Brillant und in Bestform: Nick Cave & The Bad Seeds in der Frankfurter Jahrhunderthalle


In Top-Form präsentierten sich Nick Cave & The Bad Seeds kürzlich in der Jahrhunderthalle in Frankfurt-Höchst.

Angesichts von 16 Studioalben konnte die Band aus dem Vollen schöpfen und bestritt ein 135-minütiges Programm ohne Vorgruppe. Dies dankten die mehr als 4.000 Fans, die dafür verantwortlich waren, dass das Konzert bereits im Februar innerhalb von zwei Wochen ausverkauft war. Einzig Tickets für Sitzplätze im oberen Rang gab es noch an der Abendkasse. Im Mittelpunkt des Auftritts stand das aktuelle Album von Nick Cave & The Bad Seeds, das vor einem Jahr veröffentlichte „Skeleton Tree“. Sieben Stücke, und damit mehr als ein Drittel der inklusive Zugaben 18 gespielten Songs, stammten daraus, melancholische Werke, die unter dem Eindruck des Todes von Nick Caves Sohn Arthur standen, der im Sommer 2015 15-jährig unter LSD-Einfluss von einer Klippe stürzte.

Der Opener des Abends, „Anthrocene“, wird frenetisch bejubelt, und Cave, wie üblich in schwarzem Maßanzug und weißem Hemd, nimmt vom ersten Moment an Kontakt mit dem Publikum auf. Wie ein Schlangenbeschwörer gestikuliert er immer wieder am Bühnenrand über den Händen, die sich ihm dutzendfach entgegenrecken, ergreift sie und lässt sie etwa beim „Higgs Boson Blues“ tatsächlich seinen Herzschlag fühlen, während er sich in die Zeile „Can you hear my heart beat?“ hineinsteigert und ein scheinbar endloses „Boom Boom Boom“ wiederholt. Zwischen die jüngsten Songs gesellt sich Altbekanntes aus der langen Karriere des mittlerweile 60-jährigen Künstlers wie „The Mercy Seat“, „Red Right Hand“ und „From Her to Eternity“. Auch hier stehen die großen Themen wie Liebe, Eifersucht, Hoffnung, Leidenschaft, Vergänglichkeit, Tod und Verlust im Vordergrund. Cave, der begnadete Geschichtenerzähler und Poet – ihm fehlen die Worte angesichts des Todes des eigenen Sohnes, und das spiegelt sich auch in den neueren Songtexten wider, die weniger narrativ als assoziativ daherkommen.

Balladen wechseln sich mit treibenden Stücken ab. Dabei sorgen die sechs Mann starken Bad Seeds für einen präzisen Klang, allen voran Thomas Wydler am Schlagzeug, unterstützt von Jim Sclavunos an Percussion und Orgel und Martyn Casey am Bass. Warren Ellis, als kongenialer Kompositionskollege Caves seit 1997 im Boot, ist vor allem für den flirrend-schwebenden Sound der neueren Stücke seit dem Album „Push the Sky Away“ verantwortlich. Er wirbelt über die Bühne, malträtiert seine Geige, spielt sie über weite Strecken wie eine Gitarre und entlockt ihr Dissonanzen. Dazwischen wechselt er oft ans Klavier. Auch Nick Cave übernimmt kurze Intermezzi am Piano, ist dann aber wieder am Bühnenrand zu finden, läuft die gesamte Länge der Bühne ab und zeigt sich leichtfüßig in bester Kondition. Mit seiner stimmigen Performance übertrifft er alle Erwartungen der Fans. Doch der Höhepunkt sollte erst bei den Zugaben kommen, die von „The Weeping Song“ eröffnet werden. Plötzlich bahnt sich Cave einen Weg durch das staunende Publikum, lässt sich auf dessen Händen tragen und fordert die Umstehenden auf, das Stück mit stakkatohaftem Klatschen zu akzentuieren. Beim folgenden „Stagger Lee“ nimmt er mehrere Dutzend Fans mit auf die Bühne, wo sie den Australier zum Finale des unvergesslichen und an Intensität kaum zu überbietenden Konzertabends feiern, während sich dieser mit „Push the Sky Away“ vom begeisterten Publikum verabschiedet.

(Jutta Ziegler /Rhein-Main.Eurokunst)