Kategorie-Archiv: Buchmesse Frankfurt 2016

Der deutsche PEN bekräftigt seine Forderungen an die Türkei – Zurückweisung der irrtumsbedingten Kritik von Elfriede Jelinek

literaturhaus-darmstadtWie das deutsche PEN-Zentrum gemeinsam mit dem Internationalen PEN am 19. Juli berichtet hat, wurde in der Türkei nach der Säuberung in der Justiz mit einer Kampagne zur Ausschaltung von regierungskritischen Journalisten, Schriftstellern und Professoren begonnen. Von Anfang an wurde der Ausnahmezustand dazu genutzt, neben der Bestrafung der vermeintlich Schuldigen auch mit frei denkenden Bürgern abzurechnen. Mittlerweile hat diese Hetzkampagne ein Ausmaß angenommen, das alle demokratisch gesinnten Kräfte entsetzt.

Nach den offiziellen Zahlen des türkischen Innenministeriums sind seit dem 15. Juli 25.917 Personen festgenommen worden. Die Reisepässe von 74.562 Personen wurden für ungültig erklärt. Mehr als 1.500 Hochschuldekane wurden zum Rücktritt gezwungen. Wissenschaftler werden an internationalen Kontakten gehindert. 60.000 Staatsbedienstete wurden suspendiert, mehr als 20.000 Privatlehrer haben ihre Lehrberechtigung verloren.

Aber das war nur der erste Schritt. Mittlerweile sind 132 Medienunternehmen geschlossen, darunter 3 Nachrichtenagenturen, 23 Radiosender, 16 Fernsehsender, 45 Zeitungen, 15 Magazine und 29 Verlage, deren Vermögen, inklusive Copyrights und Urheberrechten, dem Staat zugefallen sind.

Mindestens 62 Journalisten und Schriftsteller sind in türkischen Gefängnissen eingesperrt, weil sie öffentlich ihre Meinung geäußert haben. Andere Journalisten, deren Medien nun geschlossen wurden, befinden sich auf der Flucht.

Die deutsche Bundesregierung und alle demokratischen Rechtsstaaten dieser Welt sind aufgerufen, nicht länger zuzusehen, wie in der Türkei fundamentale Menschenrechte mit Füßen getreten werden. Wir fordern die Regierung der Türkei auf:

  • Alle wegen ihrer Gesinnung Gefangenen, die am Militärputsch nicht beteiligt waren, sind freizulassen.
  • Alle Formen von Folter sind einzustellen.
  • Das Recht zur freien Meinungsäußerung muss unbeschränkt gelten.

Wir verurteilen mit aller Schärfe die Verfolgung unserer Kolleginnen und Kollegen in der Türkei. Wir erwarten von der Bundesregierung und den europäischen Regierungen, dass sie den zu Unrecht Verfolgten und Inhaftierten jede Hilfe zukommen lassen, die sie zur Wahrung ihrer Menschenrechte brauchen.
P.S.: Die Namen der inhaftierten Autoren und der verbotenen Medien finden Sie in den Updates auf der Website des Internationalen PEN, http://www.pen-international.org/

Für das PEN-Zentrum Deutschland
Josef Haslinger
Präsident

Das PEN-Zentrum Deutschland ist eine der weltweit über 140 Schriftstellervereinigungen, die im PEN International vereint sind. Die drei Buchstaben stehen für die Wörter Poets, Essayists, Novelists. Der PEN wurde 1921 in England als literarischer Freundeskreis gegründet. Schnell hat er sich über die Länder der Erde ausgebreitet und sich als Anwalt des freien Wortes etabliert – er gilt als Stimme verfolgter und unterdrückter Schriftsteller.

PEN-Zentrum Deutschland
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Schauen Sie am besten immer mal auf die PEN-Homepage sowie auf deren  öffentlich zugänglichen Facebook-Seiten, die laufend aktualisiert werden.
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Der deutsche PEN weist die Kritik von Elfriede Jelinek an der Untätigkeit der Autorenverbände zurück

Ergänzend wird folgend die Stellungnahme des internationalen PENs vom 30. Juli 2016, nämlich das Türkische Tagebuch XI des Bloggers Yavuz Baydar betreffend, veröffentlicht. Die Süddeutsche Zeitung war wohl am 29. Juli 2016 irrtümlich davon ausgegangen, dass der PEN bislang untätig geblieben sei, was aber nicht stimmt. Auch Elfriede Jelinek hatte die Süddeutsche wohl zur Quelle Ihres entsprechenden Statements genommen. Um nun alle Wogen zu glätten, es geht ja immerhin darum, alle gemeinsam an einen Strang zu ziehen, wird folgend die Presseerklärung des PEN vom 30.Juli 2016 abgedruckt. Hierin  geht Autor Yavuz Baydar auf den Irrtum in der Süddeutschen Zeitung ein und belegt, dass sich der internationale. und türkische PEN schon am 16. Juli 2016, entsprechend früh positioniert hatten:

Betr.: Türkisches Tagebuch (XI), Schweigen ist jetzt der Feind der Demokratie

von Yavuz Baydar
Die Behauptung des Autors, dass weder der türkische noch der internationale PEN gegen Verhaftungen von Hilmi Yavuz und Sahin Alpay protestiert hätten, ist falsch.

Der türkische PEN hat sich in mutigen Statements klar positioniert und sehr wohl gegen die Verhaftung des großen Poeten Hilmi Yavuz und anderer protestiert. Yavuz wurde am selben Tag wieder entlassen. Während der gesamten Zeit seiner Inhaftierung standen die türkischen PEN-Kollegen in Kontakt mit seinem Sohn, der dem türkischen PEN für die Unterstützung gedankt hat. Auch die Situation von Sahin und anderen hat man im Blick.

Bereits am 16. Juli hat der türkische PEN in einer öffentlichen Erklärung die Bedeutung des säkularen Rechtsstaats und der Gewaltenteilung als Grundprinzipien für Demokratie und Frieden betont. In einer Erklärung vom 26. Juli wandte sich der türkische PEN erneut gegen die Verhaftung aller inzwischen verhafteten Journalisten. Diese Erklärung wurde in den meisten Zeitungen abgedruckt sowie auf der Webseite und im Blog des türkischen PEN veröffentlicht. Sie ist in englischer Fassung auf der Facebook-Seite von PEN Turkey zu finden: https://www.facebook.com/PEN-Yazarlar-Derne sowie auch auf den – öffentlich zugänglichen – Fb-Seiten des deutschen PEN, auf denen wir laufend auch über andere Fälle berichten, etwa Bülent Mumay.
Auch PEN International setzt sich unermüdlich für die Meinungsfreiheit in der Türkei ein, wovon sich Blogger, Zeitungsredakteure sowie interessierte Leserinnen und Leser auf der Homepage unter www.pen-international.org selbst ein Bild machen können. Auch das PEN-Zentrum Deutschland wirkt in der Türkei-Arbeitsgruppe des internationalen PEN mit und steht in engem Kontakt mit türkischen Oppositionellen, für die wir uns teils öffentlich, teils auch – um sie nicht weiter zu gefährden – nicht-öffentlich einsetzen. Mit der Verleihung des Hermann Kesten-Preises 2016 an Can Dündar und Erdem Gül setzt der deutsche PEN darüberhinaus ein weiteres Signal der Solidarität.
Das mutige Engagement der Kolleginnen und Kollegen im türkischen PEN verdient unseren Respekt und braucht unsere Unterstützung, nicht aber haltlose Kritik und Fehlinformation in der Süddeutschen Zeitung.
Regula Venske Hamburg, 30. Juli 2016
Generalsekretärin
PEN-Zentrum Deutschland
www.pen-deutschland.de

Wer über https://www.facebook.com/PEN-Yazarlar-Derne nicht die Blog-Beiträge öffnen kann, geht am besten über den Beitrag der Süddeutsche Zeitung http://www.sueddeutsche.de/kultur/tuerkisches-tagebuch-xi-schweigen-ist-jetzt-der-feind-der-demokratie-1.3099986?source=rss:

Der besagte und oben richtig gestellte SZ-Beitrag vom 29. Juli 2016  ist – bis auf die zum Schluss geäußerte Falschkritik an PEN,  gut geschrieben. Darunter sind die einzelnen Blockbeiträge aufgeführt.

Auch sei auf  das SZ-Interview von Charlotte Haunhorst mit dem 23-jährigen Journalisten Yusuf* aus einer Stadt an der türkischen Ägäis : „Ich habe Angst, dass ich gejagt werde“ aufmerksam gemacht (http://www.jetzt.de/interview/interview-mit-einem-tuerkischen-journalisten)

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Schließung von Medien und Verlagen in der Türkei: „Massiver Angriff auf die Meinungsfreiheit“

buchtipps1b-800Die bereits angespannte Situation für Medien und Verlage in der Türkei hat sich seit dem Putschversuch im Juli 2016 verschärft. Die türkische Regierung geht inzwischen breit angelegt gegen regierungskritische Journalisten und Medien vor. Neben über hundert Printredaktionen, TV- und Radiostationen wurden bereits 29 Buchverlage, darunter Bildungs- und Kinderbuchverlage, geschlossen.

„Wir verurteilen die Verhaftungen von Autoren und Journalisten sowie die Schließungen von Verlagen und anderen Medienhäusern aufs schärfste. Die türkische Regierung greift die Meinungsfreiheit massiv an. Autoren, Verleger und Journalisten werden wie Verbrecher behandelt. Das ist untragbar. Die Freiheit des Wortes ist ein Menschenrecht, das unter allen Umständen geschützt werden muss. Denn unabhängige Verlage, Buchhandlungen und Medien sind Grundlage einer freien und demokratischen Gesellschaft. Als Buchbranche treten wir entschieden für die Freiheit des Wortes ein. Wir fordern die Bundesregierung und die EU-Kommission auf, eine klare Haltung zur Situation in der Türkei zu zeigen und die Meinungsfreiheit kompromisslos zu verteidigen“, sagt Alexander Skipis, Hauptgeschäftsführer des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels.

Der Börsenverein steht mit Partnerorganisationen aus dem Medien- und Kulturbereich im engen Austausch über die Situation vor Ort und mögliche gemeinsame Maßnahmen.

 

 

Carolin Emcke erhält den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels 2016

Foto © Andreas Labes
Foto © Andreas Labes

Der Stiftungsrat des Friedenspreises des Deutschen Buchhandels hat die deutsche Journalistin und Publizistin Carolin Emcke zur diesjährigen Trägerin des Friedenspreises gewählt. Das gab Heinrich Riethmüller, Vorsteher des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels, auf der Hauptversammlung des Verbandes in Leipzig bekannt. Die Verleihung findet zum Abschluss der Frankfurter Buchmesse am Sonntag, 23. Oktober 2016, in der Paulskirche in Frankfurt am Main statt und wird live im Fernsehen übertragen. Der Friedenspreis wird seit 1950 vergeben und ist mit 25.000 Euro dotiert.

In der Begründung des Stiftungsrats heißt es: „Den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels verleiht der Börsenverein im Jahr 2016 an Carolin Emcke und ehrt damit die Journalistin und Publizistin, die mit ihren Büchern, Artikeln und Reden einen wichtigen Beitrag zum gesellschaftlichen Dialog und zum Frieden leistet. Ihre Aufmerksamkeit gilt dabei besonders jenen Momenten, Situationen und Themen, in denen das Gespräch abzubrechen droht, ja nicht mehr möglich erscheint. Carolin Emcke setzt sich schwierigen Lebensbedingungen aus und beschreibt – vor allem in ihren Essays und ihren Berichten aus Kriegsgebieten – auf sehr persönliche und ungeschützte Weise, wie Gewalt, Hass und Sprachlosigkeit Menschen verändern können. Mit analytischer Empathie appelliert sie an das Vermögen aller Beteiligten, zu Verständigung und Austausch zurückzufinden. Das Werk von Carolin Emcke wird somit Vorbild für gesellschaftliches Handeln in einer Zeit, in der politische, religiöse und kulturelle Konflikte den Dialog oft nicht mehr zulassen. Sie beweist, dass er möglich ist, und ihr Werk mahnt, dass wir uns dieser Aufgabe stellen müssen.“

Carolin Emcke, geboren am 18. August 1967 in Mülheim an der Ruhr, lebt als freie Publizistin in Berlin. Sie studierte ab 1987 Philosophie, Politik und Geschichte in London, Frankfurt am Main und an der Harvard University. Ihre Doktorarbeit „Kollektive Identitäten. Sozialphilosophische Grundlagen“ wurde 2000 im Campus Verlag veröffentlicht.

Von 1998 bis 2006 arbeitete Carolin Emcke als festangestellte Redakteurin beim Nachrichtenmagazin DER SPIEGEL. Ab 1999 bereiste sie als Auslandsredakteurin zahlreiche Krisenregionen und berichtete unter anderem aus dem Kosovo, Afghanistan, Pakistan, Irak und dem Gaza-Streifen. Aus den Briefen, die sie zwischen 1999 und 2003 an ihre Freunde schrieb, entstand 2004 ihr erstes Buch „Von den Kriegen – Briefe an Freunde“ (S. Fischer Verlag).

2003 bis 2004 ging Carolin Emcke für ein Jahr als Visiting Lecturer an die Yale University und lehrte unter anderem über „Theorien der Gewalt“. Seit 2004 kuratiert und moderiert sie zudem die monatliche Diskussionsreihe „Streitraum“ an der Berliner Schaubühne. Von 2007 bis 2014 arbeitete sie als freie Autorin für DIE ZEIT und veröffentlichte Reportagen aus dem Irak, Haiti, dem Gazastreifen sowie zahlreiche Essays. Seit Oktober 2014 schreibt sie für die Wochenendausgabe der Süddeutschen Zeitung eine wöchentliche Kolumne.

Carolin Emcke wurde mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet, unter anderem mit dem Lessing-Preis des Freistaats Sachsen (2015), dem Johann-Heinrich-Merck-Preis für literarische Kritik und Essay (2014) und dem Theodor-Wolff-Preis (2008). 2010 wurde sie zur Journalistin des Jahres gewählt. Im Oktober 2016 wird mit „Gegen den Hass“ eine essayistische Auseinandersetzung mit dem Rassismus, dem Fanatismus und der Demokratiefeindlichkeit erscheinen.