Ausstellung Fische und Marine Reptilien neu gestaltet – 240 Mio. Jahre alte Pflasterzahnechse feiert 100. Ausgrabungsgeburtstag im Senckenberg-Naturmuseum

Eines der spektakulärsten Stücke des Senckenberg-Naturmuseums, die Pflasterzahnechse Placodos gigas feiert punktgenau ihren 100. Grabungsgeburtstag mit der Wiedereröffnung des modernisierten Ausstellungsbereichs "Fische und Marine Reptilien". Hier huldigt eine erste Gratulantin der Urzeitechse ganz begeistert. © massow-picture
Eines der spektakulärsten Stücke des Senckenberg-Naturmuseums, die Pflasterzahnechse Placodos gigas feiert punktgenau ihren 100. Grabungsgeburtstag mit der Wiedereröffnung des modernisierten Ausstellungsbereichs „Fische und Marine Reptilien“. Hier huldigt eine erste Gratulantin der Urzeitechse ganz begeistert. Bei dem Placodus gigas handelt es sich um eine ungepanzerte Pflasterzahnechse. Die gepanzerten Pflasterzahnechsen sehen großen Schildkröten ähnlich, siehe weiter unten!. © massow-picture

Neues Heim zum 100sten Grabungsgeburtstag –
Ausstellungsbereich Fische und Marine Reptilien neu gestaltet

Auch die Plesiosaurier (griechisch plēsios „nahe, fast“; sauros „Echse“: Fast-Echsen) wurden ein wenig aufpoliert und feiern mit. Sie haben eine schlanke Form mit sehr kleinem Kopf und langem Hals. Foto: Sven Tränkner, Senckenberg
Auch die Plesiosaurier (griechisch plēsios „nahe, fast“; sauros „Echse“: Fast-Echsen) wurden ein wenig aufpoliert und feiern mit. Sie haben eine
schlanke Form mit sehr kleinem Kopf und
langem Hals. Foto: Sven Tränkner, Senckenberg

Frankfurt, den 22.10.2015. Eines der spektakulärsten Stücke des Senckenberg Naturmuseums feiert 100sten  Ausgrabungs-Jahrestag : die Pflasterzahnechse Placodus gigas. Der vor einem Jahrhundert entdeckte Meeressaurier ist als weltweit einziges Exemplar komplett erhalten. Anlässlich des Jubiläums wird der neu überarbeitete und um zahlreiche Stücke ergänzte Ausstellungsbereich „Fische und Marine Reptilien“ am 23. Oktober eröffnet. Zu den neuen Nachbarn von Placodus zählen unter anderem mehrere Skelette von Fischsauriern, Krokodilschädel und fossile Fische sowie Tintenfische. Zur Eröffnung dürfen Besucher, die an diesem Tag ihren eigenen Jahrestag – nämlich Geburtstag – feiern, kostenfrei in das Museum.

Erst als die bereits zur Schotterherstellung vorgeshenen zerschlagenen Teile  wieder in einem Gußverfahren zusammengefügt waren, konnte das Skelette dreidimensional herausgearbeitet werden. Hier betrachten den Fund (vl.) Philipe Havlik, Museumsentwicklung, Herrmann Schäfer, Designer, Dr. Bern Herkner, Museumsdirektor und Olaf Vogel, geowissenschaftlicher Präparator.© massow-picture
Erst als die bereits zur Schotterherstellung vorgeshenen zerschlagenen Teile wieder in einem Gußverfahren zusammengefügt waren, konnte das Skelette dreidimensional herausgearbeitet werden. Hier betrachten den Fund (vl.) Philipe Havlik, Museumsentwicklung, Herrmann Schäfer, Designer, Dr. Bern Herkner, Museumsdirektor und Olaf Vogel, geowissenschaftlicher Präparator.© massow-picture

Das oft unzutreffend verwendete Attribut „einzigartig“ hat Placodus gigas wahrlich verdient: Das 3 Meter lange, eigentümliche Reptil ist das weltweit einzige vollständig erhaltene Skelett dieser Art – ein Unikat. Entdeckt wurde das 240 Millionen Jahre alte Fossil in einem Steinbruch bei Steinsfurt nahe Heidelberg. „Auch die Fundgeschichte ist ungewöhnlich“, erklärt Dr. Bernd Herkner, Leiter der Abteilung Museum, und erläutert: „Die Pflasterzahnechse war in viele winzige Teile zerschlagen. Das Gestein sollte damals als Straßenschotter verwendet werden. Ein privater Sammler erkannte zufällig anhand einiger Bruchstücke den wertvollen Fund – ein Glücksfall!“ Der Mäzen Arthur von Gwinner kaufte vor 100 Jahren das Exponat für Senckenberg. Dort wurde das aus 330 Einzelknochen bestehende Fossil präpariert. Zuerst die Steinbrocken zusammengefügt, dann aus dem Stein das dreidimensionale Skelette herauspräpariert, eine Wahnsinnsarbeit.

Ihren Namen verdankt die Pflasterzahnechse den schwarzen, an Basaltpflastersteine erinnernden Backenzähne © massow-picture
Ihren Namen verdankt die Pflasterzahnechse den schwarzen, an Basaltpflastersteine erinnernden Backenzähne © massow-picture

Ihren Namen verdankt die Pflasterzahnechse ihrem ungewöhnlich aussehenden Gebiss: Mit den spatelförmigen Frontzähnen und den schwarzen, an Basalt-Pflastersteine erinnernden Backenzähnen konnte sie Muscheln abnagen und knacken (siehe Foto oben!).

 

Kraulen, Brust oder Rücken? Die Schwimmtechnik der urzeitlichen Meeressaurier wird grafisch verdeutlicht. Foto: Sven Tränkner, Senckenberg
Kraulen, Brust oder Rücken? Die Schwimmtechnik der urzeitlichen Meeressaurier wird grafisch verdeutlicht. Foto: Sven Tränkner, Senckenberg

Auch in direkter Nachbarschaft schlummern Schätze, denen T-Rex und Co. zu Unrecht häufig die Schau stehlen. Die Dichte der Originale ist im Meeressaurierraum besonders hoch: Der fünf Meter lange Raubfisch Xiphactinus weist als einziges Exemplar dieser Art ein fast vollständiges Schuppenkleid auf. Auch das Skelett einer Meeresschildkröte, die vor 30 Millionen Jahren in Flörsheim am Main lebte, ist weltweit einzigartig. Ein Fischsaurierweibchen aus der Zeit vor 183 Millionen Jahren beweist, dass diese Meeresreptilien einst lebendige Jungtiere zu Welt brachten: das Muttertier ist mit dem Embryo im Körper versteinert worden.

Philipe Havlik, Zentrale Museumsentwicklung, erläuterte die Exponate in den Vitrinen, hier erklärt er den Unterschied zwischen einem 220 Millionen Jahre altem Schein-Krokodil und  einem 165 Millionen Jahre altem Meereskrokodil, deren Kopf auf den ersten Blick einander sehr ähneln. © massow-picture
Philipe Havlik, Zentrale Museumsentwicklung, erläuterte die Exponate in den Vitrinen, hier erklärt er den Unterschied zwischen einem 220 Millionen Jahre altem Schein-Krokodil und einem 165 Millionen Jahre altem Meereskrokodil, deren Kopf auf den ersten Blick einander sehr ähneln. © massow-picture

 

Hinzu kommen nach der Renovierung des Raumes weitere bisher noch nicht gezeigte Highlights: Ein Skelett des Fischsauriers Mixosaurus, die Schädel eines Meereskrokodils und eines Scheinkrokodils, ein Pflasterzahnsaurier aus der Trias von China, mehrere fossile Fische und Tintenfische und ein Schädel von Nothosaurus, der zu den größten seiner Art zählt.

Meereskrokodil,  © massow-picture
Meereskrokodil,
© massow-picture

Bei der Neugestaltung des Raumes wurde besonderes Augenmerk auf die Fortbewegungs-Mechanismen der unterschiedlichen Meeressaurier gelegt: während Mosa- und Ichthyosaurier sich durch eine schlängelnde Bewegung im Wasser fortbewegten, waren Plesiosaurier und Meeresschildkröten mit ihren großen Flossenpaddeln wahre „Unterwasserflieger“: Illustriert wird das auf Wandtafeln hinter dem jeweiligen Fossil.

Placodus gigas mit länglichem Körper. Fotoausschnitt  © Senckenberg, Tränkner (2)
Placodus gigas mit länglichem Körper. Fotoausschnitt © Senckenberg, Tränkner (2)

Während das „Geburtstagskind“, die Pflasterzahnechse Placodos gigas, ungepanzert war, spachtelförmige Frontzähne in Ober- und Unterkiefer und einen länglichen Rumpf besaß, der durch dicht stehende Rippen und Bauchrippen, sowie eine Kette rundlicher Hautverknöcherungen über den Wirbelfortsätzen versteift war, gab es eine zweite Gruppe Pflasterzahnechsen: Die vor rund 228 Millionen Jahre in den Meeren  lebende gepanzerte Cyamodontoidea.

Gepanzerte Pflasterstein-Echse. Sie sieht auf den ersten Blick einer Schildkröte ähnlich, Mit ihrem Basalt-Pflasterstein ähnlichen Zähnen, li, weidete sie vor 228 Millionen Jahren den Meeresgrund nach Muscheln und anderen Hartschalentieren ab, die sie zermalmte. © massow-picture
Gepanzerte Pflasterstein-Echse. Sie sieht auf den ersten Blick einer Schildkröte ähnlich, Mit ihrem Basalt-Pflasterstein ähnlichen Zähnen, li, weidete sie vor 228 Millionen Jahren den Meeresgrund nach Muscheln und anderen Hartschalentieren ab, die sie zermalmte. © massow-picture

„Der Rumpf der  Cyamodontoidea“, so Philipe Havlik, „ist gegenüber Placodos gigas kurz, breit und ähnlich wie bei Schildkröten von einem Panzer aus Knochenplatten umschlossen.“ Cyamodontoidea hatte praktisch keine Freßfeinde, da sie – allein von ihrem Panzer her – ungenießbar war. “ Namensgebend für die Pfalsterzahnechsen seien ihre schwarzen, an Basaltsteine erinnernden Backen- und Gaumenzähne, die eine dicke Schmelzschicht aufweisen, so Havlik. Man nennt sich auch „Nussknacker der Meere“, das sie dank ihrer kräftigen Kiefermuskulatur Muscheln und Brachiopoden aufknacken und zerquetschen konnten. Die Zähne der Pflasterzahnechsen wurden regelmäßig durch neue ersetzt, erfahren von einer der Tafeln. Dies wisse man, so Havlik, da immer wieder in den triassischen Meeresablagerungen Versteinerungen abgestoßener Zähne gefunden würden.

Originaler versteinerter Meeresboden, übersäht mit Muscheln- und anderen Schalen-/Krustentieren. Sie dienten dem "Nussknacker" der Meere als die Nahrung © massow-picture
Originaler versteinerter Meeresboden, übersäht mit Muscheln- und anderen Schalen-/Krustentieren. Sie dienten dem „Nussknacker“ der Meere als die Nahrung © massow-picture

Zur eigenen Nahrungsaufnahme weidete sie den Meeresboden nach Muscheln und anderen Schalentieren ab, die sie mit ihren basaltähnlichen Pflasterzähnen zermalmte. Ein bei Bauarbeiten gefundenes, zerbröseltes Stück versteinerter Meeresboden zu Zeiten Cyamodontoideas, hat Olaf Vogel wieder hergestellt und wird in der selben Vitrine wie Cyamodontoidea gezeigt.

Schon zur Einweihung 1970 erhielt der von Wilhelm Schäfer gestaltete Raum einen Architekturpreis und steht stellvertretend für ein neues Bewusstsein der Ausstellungsarchitektur, bei der grafische Elemente die Objekte ergänzen. Die Neugestaltung  wurde vom  Sohn des legendären Raumdesigners Herrmann Schäfer in enger Abstimmung mit Museumsleiter Dr. Bernd Herkner so behutsam durchgeführt, dass die originale Konzeption trotz der zahlreichen Modernisierungen erhalten werden konnte.  Neben dem Einbau neuer Vitrinen wurde auf energiesparende und objektschonende LED Beleuchtung aufgerüstet.

(v.l.) Designer Herrmann Schäfer, Museumsdirektor Dr. Bernd Herkner und Olaf Vogel, geowissenschaftler Präparator. Da sämtliche Exponate zuzüglich 10 Neuzugänge von Olaf Vogel aufbereitet wurden, heißt Raum 6 bei Senckenberg unter Kollegen nur noch der "Vogelraum".
(v.l.) Designer Herrmann Schäfer, Museumsdirektor Dr. Bernd Herkner und Olaf Vogel, geowissenschaftler Präparator. Da sämtliche Exponate zuzüglich 10 Neuzugängen von Olaf Vogel aufbereitet wurden, heißt Raum 6  unter Senckenberg-Kollegen nur noch der „Vogelraum“.

Wie schon vor rund 100 Jahren der Mäzen Arthur von Gwinner unterstützen auch heute Freunde und Förderer das Senckenberg Naturmuseum und finanzierten den Umbau des Meeressaurierraumes: Die Frankfurt-Trust Investment Gesellschaft mbH sowie die Datz-Stiftung. „Das Senckenberg Naturmuseum hat das Glück, dass es auf eine starke Solidarität der Frankfurter und ihre Unterstützung zählen kann. Diese Beständigkeit finde ich bewundernswert und hoffe, dass wir so auch den bevorstehenden Umbau des Museums stemmen können“, sagt Museumsleiter Dr. Bernd Herkner.

auge-in-auge-mit-natur250Das Senckenberg Naturmuseum hat in diesen Tagen den wunderbaren Museumsführer Auge in Auge mit der Natur herausgebracht, der Jung und Alt einen raschen, kundigen Überblick der  Ausstellungsbereiche, der Forschung und Geschichte des Naturmuseums  gibt.

 

Gespendet werden kann unter https://die-welt-baut-ihr-museum.de.

Diether v. Goddenthow (Rhein-Main.Eurokunst)

Senckenberg
Forschungsinstitut und Naturmuseum
Senckenberganlage 25
60325 Frankfurt