Beschaffenheit des Himmels. Altarmalerei am Mittelrhein vom 13. bis 16. Jahrhundert ab 24. April 2018 im Landesmuseum Darmstadt


Beschaffenheit des Himmels. Altarmalerei am Mittelrhein vom 13. bis 16. Jahrhundert
24. April bis 22. Juli 2018

Die Ausstellung in der Gemäldegalerie präsentiert vom 24. April bis 22. Juli 2018 14 Altaraufsätze, Retabelfragmente sowie Einzeltafeln, die beispielsweise aus Friedberg, Nieder-Erlenbach, Ortenberg, Siefersheim, Seligenstadt, Wolfskehlen und Worms in die Darmstädter Sammlung gelangten. Sie entstanden zwischen 1260 und 1505 und wurden, wie die Forschung der letzten Jahrzehnte zeigt, in den damaligen Kunstzentren der Mittelrheinregion Koblenz, Mainz, Frankfurt/M. und Worms gefertigt. In der Präsentation werden die Altarretabel, die somit zum kostbaren Kernbestand der Darmstädter Sammlung gehören, entsprechend ihrer Entstehungszentren neu gruppiert.

Die Besucher können sie durch spannungsreiche Blickbezüge, Rekonstruktionszeichnungen, kunsttechnische Kopien und mediale Inszenierungen wieder und neu entdecken. Leihgaben aus Basel, Boppard, Frankfurt/M., München und Oberwesel stehen im direkten Werkzusammenhang mit den Darmstädter Stücken und ergänzen die Schau.

Sammlungsbestand
Genau vor 200 Jahren erließ der Museumsgründer Großherzog Ludewig I. (1753-1830) auf Initiative des Darmstädter Architekten Georg Moller (1784-1852) im Großherzogtum Hessen-Darmstadt das erste Denkmalschutzgesetz Deutschlands. Angeregt durch diese Verordnung gelangten primär im Laufe des 19. Jahrhunderts zahlreiche Ausstattungsstücke aus Kirchen und säkularisierten Klöstern Hessens und der Mittelrheinregion in die großherzogliche Galerie.

Forschungsprojekt
Der altdeutsche Tafelmalereibestand in Darmstadt ist von überragendem Niveau.
Unter dem Titel „Kunst- und Technologietransfer in Hessen und am Mittelrhein in Spätmittelalter und Früher Neuzeit auf der Grundlage des Gemäldebestandes des Hessischen Landesmuseums Darmstadt“ wurden 2013 bis 2018 die 14 Mittelrheinwerke im Kontext des gesamten altdeutschen Tafelmalereibestandes (79 Werke, ca. 177 Flächen) erstmals systematisch kunsthistorisch und kunsttechnologisch untersucht. Die VolkswagenStiftung förderte das gemeinsam mit der Städel-Kooperationsprofessur der Goethe-Universität Frankfurt a. M. und der Hochschule für Bildende Künste in Dresden durchgeführte Projekt. In der zweiten Jahreshälfte werden die Ergebnisse in einem gedruckten Bestandskatalog vorgelegt.

Himmel
Die Ausstellung zeigt eine heute fremd erscheinende Bildwelt. Zugleich deckt sie auf, was die Retabel den Menschen in ihrer Entstehungszeit bedeuteten. Die musealen Kunstwerke sind fern ihrer einstigen sakralen Bestimmungsorte, besaßen jedoch im Spätmittelalter Funktionen im Gottesdienst und für die Frömmigkeit der Gläubigen. Gottesdienste führten Mensch und Gott, Erde und Himmel zusammen. Mit dem Himmel verband man das Jenseits und ewiges Leben bei Gott. Theologen wie Laien sahen das Himmelreich bevölkert von Engeln und Märtyrern die in göttlicher Ordnung um Jesus, Maria und die Apostel, versammelt waren. Die Altartafeln zeigen die göttliche Sphäre in leuchtenden Farben und Goldgrund und spiegeln bis ins Material hinein die theologischen Vorstellungen der Zeit wider. Für die Ausstellung wurden Kerzenlichtfilme produziert, die eine Ahnung davon vermitteln, wie die Menschen damals die Werke wahrnahmen. Die in leuchtenden Farben aufgemalten Darstellungen erhielten ein Eigenleben innerhalb der reliefierten und punzierten Goldgründe – Materielles wurde immateriell und transzendent.

Beschaffenheit
Die technologische Untersuchung der Bilder fasziniert ebenso wie die historische. Als Abbilder des Himmels sollten sie eine Ahnung von dessen Beschaffenheit geben. Bei Betrachtung durch das Mikroskop, der Infrarot- oder Röntgenaufnahme wird die außergewöhnlich kostbare Materialität der Tafelgemälde sichtbar. Eine wohlgeordnete Welt aus farbkräftigen Pigmenten, glänzenden oder matten Bindemitteln und kunstvoll verzierten Blattmetallen wird erkennbar. Die staunenswerte Kunstfertigkeit der Maler in den spätmittelalterlichen Werkstattbetrieben wird durch heutige Bildgebungsverfahren, fragmentarische Werke und kunsttechnologische Kopien wieder unmittelbar erlebbar.
Veranstaltungsort

Ort:

© Foto: Diether v. Goddenthow
© Foto: Diether v. Goddenthow

Hessisches Landesmuseum Darmstadt
Friedensplatz 1, 64283 Darmstadt
Karl-Freund-Galerie
www.hlmd.de
www.facebook.com/HessischesLandesmuseumDarmstadt
www.instagram.com/landesmuseumdarmstadt
www.youtube.com/user/PresseHLMD

Laufzeit:
24. April bis 22. Juli 2018

Öffnungszeiten:
Dienstag, Donnerstag, Freitag 10.00 – 18.00 Uhr
Mittwoch 10.00 – 20.00 Uhr

Samstag, Sonn- und Feiertag 11.00 – 17.00 Uhr
Montag geschlossen
Pfingstmontag geöffnet 11.00 – 17.00 Uhr

Eintritt:
Erwachsene 6, ermäßigt 4 Euro
Das Ticket berechtigt auch zum Besuch der Ständigen Sammlung.
Kinder und Jugendliche bis 18 Jahren haben freien Eintritt.

Gruppen- und Einzelführungen:
Individuelle Buchung beim Besucherservice Bildung und Vermittlung unter: Telefon: +49 (0) 6151 1657-111, Mail: vermittlung@hlmd.de
Anmeldungen auch für Gruppen ohne gebuchte Führung erforderlich! Die Führungen sind auf 25 Personen beschränkt.
Erreichbarkeit: Dienstag und Freitag 10.00 – 12.00 Uhr, Mittwoch 14.00 – 16.00 Uhr
pro Führung und Gruppe: 60 Euro zzgl. Eintritt, fremdsprachig: 70 Euro zzgl. Eintritt

 

Altarmalerei am Mittelrhein vom 13. bis 16. Jahrhundert

Nieder-Erlenbacher Altar, Nikolaus Schit_1497. HMLD Foto Wolfgang Fuhrmannek
Nieder-Erlenbacher Altar, Nikolaus Schit_1497. HMLD Foto Wolfgang Fuhrmannek

Mainz

Im Herzen der Mittelrheinregion liegt die alte Bischofsstadt Mainz. Dort fertigte eine Großwerkstatt um 1260 die beidseitig bemalten Wormser Tafeln. Sie zählen zu den frühesten erhaltenen Flügeln eines wandelbaren Retabels nördlich der Alpen. Drei Studentinnen des Studiengangs Kunsttechnologie, Konservierung und Restaurierung von der Hochschule für Bildende Künste in Dresden erstellten kunsttechnische Kopien des rechten Flügels. Diese Kopien veranschaulichen den hohen Aufwand und das Know-how mit dem die Wormser Tafeln hergestellt worden sind.

Um 1370-80 war Tafelmalerei als kunst- und lehrreicher Bilderschmuck am Altar etabliert und der Hochaltar der Pfarrkirche „Unsere Liebe Frau“ in Friedberg erhielt ein monumentales Retabel. Wie Stilanalyse und Infrarotaufnahmen bestätigten, arbeiteten an diesem komplexen heilsgeschichtlichen Bildprogramm mehrere Maler und Gehilfen zusammen. Vorgestellt werden die massive Tafelkonstruktion und die Glanzleistung des größten Retabels in Darmstadt: die punzierten Goldhintergründe.

Das ästhetisch, künstlerisch und materialtechnisch herausragende Kunstwerk des Bestandes ist der um 1420 entstandene Ortenberger Altar. Beleuchtet werden die Provenienzfrage, die Fassungen der Flügelaußenseiten, der großflächige Einsatz von Blattmetallen und die Ikonographie, die Rückschlüsse auf Auftraggeber und Rezipienten erlaubt. Daneben zeigen wir eine Kopie (um 1430-40) des rechten Retabelflügels mit der Königsanbetung aus der Aschaffenburger Galerie. Der Ortenberger Altar entstammt einer produktiven Werkstatt, die neu charakterisiert werden kann.

KOBLENZ

Am nördlichen Mittelrhein schuf vermutlich eine Koblenzer Malerwerkstatt um 1400-1410 den von Köln beeinflussten Siefersheimer Altar. In Darmstadt ist nur die Mitteltafel erhalten. Im Museum Boppard machte die Forschung den rechten Retabelflügel ausfindig. Dieser rechte Flügel und die Mitteltafel sind seit Jahrhunderten erstmals wieder vereint und als ehemaliges Hochaltarretabel der Bopparder Karmeliterkirche rekonstruierbar.

FRANKFURT AM MAIN

Das Pendent zur Bischofsstadt Mainz, dem geistlichen Mittelrheinzentrum, bildete die Messestadt Frankfurt/M. Hier entstand um 1430 der Kleine Friedberger Baldachinaltar. Er führt uns ein weiteres Kunstwerk aus der Friedberger Liebfrauenkirche vor Augen, dass zudem mit einem damals überregional bedeutenden Gnadenbild, der etwa 100 Jahre früher entstandenen Muttergottes mit dem Jesuskind, ausgestattet ist. Der Baldachinaltar besaß einen Unterbau und die Madonna einen Sockel, die rekonstruiert wurden.

Die Tafel mit der Marienkrönung und Grablegung gehörte zu einem großen Marienaltar. Er wurde wohl von dem Frankfurter Meister Conrad I. Fyoll in den Jahren 1467-69 für das Prämonstratenserkloster Selbold (Main-Kinzig-Kreis) angefertigt. Die jüngere Forschung belegte dies anhand einer in der gleichen Werkstatt gemalten Grablegung Christi (Hist. Mus. Frankfurt/M.). Beide Tafeln werden erstmals nebeneinander präsentiert. Sie bezeugen eine einst bedeutende Frankfurter Malerwerkstatt im dritten Viertel des 15. Jahrhunderts.

Der Nieder-Erlenbacher Altar ist auf dem Bildrahmen in das Jahr 1497 datiert. Er wurde vermutlich von dem Frankfurter Maler Nikolaus Schit für die kleine Pfarrkirche im gleichnamigen heutigen Frankfurter Stadtteil angefertigt. Das Bildprogramm zeugt nicht nur von der außergewöhnlichen Kunstfertigkeit Schits, sondern verdeutlicht, wie sehr die Druckgraphik Ende des 15. Jahrhunderts das ultimative Vorlagen-Medium in Malerwerkstätten geworden ist.

WORMS

Für die 11 km von Darmstadt entfernte Wolfskehler Pfarrkirche ließ der ortsansässige Adel dieses Schreinretabel anfertigen. Es kam 1821 als erster vollständiger Altaraufsatz in die Darmstädter Sammlung. Die Forschungen bestätigten, dass der Wolfskehler Altar in einer Wormser Werkstatt angefertigt wurde. Dieses Werk vom südlichen Mittelrhein, das durch die fast lebensgroßen Skulpturen von Maria, Petrus und Thekla eine besonders realitätsnahe Ausstrahlung besitzt, bildet den Abschluss der Ausstellung.

 

RAHMENPROGRAMM

Beschaffenheit des Himmels
Altarmalerei am Mittelrhein vom 13. bis 16. Jahrhundert

24. April bis 22. Juli 2018

Öffentliche Themenführungen
Alle Führungen kostenfrei (lediglich Sonderausstellungseintritt), max. 25 Teilnehmer pro Führung, Teilnahmekarten am Veranstaltungstag an der Museumskasse

Mittwoch
25.4., 18.30 Uhr
mit Almut Rüllmann, M. A.

Freitag
18.5., 11.00 Uhr
mit Dr. Thomas Foerster

Sonntag
27.5., 11.30 Uhr
mit Almut Rüllmann, M. A.

Freitag
15.6., 11.00 Uhr
mit Dr. Thomas Foerster

Mittwoch
4.7., 18.30 Uhr
mit Carien Walter

Sonntag
22.7., 11.30 Uhr
mit Carien Walter

Vorträge
Mittwoch 9.5., 18.30 Uhr
»Der Wolfskehler Altar«
von Dr. des. Hilja Droste, Johann Wolfgang von Goethe-Universität Frankfurt am Main

Mittwoch 11.7., 18:30 Uhr
»Der Nieder-Erlenbacher Altar und weitere Werke von Nikolaus Schit, einem Zeitgenossen Albrecht Dürers«
von Dr. Michaela Schedl, Johann Wolfgang von Goethe-Universität Frankfurt am Main

Museumskolleg für kunst- und kulturgeschichtliche interessierte Erwachsene
Freitag 4.5.
16.00 – 17.30 Uhr
»Altarmalerei am Mittelrhein – Formen, Funktionen, Kontexte«
mit Dr. Anna Eifert und Dr. Thomas Foerster

Freitag 18.5.
16.00 – 17.30Uhr
»Fallstudie Wormser Tafeln: Kunstgeschichte und Kunsttechnologie«
mit Dr. Anna Eifert, Dr. Thomas Foerster und Dipl. Rest. Susanne Voigt

Freitag 1.6.
16.00 – 17.30 Uhr
»Werkgruppen, Malerwerkstätten und Meister«
mit Dr. Anna Eifert und Dr. Thomas Foerster

Freitag 29.6.
16.00 – 17.30 Uhr
»Fallstudie Großer Friedberger Altar: die Erforschung des Kunst- und Technologietransfers in Hessen und am Mittelrhein«
mit Dr. Anna Eifert, Dr. Thomas Foerster und Christine Weber, M. A.

Leitung: Dr. Anna Eifert

max. 15 Teilnehmer
Kostenbeitrag für ein Kolleg mit 4 Terminen: 48 Euro pro Person
Paare und Familien: erster Teilnehmer zahlt vollen Preis, jeder weitere die Hälfte
Studierende, Arbeitsuchende gegen Nachweis zahlen die Hälfte der Kursgebühren
Weitere Informationen s. Ausstellungsfolder

Workshop
»Kleine Einführung in die Technik des Vergoldens«
Vergolden mit Blattgold
Sonntag 29.4.2018, 11.00 – 17.00 Uhr

Im Rahmen des eintägigen Kurses wird die grundlegende Technik der Ölvergoldung Schritt für Schritt erlernt. Jeder Teilnehmer nimmt als Ergebnis ein selbst vergoldetes Werkstück mit nach Hause. Es können auch eigene kleine Gegenstände, z. B. aus Holz, zum Vergolden mitgebracht werden. Die nötigen Werkzeuge werden gestellt. Das benötigte Blattgold erwirbt man vor Ort.

Leitung: Renate-Charlotte Hoffmann, M. A. (Vergoldermeisterin)
Kosten: 50 Euro zzgl. 25 Euro für das Büchlein »Blattgold«
max. 6 Teilnehmer
Anmeldung und Beratung: T06151 1657-111 oder vermittlung@hlmd.de

Ort:

© Foto: Diether v. Goddenthow
© Foto: Diether v. Goddenthow

Hessisches Landesmuseum Darmstadt
Friedensplatz 1, 64283 Darmstadt
Karl-Freund-Galerie
www.hlmd.de
www.facebook.com/HessischesLandesmuseumDarmstadt
www.instagram.com/landesmuseumdarmstadt
www.youtube.com/user/PresseHLMD

Buchung von Gruppen- und Individualführungen
Kosten: eine Führung 60 Euro zzgl. Eintritt; fremdsprachig 70 Euro zzgl. Eintritt
Anmeldung mindestens zwei Wochen vor dem geplanten Museumsbesuch.
Servicetelefon: T 06151 1657-111 (Dienstag und Freitag 10.00 – 12.00 Uhr,
Mittwoch 14.00 – 16.00 Uhr) oder E-Mail: vermittlung@hlmd.de