Bilderzauberei vor Erfindung der Fotographie – ab 9. Juli Landesmuseum Darmstadt

Dr. des. Simone Kaiser, Ausstellungskuratorin, und Kai Boysen. Experte historischer optischer Geräte u. Betreuer des Physikalischen Kabnitts begrüßen die Museumsbesucher. Hier posieren sie für das Foto hinter einem mobilen Guckkastentheater des 18. Jahrhunderts, welches mit eigens zahlreich angefertigten farbigen Kupferstichen betrieben und dem damaligen Zeitgenossen die "Welt" in den Salon holte. © massow-picture
Dr. des. Simone Kaiser, Ausstellungskuratorin, und Kai Boysen. Experte historischer optischer Geräte u. Betreuer des Physikalischen Kabnitts begrüßen die Museumsbesucher. Hier posieren sie für das Foto hinter einem mobilen Guckkastentheater des 18. Jahrhunderts, welches mit eigens zahlreich angefertigten farbigen Kupferstichen betrieben und dem damaligen Zeitgenossen die „Welt“ in den Salon holte. © massow-picture

 

Gebrochenes Licht – Bildzauberei mit Instrumenten und Bildern des Physikalischen Kabinetts. Neue Sonderausstellung im Hessischen Landesmuseum Darmstadt vom 9. Juli bis 4. Oktober 2015.

Bei der Ausstellung „Gebrochenes Licht“ steht die Entwicklung optischer Geräte und ihre Nutzung für Kunst und Bildererleben im Vordergrund. Die exquisite hochkarätige Sonder-Show historischer optischer Geräte-Raritäten  ist eine kleine Retrospektive auf die Kunst der Bildzauberei. Es geht um unsere Kulturgeschichte des Sehens, um die Anfänge einer Revolution. Das Physikalische Kabinett des Hessischen Landesmuseums Darmstadt besitzt eine Reihe seltener Bildzaubermaschinen. Vor über 200 Jahren versammelte man sie hier: dunkle und helle Kammern, Zauberlaternen und Guckkästen. Sie erzeugen besondere Seheffekte durch den Einsatz von Linsen. In ihnen bricht sich das Licht. Durch sie hindurch betrachtet man die Welt mit anderen Augen.

Zum Jahr des Lichts und der lichtbasierten Technologien 2015 präsentieren sich Highlights aus diesem Sammlungsbereich nun erstmals gemeinsam in einer Ausstellung. Im Fokus stehen die populären Kulturformen, die sich im 18. Jahrhundert mit solchen Instrumenten und Bildern entwickelten. Sie veranschaulichen die allgemeine Freude am Experiment und den besonderen sinnlichen Zauber der damaligen Bildbetrachtung durch die Linse.

Das Physikalische Kabinett des Hessischen Landesmuseums Darmstadts gehört zum ältesten Bestand des Museums. Gegründet wurde es von Ludwig X., dem späteren Großherzog Ludewig I. von Hessen-Darmstadt (1753–1830). Ab 1808 übertrug er seinem Patensohn, dem Mathematiker und Physiker Ludwig Johann Schleiermacher (1785–1844), die Leitung des Physikalischen Kabinetts. Schleiermacher hielt mit dieser damals lebendigen Lehrsammlung öffentliche Vorträge, die bei den Darmstädtern sehr beliebt waren.

Unter den Schlagwörtern SEHEN, ZEICHNEN, ZEIGEN, SCHAUEN werden ausgewählte Bildzauberwerke dieses Bestandes nun in der Karl-Freund-Galerie präsentiert. Die vier Kabinetträume zeigen Aspekte der Funktion und Entstehungsgeschichte der verschiedenen Geräte zur Bilderzeugung und -betrachtung.

SEHEN
Hier wird der rasante Aufstieg der Optik zu einer der wichtigsten Wissenschaften in der frühen Neuzeit angesprochen und wie dies in Zusammenhang steht mit der Erfindung und Weiterentwicklung neuer optischer Sehgeräte – nämlich Lochkameras mit Linsen, Zauberlaternen und Guckkästen.

ZEICHNEN

Pyramidale Camera obscura. Samuel Gottlieb Hofmann (1726-1801), Leipzig, nach 1785. Birkenholz gebeizt, Objektive aus Nussbaumholz, farbiges Papier, Glas, Seide. Inv. Nr. Ph.C.57/30. Foto: Wolfgang Fuhrmannek
Pyramidale Camera obscura. Samuel Gottlieb Hofmann (1726-1801), Leipzig, nach 1785. Birkenholz gebeizt, Objektive aus Nussbaumholz, farbiges Papier, Glas, Seide. Inv. Nr. Ph.C.57/30. Foto: Wolfgang Fuhrmannek

Die wichtige Funktion dunklen Kammer (Camera obscura) als Zeichenhilfe steht hier im Zentrum. Maler nutzten sie als Studieninstrument, zur Beobachtung von besonderen Farb- und Lichtverhältnissen. Graphiker konnten damit schneller perspektivische Ansichten oder wissenschaftliche Illustrationen herstellen.

ZEIGEN
Dieser Bereich vermittelt die Funktionsweise der Zauberlaterne (Laterna magica) sowie die Themeninhalte und Formen der Vorführung optischer Geräte. Im 18. Jahrhundert waren solche Bildvorführungen gerade beim einfachen Volk, das außer in der Kirche keinen Zugang zu Bildern hatte, eine bedeutende hochbeliebte Unterhaltungsform.

SCHAUEN

Zograskop: Anders als das Guckkastentheater, bei dem der Betrachter durch eine Linse direkt auf colorierte Kupferstiche schaut, basiert das Zograskop auf Spiegelbasis. Der Betrachter schaut durch die Linse auf ein hochgespiegeltes Bild. Nach diesem Prinzip arbeiteten die späteren Spiegelreflexkameras. © massow-picture
Zograskop: Anders als das Guckkastentheater, bei dem der Betrachter durch eine Linse direkt auf colorierte Kupferstiche schaut, basiert das Zograskop auf Spiegelbasis. Der Betrachter schaut durch die Linse auf ein hochgespiegeltes Bild. Nach diesem Prinzip arbeiteten die späteren Spiegelreflexkameras. © massow-picture

Das visuelle Erlebnis der für verschiedene Typen von Guckkästen hergestellten Graphiken und ihr Produktionskontext stehen hier im Vordergrund. Übergeordnetes Thema der Bilder ist die „Weltreise für Jedermann“.

Das Erlebnis des Gebrauchs der Exponate wird durch eine mediale Unterstützung in Form von Filmen ermöglicht. So kann der Besucher Funktionsweise und optische Wirkung nachvollziehen. Der Freude am Experiment trägt zudem eine Außeninstallation Rechnung: Vor dem Museum steht ein Baustellenwagen, der zu einer begehbaren Camera obscura umgebaut wurde. Über eine drehbare Linsen-Spiegel-Konstruktion kann der Besucher das Panorama rund um den Karolinenplatz in der dunklen Kammer erleben. (Sie kann nur mit geführten Besichtigungen besucht werden.)

Die Ausstellung „Gebrochenes Licht“ stellt die Wahrnehmungsästhetik der Bildbetrachtung durch Linsen in den Vordergrund. Sie konzentriert sich auf den sinnlichen Reiz, den sie im 18. Jahrhundert und Anfang des 19. Jahrhunderts ausübten. Was sich damals Bahn brach, hat uns in das Digitalzeitalter geführt. Welten liegen zwischen damaligen und heutigen visuellen Reizen. Doch Licht, Freude und Neugier erleuchten auch heute noch unsere Augen. Sie waren und bleiben die grundlegende Voraussetzung für Wissenschaft, Kunst und Kultur des Menschen.

Rahmenprogramm

Gebrochenes Licht
Bildzauberei mit Instrumenten und Bildern des Physikalischen Kabinetts

Laufzeit: 9. Juli bis 4. Oktober 2015

Öffentliche Themenführungen
Sonntag, jeweils 11.30 Uhr
12.07. mit Dr. des. Simone Kaiser
19.07. mit Günter Sauer
26.07. mit Kai Boysen
06.09. mit Almut Rüllmann M. A.
13.09. mit Dr. des. Simone Kaiser
20.09. mit Almut Rüllmann M. A.
27.09. mit N.N.
04.10. mit Almut Rüllmann M. A.

Sonderveranstaltung am Tag des Lichts

Sonntag »Tag des Lichts«
13.09. 11.00–17.00 Uhr
Besichtigung der Außeninstallation – ein Baustellenwagen als begehbare Camera obscura (Unterstützung durch ehrenamtliche Mitarbeiter/innen)

11.30 Uhr
Öffentliche Führung
mit Dr. des. Simone Kaiser

13.00 und 15.30 Uhr
Physikalische Vorlesung nach Ludwig Johann Schleiermacher (1785–1844)
mit Kai Boysen, EfD und Günter Sauer, EfD

15.00 und 16.00 Uhr
Tanzperformance »Dream.F.H« – ein phantasmagorisches Spektakel mit Yaron Shamir
max. 25 Teilnehmer pro Aufführung, Teilnahmekarten am Veranstaltungstag an der Museumskasse

Hessisches Landesmuseum Darmstadt
Friedensplatz 1
64283 Darmstadt