Caricatura Frankfurt feiert 40 JAHRE Satire-Magazin TITANIC mit der Sondershow „DIE ENDGÜLTIGE TITEL-AUSSTELLUNG“ vom 3.10.2019 – 2. Februar 2020

plakat-40j-titanicDeutschlands größtes und bedeutendstes Satire-Magazin Titanic wird 40. Anlässlich dieses Jubiläums veranstaltet das Caricatura Museum für Komische Kunst Frankfurt die größte je gezeigte Auswahl „endgültiger“ Titel und schonungsloser Frontseiten der TITANIC als einen satirischen Gegenentwurf zu vier Jahrzehnten deutscher Geschichte.

Es sei die dritte, und wohl die letzte Titanic-Ausstellung, die er organisiere, so Caricatura-Direktor Achim Frenz beim heutigen Pressegespräch, gemeinsam mit dem langjährigen Titanic-Ex-Chefredakteur Tim Wolff sowie seinem Nachfolger Moritz Hürtgen. Die Ausstellung habe im dreißigsten Jahr des Mauerfalls einen Schwerpunkt auf der Wiedervereinigung und deren Folgen. Gemäß Chlodwig Poths Impressumsmotto „Die endgültige Teilung Deutschlands – das ist unser Auftrag” zeichne die Ausstellung den Werdegang der Zonen-Gaby, die Renationalisierung des geeinten Landes und die verzweifelten Versuche der Redaktion, die Mauer wieder aufzubauen, nach.

Titanic Heft November 1999 ©  Caricatura Museum Frankfurt
Titanic Heft November 1999 © Caricatura Museum Frankfurt

So gibt es in der Ausstellung ein Titelbild, das zeigt, wie liebevoll versucht wird, mit entsprechender Hege und Pflege die Mauer wieder „natürlich“ wachsen zu lassen. Die unzähligen Titel lassen die rabiate Gegengeschichte von vier deutschen Jahrzehnten seltsam präzise und oftmals prophetischer erscheinen, als es selbst den Spaßmachern lieb sein kann – wollten sie doch letztlich nicht mehr, als die Welt- und Zeitläufe anzulachen. Das verdeutlicht manches alberne und absurde, aber auch bösartige oder bittersüße Cover, die mitunter auch schon mal übers Ziel hinaus schossen.
Im Erdgeschoss erwartet bildungsfernere Besucher eine Tafel „So nutzen Sie diese Ausstellung“ als kleine Anleitung für ihren Museumsgang. Die „Bildungsschichtler“ dürfen diese Tafel überspringen, und sich gleich in der „Hall of Fame“ die Besten der Besten anschauen, nämlich die spritzigsten und relevantesten von 168 Titanic-Titelbildern und 67 Originalgrafiken sowie zahlreichen Requisiten wie „das Heiße Eisen“ etc. umtun.

©  Caricatura Museum Frankfurt Foto: Diether  v Goddenthow
Hall of Fame © Caricatura Museum Frankfurt Foto: Diether v Goddenthow

 

 

Galerie mit Skandalwand und Vitrinen des Verbotenen

Auf der Galerie können Freunde des schwarzhumorigen Geschmacks weitere Hefte aus vier Jahrzehnten in Augenschein nehmen, zirka 117. Die schlimmsten sind  aufgeschlagen.

Ein Gag ist die sogenannte Skandalwand, auf der nicht nur die großen, sondern auch die kleineren Skandale, die TITANIC ausgelöst hat, in ihrer vollkommenen Absurdität erfassen.

©  Foto: Diether  v Goddenthow
© Foto: Diether v Goddenthow

Aber es ist auch der wichtigste Skandal dokumentiert, der der Redaktion ganz zu ihrer Freude passierte. So prozessierte die katholische Kirche praktisch ständig gegen das Satiremagazin. Gründe sah man in der angeblichen Religionsbeschimpfung und der Verunglimpfung des Papstes. 2012 ging zum ersten Mal der Papst auch zivilrechtlich gegen das Magazin vor und erwirkte eine einstweilige Verfügung gegen die Darstellung auf dem Titel und der Rückseite der JuliAusgabe („Halleluja im Vatikan – Die undichte Stelle ist gefunden!“), die später allerdings zurückgenommen wurde. Bessere PR habe uns gar nicht widerfahren können, so Wolff. Auch Gegendarstellungen seien immer schön, da sie dazu führen, dass man den Witz wiederholen kann, ohne sich strafbar zu machen.

Vitrinen des Verbotenen mit 12 absolut widerwärtigen Titanic-Ausgaben. ©  Foto: Diether  v Goddenthow
Vitrinen des Verbotenen mit 12 absolut widerwärtigen Titanic-Ausgaben. © Foto: Diether v Goddenthow

Die Ausstellungsmacher haben sogar einen Weg gefunden, die insgesamt 12 verbotenen Heftseiten aus TITANIC doch zeigen zu können, nämlich mit einem simplen Trick, indem sie die Auslagen mit Matten abgedeckt als Verboten gekennzeichnet haben. Es bleibt nun der Neugierde eines jeden Besuchers selbst überlassen, diese Abdeckungen doch ein wenig zu lupfen, und einen Blick darunter zu wagen. Beispielsweise wird darunter auch die Titanic-Ausgabe vom Mai 1993 mit SPD-Ministerpräsidenten Björn Engholm zu entdecken sein, den die Redaktion unter der Überschrift „Sehr komisch, Herr Engholm!“ an Stelle von Uwe Barschel fototechnisch in die Genfer Badewanne steckte. Engholm wurde das zu dieser Zeit bislang höchste Schmerzensgeld in der deutschen Pressegeschichte von 40.000 DM zugesprochen, das in Verbindung mit den Prozesskosten die TITANIC fast in den Ruin trieb. Auch andere fühlten sich diffamiert, darunter Kurt Beck, Johannes Rau und Benjamin von Stuckrad-Barre. Andere wiederum, etwa Helmut Kohl oder Angela Merkel, reagierten nie auf die satirischen Einlassungen der TITANIC.

Titanic Heft Oktober 2014. ©  Caricatura Museum Frankfurt
Titanic Heft Oktober 2014. © Caricatura Museum Frankfurt

Als gesellschaftskritisches Magazin versteht sich die „TITANIC“ nicht vorrangig als Medium des Journalismus, sondern als Periodikum, das satirische Kunstwerke verbreitet. Geschaffen von Künstlern, die sich auf die Kunst- und Meinungsfreiheit berufen. Die 55 Gerichtsverfahren, 38 verbotenen Ausgaben, zahlreichen einstweiligen Verfügungen und Unterlassungserklärungen sowie die kurzweilige Sperrung des Twitter Accounts 2018 wurden und werden in Kauf genommen. Denn die Komikschaffenden der Redaktion bestimmen, wo Satire aufhört und der Spaß erst richtig losgeht.

Gegründet wurde die Titanic 1979 von Vertretern der Neuen Frankfurter Schule, Robert Gernhardt, F. K. Waechter, Peter Knorr,  Hans Traxler und Chlodwig Poth. Zuvor hatte man gemeinsam in der Redaktion der Satirezeitschrift Pardon gearbeitet, nach Auseinandersetzungen über die Ausrichtung der Zeitschrift aber beschlossen, ein eigenes Format zu schaffen. Der ursprüngliche Plan, die Zeitschrift „Die Sonne“ zu benennen, der zahlreiche wortspielerische Rubriken wie „Sonne Scheiße“ oder „Sonne Unverschämtheit“ ermöglicht hätte, musste aufgrund eines bereits urheberrechtlich geschützten Titels aufgegeben werden. So erschien pünktlich zur Buchmesse 1979, begleitet von einem bundesweiten Presseecho, die erste Ausgabe der TITANIC mit dem programmatischen Untertitel „Das endgültige Satiremagazin“.

Die TITANIC ist seit jeher ein von Verlegern, Werbekunden oder Politikern inhaltlich unabhängiges Magazin und mit ihren satirischen Texten, humoristischen, künstlerischen Zeichnungen und Comics unverzichtbarer Bestandteil der deutschen Presselandschaft. Mit den Waffen der Satire ist die Redaktion stets bereit, mal lustig oder erschreckend, einfach albern oder absurd, im wahrsten Sinne des Wortes „endgültige Satire“ zu betreiben und mit einem klaren „Ja zum Nein“ gegen alles und jeden grenzenlos anzulachen. Dafür stehen auch die zahlreichen Manöver der Redakteure und Mitarbeiter, die für großes, teils internationales Aufsehen sorgten. Angefangen vom Buntstiftlecker Bernd Fritz 1988 in Wetten dass..? über den Bestechungsskandal um die Fußball WM-Vergabe an Deutschland 2006 bis hin zur Falschmeldung der Bildzeitung aufgrund gefälschter Mails (#miomiogate) im vergangenen Jahr. Der verlängerte politische Arm der Redaktion, „Die PARTEI“, gegründet 2004 vom damaligen Chefredakteur Martin Sonneborn, mischt zudem unverfroren den Politikbetrieb auf und sorgt mit satirischen Coups für immer neue Schlagzeilen. Nur zehn Jahre nach der Gründung wurde Sonneborn erstmals zum Mitglied des EU Parlaments gewählt. 2019 wurde er im Amt bestätigt. Der sensationelle Wahlerfolg mit 2,4 % der Stimmen verhalf auch Kabarettist Nico Semsrott als Vertreter der PARTEI in das EU Parlament.

Im Treppenhaus werden die Titanic-Titel als "Treppenwitze" genutzt.. ©  Foto: Diether  v Goddenthow
Im Treppenhaus werden die Titanic-Titel als „Treppenwitze“ genutzt.. © Foto: Diether v Goddenthow

Jeweils 50.000 D-Mark hatten die fünf Gründer und Herausgeber investiert, um mit einer Sperrminorität dem ersten Verleger Gerhard Sondermann (bis 1988) wie auch Erik Weihönig (bis 2005) jedes inhaltliche Mitspracherecht zu verweigern. Ein bundesweit einmaliges Redaktionsstatut, das es der Redaktion zudem erlaubt, das eigene Personal, bis hin zum Chefredakteur, zu bestimmen.

2006 wurde der Gesellschaftervertrag erneut geändert. Aktuell sind Achim Greser, Achim Frenz, Oliver Maria Schmitt, Martin Sonneborn, Hans Zippert und Patric Feest (Geschäftsführer) Herausgeber des Hefts. Die Chefredaktion, seit Ende 2018 besetzt durch Moritz Hürtgen, wechselt turnusgemäß alle 5 Jahre.

Ein wesentlicher Bestandteil des Magazins sind neben festen Kolumnen und Rubriken (u.a. Briefe an die Leser, Humorkritik, Vom Fachmann für Kenner) Karikaturen, humoristische Zeichnungen und Comics. Zunächst gezeichnet von den Mitgliedern der Neuen Frankfurter Schule, Robert Gernhardt, F. K. Waechter, Hans Traxler, Chlodwig Poth und F.W. Bernstein, ebenso wie von Manfred Deix, Gary Larson, John Callahan, Ernst Kahl und Rattelschneck, nach 2000 auch von Katz und Goldt, Greser & Lenz, Kamagurka, Rudi Hurzlmeier, Stephan Rürup, Rattelschneck, Eugen Egner und bis August 2004 Bernd Pfarr.

Boshafte Impression der Ausstellung. ©  Foto: Diether  v Goddenthow
Boshafte Impression der Ausstellung. © Foto: Diether v Goddenthow

Insbesondere die bislang erschienenen 480 Titelbilder, die selten auf eine ihnen zugehörige Titelgeschichte verweisen, zeigen, dass sich selbst kaufmännische Interessen dem Anspruch der schonungslosen, endgültigen Satire unterzuordnen haben. Viele Frontseiten sind einem breiten Publikum, das weit über die Stammleserschaft hinausgeht, bekannt und in Erinnerung geblieben.

Mit der nunmehr legendären und fiktionalen „Zonen-Gaby“, die unter Freudentränen eine geschälte Gurke („Meine erste Banane“) präsentiert, erschufen die TITANIC-Redakteure 1989 eine Kult Karikatur, die zu einem populären Poster- und Postkartenmotiv avancierte und es auch später in Varianten auf den Titel schaffte. Unvergessen auch das lange „bevorzugte Titelmodell“ (Hans Zippert): Helmut Kohl. 1981 erstmalig bezeichnet als „birnenförmiger Humorist“ aus Mainz, mit Stängel und zwei Blättern ins Bild gesetzt von Hans Traxler, schaffte er es seit 1982 regelmäßig auf das Cover.

Ausstellungsimpression. ©  Foto: Diether  v Goddenthow
Ausstellungsimpression. © Foto: Diether v Goddenthow

Zum 40. Jubiläum des endgültigen Satiremagazins und zum 30. Jahrestag von Zonen-Gabys Mauerfall-Glück verfolgt die Ausstellung des Caricatura Museums den satirischen TITANICGegenentwurf zur deutschen Wiedervereinigungsgeschichte und begleitet damit auch, wie oben bereits erwähnt,  den verzweifelten Versuch der Redaktion, die Mauer wieder aufzubauen.

In den Räumen des Caricatura Museums am Weckmarkt in Frankfurt werden rund 220 Titel präsentiert – darunter Originale von F. K. Waechter, Hans Traxler, Robert Gernhardt, Chlodwig Poth, F. W. Bernstein, Hilke Raddatz, Rudi Hurzlmeier, Franziska Becker, Wolfgang Herrndorf, Ernst Kahl, Michael Sowa, Greser & Lenz, Stephan Rürup und Leo Riegel. Gezeigt werden zudem einzigartige Originalrequisiten, wie die berühmte halb geschälte Gurke der Zonen-Gaby sowie eine Selfie-Station, die die Besucher dazu einlädt, Titelmotive nachzustellen.

©  Foto: Diether  v Goddenthow
© Foto: Diether v Goddenthow

Caricatura Museum Frankfurt
Museum für Komische Kunst
Weckmarkt 17
60311 Frankfurt am Main
caricatura.museum@stadt-frankfurt.de
www.caricatura-museum.de

 

Begleitbuch

Zur Ausstellung erscheint das Buch „TITANIC – Das endgültige Titel-Buch“ 40 Jahre Titanic sind 480 durch feinen Humor geadelte Titel, 444.000 herzliche Briefe an die Leser, 4.000 komische Kunstwerke, 4 Millionen grenzwertige Witze und Karikaturen, 40.000 irre Fotocollagen (Schätzwerte); kurz: 40 Jahre deutsche Geschichte, wie sie hätte sein sollen.

Was wäre die Wiedervereinigung ohne Zonen-Gaby? „Wetten, dass“ ohne den Buntstiftlutscher? Die SPD ohne die Roten Strolche? Helmut Kohl ohne Birne? Die FDP ohne Genschman? Und was wäre Deutschland ohne die TITANIC? Das sind die brennenden Fragen, die sich bei einem 40. Geburtstag einfach stellen. Dieses Buch beantwortet sie. Endgültig und opulent in Schrift und Bild, wie es seit 40 Jahren in der Titanic Tradition ist. Erstmals und exklusiv werden alle Titel der letzten 40 Jahre aufwendig restauriert abgebildet. 480 Titel, denen nichts heilig ist: ob gewählte Diktatoren oder dauerregierende Demokraten, ob Politiker, Priester oder Promis, ob Hitler, Kohl, Die roten Strolche von der SPD, Merkel oder der Pinkelpapst, nicht mal Jesus, Buddha, Krishna oder der vom Islam, ja nicht mal Helmut Schmidt und erst recht nicht Deutschland. Stets nach dem Motto: »Die endgültige Teilung Deutschlands – das ist unser Auftrag.« (Chlodwig Poth) (Antje Kunstmann Verlag)

TITANIC – Das endgültige Titel-Buch
40 Jahre nur verarscht!
Herausgegeben von Tim Wolff, Martina Werner, Hardy
Burmeier, Leonard Riegel
Verlag Antje Kunstmann
416 Seiten, vollfarbig
40 EUR, ISBN 978-3-95614-330-4