Inger-Maria Mahlke erzählt auf genaue und stimmige Weise von der Gegenwart bis zurück ins Jahr 1919. Im Zentrum stehen drei Familien aus unterschiedlichen sozialen Klassen, in denen die Geschichte Spaniens Brüche und Wunden hinterlässt. Vor allem aber sind es die schillernden Details, die diesen Roman zu einem eindrücklichen Ereignis machen. Das Alltagsleben, eine beschädigte Landschaft, aber auch das Licht werden in der Sprache sinnlich erfahrbar. Faszinierend ist der Blick der Autorin für die feinen Verästelungen in familiären und sozialen Beziehungen.“

Übergabe der Urkunde an die Preisträgerin aus den Händen von Heinrich Riethmüller, Vorsteher des Börsenvereins Deutscher Buchhandel. © Foto: Diether v. Goddenthow
Übergabe der Urkunde an die Preisträgerin aus den Händen von Heinrich Riethmüller, Vorsteher des Börsenvereins Deutscher Buchhandel. © Foto: Diether v. Goddenthow

Die Preisträgerin erhält ein Preisgeld von 25.000 Euro; die fünf Finalisten erhalten jeweils 2.500 Euro. Der Roman des Jahres wurde in mehreren Auswahlstufen ermittelt. Die sieben Jurymitglieder haben seit Ausschreibungsbeginn 199 Titel gesichtet, die zwischen Oktober 2017 und dem 11. September 2018 erschienen sind. Aus diesen Romanen haben die Jurorinnen und Juroren eine 20 Titel umfassende Longlist zusammengestellt und daraus sechs Titel für die Shortlist gewählt.

Christine Lötscher, Sprecherin der Jury des Deutschen Buchpreises 2018, zur Auswahl: „,Das Vergangene ist nicht tot, es ist nicht einmal vergangen‘ – der berühmte Satz, den Faulkner 1951 schrieb, hängt wie ein unausgesprochenes Motto über der deutschsprachigen Literatur dieses Jahres. Die sechs nach Ansicht der Jury gelungensten und wichtigsten Romane folgen ganz unterschiedlichen Spuren in die Vergangenheit oder in mythische Schichten der Wirklichkeit – fabulierend, spekulierend, verspielt; mit lakonischer Eleganz und bittersüßer Präzision, mit epischer Langsamkeit und spannungsgeladener Wucht. Antworten bekommen wir auf diesen Reisen durch Raum und Zeit nicht, und schon gar keine einfachen Wahrheiten. Umso faszinierter lässt man sich als Leserin, als Leser auf vielstimmige Erzählkompositionen und auf die Sinnlichkeit einer anderen Zeit ein, die immer auf unsere verweist.“

Empfang in den Römerhallen. © Foto: Diether v. Goddenthow
Empfang in den Römerhallen. © Foto: Diether v. Goddenthow

Unter www.deutscher-buchpreis-blog.de veröffentlichen die „Buchpreisblogger“ Rezensionen zu allen Titeln der Longlist sowie Hintergrundinformationen und kritische Debattenbeiträge. Mehr ist auf der Facebook-Seite des Deutschen Buchpreises und unter dem Hashtag #dbp18 zu finden.

Exklusive englische Übersetzungen von Leseproben der sechs Shortlist-Titel sowie ein englischsprachiges Dossier stehen unter www.new-books-in-german.com bereit.

Weitere Informationen und Termine des Preisträgers rund um die Frankfurter Buchmesse können abgerufen werden unter www.deutscher-buchpreis.de.

Ohne Gutenberg gäbe es die Frankfurter Buchmesse nicht – Gutenberg-Museum wieder zu Gast auf der weltgrößten Bücherschau

Gutenberg-Museum auf der Buchmesse 2017 mit Direktorin Dr. Annette Ludwig, Archivbild © Foto: Diether v. Goddenthow
Gutenberg-Museum auf der Buchmesse 2017 mit Direktorin Dr. Annette Ludwig, Archivbild © Foto: Diether v. Goddenthow

Ohne Johannes Gutenbergs Erfindung des Buchdrucks mit beweglichen Lettern würde es wohl die Frankfurter Buchmesse, die weltgrößte Bücherschau so nicht geben. Zwar präsentiert das Gutenberg-Museum in seiner Sonderausstellung „Ohne Zweifel Gutenberg?“ zum Gutenbergjahr 2018  einen spannenden Vergleich der Erfindungen Gutenbergs mit noch älteren Druckverfahren aus Asien. Doch zeigt sich, dass erst Gutenbergs Zerlegung des Textes in alle Einzelelemente wie Klein- und Großbuchstaben, Satzzeichen, Ligaturen und Abkürzungen und deren seitenverkehrter Metallguß in beliebiger Anzahl, um sie schließlich zu Wörtern, Zeilen und Seiten für den Druck zusammengefügen und auf einer einer neu entwickelten Druckpresse in Serie drucken zu können, den modernen Buchdruck möglich machte.
Dies und vieles mehr präsentiert das Weltmuseum der Druckkunst auf der diesjährigen Frankfurter Buchmesse vom 10. bis zum 14. Oktober, Messestand N25 in Halle 4.1

Keine Frage, dass es dieses Jahr am Messestand um den Mann des Jahrtausends geht, dessen 550. Todesjahr 2018 begangen wird.

Am Messestand N25 in Halle 4.1 dreht sich alles um die Schwarze Kunst. Hier können die Besucher die Geschichte der Druckkunst „live“ erleben. An der rekonstruierten Gutenberg-Presse lernen sie die Technologie Gutenbergs kennen, die bis ins 20. Jahrhundert hinein zum Druckeralltag gehörte. Dem Leben und Wirken von Johannes Gutenberg gewidmet ist ein Film, der ebenfalls am Stand gezeigt wird. Die Museumspädagogik bietet ein interessantes Mitmachangebot:

Messebesucher können selbst aktiv werden und künstlerisch kreativ mit der Frottagetechnik experimentieren, um ein eigenes Kunstwerk zu schaffen. Dazu gibt es spannende Vorführungen und viele interessante Informationen.

Am Messestand präsentieren sich auch die internationale Gutenberg-Gesellschaft und der Gutenberg-Shop der Gutenberg Stiftung, der gedruckte Bibelseiten und vieles andere aus der Welt der Druckkunst anbietet.

Mainzer Stadtschreiberin Anna Katharin Hahn. © Foto: Diether v. Goddenthow
Mainzer Stadtschreiberin Anna Katharin Hahn. © Foto: Diether v. Goddenthow

Als besonderes Highlight liest dieses Jahr die amtierende Mainzer Stadtschreiberin Anna Katharina Hahn am 11. Oktober um 17.30 Uhr am Gutenberg-Stand aus ihrem aktuellen Werk.