Frankfurter Buchmesse 2020 – Special Edition: im Netz und in der Stadt, aber ohne klassische Hallenausstellung

Liveprogramm mit Starbesetzung, Veranstaltungen in der Stadt und Digital-Präsenz / Mit dabei: Irvine Welsh, John Niven, Karin Slaughter, Don Winslow, Elizabeth Gilbert, Bov Bjerg, Cornelia Funke, Chilly Gonzales, Joachim Meyerhoff, Harald Welzer, Francesca Melandri / Klassische Hallenausstellung aufgrund der neuerlichen Reisebeschränkungen nicht durchführbar

Die Frankfurter Buchmesse (14.-18. Oktober 2020) findet in diesem Jahr statt: mit einem umfangreichen Liveprogramm auf der ARD-Buchmessenbühne in der Festhalle, rund 80 Veranstaltungen im Rahmen des BOOKFEST city in Frankfurt und einem illustren Line-up beim BOOKFEST digital. Die klassische Hallenausstellung der Frankfurter Buchmesse wird in diesem Jahr pandemiebedingt ausgesetzt: Aufgrund der aktuell geltenden Reisebeschränkungen können zahlreiche Länderstände nicht wie geplant umgesetzt werden. Auch macht die ab 1. Oktober 2020 in Kraft tretende Quarantäneverordnung die Teilnahme von europäischen Aussteller*innen und Fachbesucher*innen nahezu unmöglich.

„Die Frankfurter Buchmesse ist nicht nur die größte Buchmesse der Welt, sie ist auch ein sich ständig weiterentwickelndes Unternehmen. Lebendig, agil und anpassungsfähig. In der aktuellen Situation bedeutet das nun den Verzicht auf Stände in Hallen aufgrund der wieder zunehmenden Corona-Einschränkungen. Dafür machen in diesem Jahr Veranstaltungen in Frankfurt am Main und anderen Städten Buchbegeisterung sowohl live vor Ort als auch digital und jederzeit abrufbar erlebbar“, sagt Karin Schmidt-Friderichs, Vorsteherin des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels. „Wir danken der Bundes- und Landesregierung, insbesondere Kulturstaatsministerin Monika Grütters, dem Hessischen Ministerpräsidenten Volker Bouffier und dem Hessischen Wirtschaftsminister Tarek Al-Wazir für ihre anhaltende Unterstützung.“

„Die Frankfurter Buchmesse lebt vom internationalen Austausch. Wir danken allen Aussteller*innen für ihre Motivation und das Vertrauen, die Frankfurter Buchmesse 2020 auch physisch auf die Beine zu stellen“, sagt Juergen Boos, Direktor der Frankfurter Buchmesse. „Jetzt liegt der Fokus auf unserem virtuellen Angebot und den Veranstaltungen in der Festhalle und in der Stadt. In den letzten Monaten haben wir unsere zahlreichen, bereits vorhandenen Services zu einem stimmigen digitalen Gesamtkonzept ausgebaut. So treffen internationale Publishing Professionals auf bekannte und auch neue Digitalformate, mit denen sie auch in Zeiten von Corona ihr Geschäft vorantreiben können. Und das Lesepublikum hat die Möglichkeit, die Buchbegeisterung gleich doppelt auszuleben – sowohl im Internet als auch auf den Veranstaltungen vor Ort.“

Interessierte Besucher*innen können Tickets für die Veranstaltungen auf der ARD-Buchmessenbühne erwerben. Für die kostenfreien Events im Rahmen des BOOKFEST city ist eine Vorab-Registrierung erforderlich. Von 14. bis 18. Oktober können Buchfans auf www.buchmesse.de sowie bei zahlreichen Medienpartnern ein umfangreiches und vielseitiges digitales Programm mit Lesungen, Autor*innengesprächen und Diskussionen verfolgen sowie Neuerscheinungen von Verlagen entdecken.

Programmhighlights der Frankfurter Buchmesse 2020
Der Deutsche Buchpreis und der Friedenspreis des Deutschen Buchhandels werden wie geplant im Rahmen der Frankfurter Buchmesse vergeben: der Deutsche Buchpreis am 12. Oktober 2020, 18 Uhr, als Livesendung aus dem Frankfurter Römer, der Friedenspreis am 18. Oktober in der Frankfurter Paulskirche, live übertragen ab 10.45 Uhr in der ARD.

Die zentrale Bühne der Frankfurter Buchmesse befindet sich in der Festhalle: Hier feiert die ARD-Buchmessenbühne Premiere. Vom 14. bis 18. Oktober, jeweils von 10 bis 18 Uhr, finden Veranstaltungen statt. Als Gäste erwartet werden Christian Berkel, Michel Friedman, Cornelia Funke, Andrea Petković, Alice Schwarzer, Irvine Welsh, John Niven, Harald Welzer, Judith Zander, Linda Zervakis, und viele mehr. Mit dem Gesprächsformat „Chilly Gonzales and Malakoff Kowalski: Talking about Taste“ kommt auch der kanadische Musiker und Entertainer Chilly Gonzales auf die ARD-Buchmessenbühne: Sein erstes Buch, ENYA erscheint am 14. Oktober 2020. Weiteres Programmhighlight ist die ARD-Buchmessennacht am Freitagabend, 16. Oktober, u.a. mit: Ahmad Mansour, Max Czollek, Bas Kast, Stefanie Sargnagel, Klaus Brinkbäumer, Susanne Fröhlich, Elke Heidenreich, Alexa Hennig von Lange, Richard David Precht und Jan Weiler – sowie per Zuschaltung die/der Buchpreisträger*in 2020, Jan Böhmermann und David Grossman.

BOOKFEST digital und BOOKFEST city
In diesem Jahr wird das BOOKFEST physisch als BOOKFEST city und erstmals auch virtuell als BOOKFEST digital stattfinden. Beim BOOKFEST city sind die ca. 80 geplanten Events über alle fünf Messetage hinweg auf viele Locations in ganz Frankfurt verteilt. Für ein vielfältiges Programm voller Literatur, Inspiration und spannender Begegnungen sorgen u.a. Margit Auer, Max von Thun, Gabriele Krone-Schmalz, Bov Bjerg, Kristof Magnusson, Helmut Zierl, Max Giermann, Anastasia Zampounidis, Christian Stöcker, Andreas Steinhöfel, Eric Mayer, Linda Zervakis und Ahmad Mansour.

Alle am BOOKFEST city beteiligten Locations erfüllen die Schutzverordnungen des Landes Hessen. Die Begrenzung der Teilnehmerzahlen ermöglicht die Einhaltung der Abstandsregeln. Die Vorab-Registrierungen und das finale BOOKFEST-Programm sind ab Mitte September auf www.bookfest.de verfügbar.

Das BOOKFEST digital sendet am Samstag, 17. Oktober 2020, von morgens 10 Uhr bis abends 22 Uhr ein vielfältiges Programm und präsentiert u.a. Elizabeth Gilbert, Jenny Erpenbeck, Ayad Akhtar, Eliot Weinberger, Peter Wohlleben, Kirsten Boie, Don Winslow, Karin Slaughter, Clemens Meyer, Olga Grjasnowa, Joachim Meyerhoff, Iris Wolff und Ralf König. Das BOOKFEST digital wird über zwei Kanäle ausgestrahlt, die auf www.buchmesse.de verfügbar sind.

Die Teilnahme an allen BOOKFEST-Veranstaltungen ist kostenfrei. Das gesamte Programm ist ab Mitte September unter www.bookfest.de abrufbar.

Open Books
Parallel zur Frankfurter Buchmesse finden zudem in der Stadt Frankfurt zahlreiche kulturelle Veranstaltungen im Rahmen von Open Books statt. An den Plänen von OPEN BOOKS ändert sich in diesem Jahr nichts; im Gegenteil, durch neue Kooperationen wird das Programm weiter ausgebaut. Bereits zum 11. Mal findet das städtische Lesefest mit knapp 100 Live-Veranstaltungen rund um den Römer und an weiteren Orten in Frankfurt statt. Desweitern wird der traditionelle Lesemarathon „Literatur im Römer“ am Buchmessemittwoch und -donnerstag durchgeführt. OPEN BOOKS hat in diesem Jahr zu Gast „Das Blaue Sofa“ als gemeinsame Eröffnung in der Deutschen Nationalbibliothek und erstmalig mit zwei Krimiabenden, die 3-sat Buchzeit, die DFB-Kulturstiftung mit einem Fußballabend und die SWR-Bestenliste sowie die für den Schweizer Buchpreis 2020 nominierten Autorinnen und Autoren. OPEN BOOKS Kids wird in der Deutschen Nationalbibliothek stattfinden. Präsentiert werden Neuerscheinungen aller Sparten, d.h. Belletristik, Sachbuch, Lyrik und Comic. Zu den Teilnehmenden gehören unter anderem Jan Assmann, Zsuzsa Bánk, Christian Berkel, Helmut Brandstetter, Andreas Buck, Friedrich Curtius, Katja Ebstein, Zoe Beck, Roman Ehrlich, Melisa Erkurt, Veit Etzold, Iris Hanika, Oliver Hilmes, Andrea Petkovic, Ijoma Mangold, Kristof Magnusson Alfons Kaiser, Ralf König, Wladimir Klitschko, Wladmir Kaminer, Benjamin Moser, Ursula Poznanski, Rüdiger Schaper, Ronen Steinke, Tilman Spreckelsen, Andreas Winkelmann, Johannes Willms, Klaus-Peter Wolf und Nell Zink. Der Eintritt ist frei, das Programm wird ab Mitte September auf www.openbooks-frankfurt.de veröffentlicht.

Signals of Hope – ein digitales Event-Projekt für neue Zuversicht
Das Krisenjahr 2020 mit der Corona-Pandemie, dem Klimawandel und dem Kampf um Gleichberechtigung hat vielen Gewissheiten ein jähes Ende gesetzt. Inmitten einer Kultur von Verunsicherung und Verschwörungstheorien will die Frankfurter Buchmesse ein Zeichen setzen: Mit ihrem virtuellen Projekt „Signals of Hope“ zeigt sie das Potenzial des Prinzips Hoffnung und Ideen für neue Handlungsansätze auf. „Signals of Hope“ startet Mitte September mit einer Social-Media-Kampagne und ist an allen Tagen der Frankfurter Buchmesse als Event-Programm unter https://signalsofhope.buchmesse.de zu erleben.

Prominente Meinungsführer im Weltempfang
Leïla Slimani, Nora Bossong, Kirsten Boie, Nina George, Francesca Melandri, Thomas Meinecke, Yvonne Adhiambo Owuor, Matthias Lilienthal und viele weitere meinungsstarke Persönlichkeiten diskutieren im Weltempfang 2020. Die erste digitale Ausgabe des Weltempfangs – die gesellschaftspolitische Bühne der Frankfurter Buchmesse – steht unter dem Motto „Europa – Kulturen verbinden“. An jedem Buchmessetag (14.-18. Oktober 2020) finden digitale Weltempfang-Veranstaltungen statt, die auf www.buchmesse.de/digitale-buchmesse/live-programm übertragen werden. Der Weltempfang ist ein Gemeinschaftsprojekt der Frankfurter Buchmesse und des Auswärtigen Amtes.

Ehrengast Kanada
Kanada bereitet eine Reihe virtueller Programmelemente vor, welche die Vielfalt, Kreativität und Einzigartigkeit der kanadischen Literatur- und Kulturszene zeigen. Kanada wird sein Programm im September vorstellen. Der große physische Auftritt Kanadas findet 2021 statt.

Frankfurt Rights
Mit Frankfurt Rights hat die Frankfurter Buchmesse eine Plattform rund um den internationalen Rechte- und Lizenzhandel entwickelt. Hier finden alle Akteure des Rechte- und Lizenzhandels zusammen. Rechtehändler*innen knüpfen und festigen hier wichtige Businesskontakte, teilen Probekapitel oder anderes Ansichtsmaterial und versenden und erhalten Nachrichten von Kolleg*innen und Geschäftspartner*innen.

Digitales Konferenzprogramm: Frankfurt Conference
Die erste rein digitale Konferenzreihe der Frankfurter Buchmesse – Frankfurt Conference – bietet von Montag bis Donnerstag (12.-15. Oktober 2020) ein virtuelles Fachprogramm. Die Diskussionen, Q&A-Sessions und Kurzvorträge mit internationalen Expert*innen richten sich an Mitglieder der internationalen Publishing-Branche, die sich weiterbilden, im virtuellen Raum austauschen und neue Kontakte knüpfen können. An vier Tagen werden Konferenzen zu den Themenbereichen Academic & Scholarly Publishing, Rights & Licensing, Publishing Insights und Audio durchgeführt.

Für die Teilnahme an den kostenfreien Fachveranstaltungen ist eine Registrierung bei My Book Fair notwendig. Diese ist ab Mitte September auf www.buchmesse.de möglich.

Große Landesausstellung: Die Kaiser und die Säulen ihrer Macht. Von Karl dem Großen bis Friedrich Barbarossa vom 9.9.2020 bis 18. April 2021 im Landesmuseum Mainz

Die Ausstellung "Die Kaiser und die Säulen der Macht" geht unter anderem den Fragen nach, wie Karl der Große oder Friedrich Barbarossa auf den Kaiserthron kamen, welche Netzwerke und Lobbyisten es im Mittelalter gab und warum die Religion am Rhein über viele Jahrhunderte eine zentrale Bedeutung bei den großen Herrschafts-Dynastien, den Karolingern, Ottonen, Saliern und Staufern spielte? © Foto: Diether v. Goddenthow
Die Ausstellung „Die Kaiser und die Säulen der Macht“ geht unter anderem den Fragen nach, wie Karl der Große oder Friedrich Barbarossa auf den Kaiserthron kamen, welche Netzwerke und Lobbyisten es im Mittelalter gab und warum die Religion am Rhein über viele Jahrhunderte eine zentrale Bedeutung bei den großen Herrschafts-Dynastien, den Karolingern, Ottonen, Saliern und Staufern spielte? © Foto: Diether v. Goddenthow

Kulturhistorische Ausstellung der Generaldirektion Kulturelles Erbe Rheinland-Pfalz (GDKE) vom 9. September 2020 bis zum 18. April 2021 im Landesmuseum Mainz

Es ist eine Ausstellung der Superlative mit einzigartigen Exponaten, die es in dieser Zusammenstellung noch nie zu sehen gab und auf Jahrzehnte nicht mehr zu sehen geben wird – wie etwa die weltberühmte Heidelberger Liederhandschrift Codex Manesse, eine der kostbarsten Handschriften des Mittelalters, die noch wenige Tage vor der Eröffnung in einer speziell angefertigten Transportkiste unter Polizeischutz von Heidelberg nach Mainz geleitet werden musste.

Reichskrone aus dem 10. Jahrhundert. Bügel und Stirnkreuz wurden später ergänzt, das Kreuz wahrscheinlich unter Heinrich II. Hier eine Nachbildung von J. Weilland Goldschmiedekunst, Mainz. © Foto: Diether v. Goddenthow
Reichskrone aus dem 10. Jahrhundert. Bügel und Stirnkreuz wurden später ergänzt, das Kreuz wahrscheinlich unter Heinrich II. Hier eine Nachbildung von J. Weilland Goldschmiedekunst, Mainz. © Foto: Diether v. Goddenthow

In der großen Landesausstellung „Die Kaiser und die Säulen ihrer Macht. Von Karl dem Großen bis Friedrich Barbarossa“ werden in den kommenden rund sieben Monaten auf rund 1.200 m² Ausstellungsfläche etwa 300 Exponate im Landesmuseum Mainz der Generaldirektion Kulturelles Erbe Rheinland-Pfalz (GDKE) gezeigt, darunter außergewöhnliche Leihgaben international renommierter Museen – unter anderem das Armreliquiar Karls des Großen aus dem Louvre, der Cappenberger Barbarossakopf aus der kath. Kirchengemeinde St. Johannes, das prachtvolle Adelheidkreuz aus der Abtei St. Paul in Österreich oder die Mainzer Goldene Bulle aus Wien, die nach über zwei Jahrhunderten an ihren Ursprungsort zurückkehrt.

Der Thron des Kaisers, Goslar,ca. 1060 - 1080, aus Bronze. Ist neben dem Aachener der einzig original erhaltene mittelalterliche Kaiserthron. Diesen hatte Kaiser Wilhelm I. zur Eröffnung des ersten deutschen Reichstags 1871 extra nach Berlin transportieren lassen. © Foto: Diether v. Goddenthow
Der Thron des Kaisers, Goslar,ca. 1060 – 1080, aus Bronze. Ist neben dem Aachener der einzig original erhaltene mittelalterliche Kaiserthron. Diesen hatte Kaiser Wilhelm I. zur Eröffnung des ersten deutschen Reichstags 1871 extra nach Berlin transportieren lassen. © Foto: Diether v. Goddenthow

Und es ist eine Ausstellung, für die es wohl kaum einen besseren Ort geben könnte, wie die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer ausführte, die am Abend als Schirmherrin die große Landesausstellung im Mainzer Landesmuseum eröffnen wird: „Rheinland-Pfalz hat nicht nur ein außergewöhnlich reiches kulturelles Erbe mit einer hochspannenden Geschichte der kulturellen Vielfalt. Es ist gerade im Mittelalter über Jahrhunderte hinweg die zentrale Herrschaftsbasis der großen Dynastien gewesen, angefangen bei den Karolingern und Ottonen über die Salier bis zu den Staufern. Wir wollen diese Geschichte lebendig vermitteln und möglichst vielen näherbringen.“

„Mit der Kaiserausstellung profilieren wir Rheinland-Pfalz weiter als Land großer historischer Ausstellungen. Mainz folgt damit den Ausstellungen zu antiken Themen und Karl Marx, die wir in den vergangenen Jahren in Trier präsentierten. Wir ergänzen so unser großes kulturelles Erbe mit einer wissenschaftlichen und didaktischen Aufbereitung, wie zur Herrschaft der mittelalterlichen Kaiser in unserem Land“, so Kulturminister Prof. Dr. Konrad Wolf anlässlich der Pressekonferenz am 8. September.

Ausstellungs-Impression "Die Kaiser und die Säulen der Macht" © Foto: Diether v. Goddenthow
Ausstellungs-Impression „Die Kaiser und die Säulen der Macht“ © Foto: Diether v. Goddenthow

Dabei widmet sich die Ausstellung nicht allein den berühmten Kaisern „Von Karl dem Großen bis Friedrich Barbarossa“, sondern beleuchtet erstmals das dynamische Beziehungsgeflecht, in dem über einen Zeitraum von fünf Jahrhunderten Kaiser, Kaiserinnen und Könige, Fürsten und Feldherren, Ritter und Reichsfürsten, Bürger und Städte miteinander verwoben waren. Sie wagt einen Blick hinter die Kulissen und vermittelt ein differenziertes Bild vom Kaisertum im Mittelalter. Dabei werden die Techniken der Macht hinter den Herrschenden sichtbar, aber auch die Brüchigkeit des Kaisertums erkennbar – das oft eher ein „Game of Thrones“ mit wechselnden Protagonisten war als glanzvolle Herrschaft.

Ausstellungs-Impression "Die Kaiser und die Säulen der Macht" © Foto: Diether v. Goddenthow
Ausstellungs-Impression „Die Kaiser und die Säulen der Macht“ © Foto: Diether v. Goddenthow

„Wir wissen, dass die vom Papst gesalbten Kaiser nicht unumstritten mit absoluter Macht über ihr Reich herrschten, vielmehr bewegten sie sich in einem spannungsvollen Machtgefüge mit Bischöfen, Fürsten, Rittern und Städten“, erklärt der wissenschaftliche Leiter der Ausstellung, Prof. Dr. Bernd Schneidmüller, der vor zwei Jahren die Aufgabe von Prof. Stefan Weinfurter übernommen hatte. Weinfurter, einer der renommiertesten Mittelalterexperten in Deutschland, war mitten in den Vorbereitungen der Ausstellung plötzlich verstorben.

Adelheidkreuz/Reichskreuz Rodolfs von Rheinfelden.© Foto: Diether v. Goddenthow
Adelheidkreuz/Reichskreuz Rodolfs von Rheinfelden.© Foto: Diether v. Goddenthow

Die Landesausstellung „Die Kaiser und die Säulen ihrer Macht. Von Karl dem Großen bis Friedrich Barbarossa“ ist ein Projekt der Generaldirektion Kulturelles Erbe Rheinland-Pfalz in Zusammenarbeit mit der Forschungsstelle Geschichte und kulturelles Erbe an der Universität Heidelberg und der Bassermann-Stiftung an den Reiss-Engelhorn-Museen in Mannheim.

„Unverzichtbare Grundlage für die Kaiser und Könige im Mittelalter war die Herrschaft über den Raum am Rhein“, ergänzt Schneidmüller. Während Dynastien wechselten und sich die Netzwerke ihrer Macht verschoben, war die Region zwischen Aachen und Basel, zwischen Metz und Frankfurt a.M. über Jahrhunderte hinweg die politische, wirtschaftliche und kulturelle Zentrallandschaft Europas. „Hier formte sich im Mittelalter eine Schwerpunktlandschaft fränkischer, deutscher und europäischer Geschichte. Hier befand sich ein wichtiges Zentrum der Kaiser und Fürsten, der Grafen und Herren, der städtischen Bürger und der jüdischen Gemeinschaften. Hier entfalteten sich bedeutende geistliche Herrschaften, geprägt von Erzbischöfen, Bischöfen oder Äbten. Und hier entstand eine Bühne der vielen Mitspieler mit prägender Wirkung auf die föderalen Strukturen in Deutschland“, so Schneidmüller.

Ausstellungs-Impression "Die Kaiser und die Säulen der Macht" © Foto: Diether v. Goddenthow
Ausstellungs-Impression „Die Kaiser und die Säulen der Macht“ © Foto: Diether v. Goddenthow

„Im Hintergrund der Kaiserherrlichkeit spielten die jüdischen Gemeinden eine herausragende Rolle. In Speyer, Worms und Mainz entstanden im Mittelalter die einflussreichen, europaweit vernetzten jüdischen SchUM-Gemeinden, die bis heute als ´Wiege des aschkenasischen Judentums´ gelten“, erklärt Dr. Stefanie Hahn vom rheinland-pfälzischen Ministerium für Wissenschaft, Weiterbildung und Kultur, die gemeinsam mit Thomas Metz von der GDKE die Gesamtverantwortung für die Ausstellung trägt. Während der Ausstellungdauer könnte die Entscheidung fallen, ob die SchUM-Stätten zum UNESCO-Weltkulturerbe erklärt werden.

Armreliquiar Karls des Großen, Maasländisch - 1165-1173. Eichenholz, Silberblech, Bronze, Email. Paris Musée du Louvre In diesem Reliquienkasten befindet sich ein Armknochen Karls des Großen. Das Armeliquiar wurde im Zuge seiner Heiligsprechung  1165 für die Aachener Pfalzkrapell angefertigt. Für Friedrich I. Barbarossa galt Karl der Große als Verkörperung des kaiserlichen Ideals, an das er anknüpfen wollte. © Foto: Diether v. Goddenthow
Armreliquiar Karls des Großen, Maasländisch – 1165-1173. Eichenholz, Silberblech, Bronze, Email. Paris Musée du Louvre In diesem Reliquienkasten befindet sich ein Armknochen Karls des Großen. Das Armeliquiar wurde im Zuge seiner Heiligsprechung 1165 für die Aachener Pfalzkrapell angefertigt. Für Friedrich I. Barbarossa galt Karl der Große als Verkörperung des kaiserlichen Ideals, an das er anknüpfen wollte. © Foto: Diether v. Goddenthow

Fest steht, dass es gerade in Rheinland-Pfalz eine einzigartige Dichte und Qualität von atmosphärisch fesselnden, steinernen Zeugen historischer Ereignisse und Entwicklungen gibt. Dazu zählen sowohl die Dome und Pfalzen, die unzähligen Klöster und Burgen, aber auch die jüdischen Monumente in Speyer, Worms und Mainz.

Cappenberger Barbarossakopf, Selm, Kath. Kirchengemeinde St. Johannes. © Foto: Diether v. Goddenthow
Cappenberger Barbarossakopf, Selm, Kath. Kirchengemeinde St. Johannes. © Foto: Diether v. Goddenthow

„Die große Landesausstellung bietet somit auch die Chance, bedeutende Objekte hier aus der Region, aber auch neu entdeckte und bislang unbekannte Funde sowie einzelne, zum Teil fast in Vergessenheit geratene Exponate mit einzubinden und damit erstmals in einen ganz besonderen und neuen Fokus zu rücken, wie etwa die sensationelle Bronzetür, die einst im Kloster Sankt Alban eingesetzt gewesen sein soll,“ so Thomas Metz, Generaldirektor der GDKE.

„Mit der Kaiser-Ausstellung knüpfen wir an die Reihe der großen europäischen Mittelalterausstellungen an und ich bin sehr stolz darauf, dass wir über die gesamte Laufzeit hinweg so viele einzigartige Exponate zeigen können. Manche Objekte werden aus konservatorischen Gründen nur einige Wochen zu sehen sein, dafür werden andere spektakuläre Leihgaben nachrücken, sodass es sich lohnt, die Ausstellung mehrfach zu besuchen“, freut sich die Direktorin des Landesmuseums Mainz, Dr. Birgit Heide.

Entstehung des Rittertums im 11. Jahrhundert. Darstellung der Ritterideale. Die Idee des christlichen Rittertums verbindet hohe Adlige, freie Herren und unfreie Dienstmannen. Besonders Letztere werden als Spezialisten für Krieg, Verwaltung und Diplomatie zu wichtigen Stützen der Kaiser. Ihre hoch gelegenen Burgen dominieren die Landschaft und sind steinere Zeugnisse ihrer bedeutenden Stellung. © Foto: Diether v. Goddenthow
Entstehung des Rittertums im 11. Jahrhundert. Darstellung der Ritterideale. Die Idee des christlichen Rittertums verbindet hohe Adlige, freie Herren und unfreie Dienstmannen. Besonders Letztere werden als Spezialisten für Krieg, Verwaltung und Diplomatie zu wichtigen Stützen der Kaiser. Ihre hoch gelegenen Burgen dominieren die Landschaft und sind steinere Zeugnisse ihrer bedeutenden Stellung. © Foto: Diether v. Goddenthow

Bis heute sind die Spuren, die die großen Dynastien hinterlassen haben, an vielen Stellen im gesamten Bundesland Rheinland-Pfalz sichtbar. So ist die Landesausstellung der ideale Ausgangspunkt für eine Reise ins Mittelalter. Eingebettet in das „Kaiserjahr 2020“, das bis zum 31. Oktober 2021 verlängert wurde, bindet die GDKE das ganze Land und seine Nachbarregionen mit ein, denn kein anderes Bundesland hat so viele Originalschauplätze zu bieten wie Rheinland-Pfalz. Wer die Ausstellung besucht, kann anschließend zu den korrespondierenden Orten fahren und dort Geschichten und Geschichte in ganz eigenen Präsentationen hautnah miterleben.

Ergänzt wird die große Landesausstellung „Die Kaiser und die Säulen ihrer Macht“ im Landesmuseum Mainz durch ein umfangreiches Rahmenprogramm, das einerseits an den authentischen Orten stattfindet, das aber auch Vorträge, Workshops, Führungen, begleitende Ausstellungen und weitere Aktivitäten anbietet.

Die Kurfürsten als "Säulen des Reichs". Sieben Kurfürsten, drei geistliche und vier weltliche, stehen an der Spitze des Reichs. Sie allein wählen den König und übernehmen eigenständig Verantwortung für das Reich. Vier Kurfürsten stammen aus dem Raum am Rhein: die Erzbischöfe von Mainz, Köln und Trier sowie der Pfalzgraf bei Rhein. Aus dem Osten kommen der König von Böhmen, der Herzog von Sachsen und der Markgraf von Brandenburg. Die Mainzer Bürgerschaft lässt Anfang des 14. Jahrhunderts neben dem heiligen Martin und dem König auch die sieben Kurfürsten als lebensgroße Figuren am Giebel des städtischen Kaufhauses anbringen. Als das Kaufhaus Anfang des 19. Jahrhunderts abgerissen wird, gelangen die hier ausgestellten Figuren in die Sammlungen der Stadt Mainz. © Foto: Diether v. Goddenthow
Die Kurfürsten als „Säulen des Reichs“. Sieben Kurfürsten, drei geistliche und vier weltliche, stehen an der Spitze des Reichs. Sie allein wählen den König und übernehmen eigenständig Verantwortung für das Reich. Vier Kurfürsten stammen aus dem Raum am Rhein: die Erzbischöfe von Mainz, Köln und Trier sowie der Pfalzgraf bei Rhein. Aus dem Osten kommen der König von Böhmen, der Herzog von Sachsen und der Markgraf von Brandenburg. Die Mainzer Bürgerschaft lässt Anfang des 14. Jahrhunderts neben dem heiligen Martin und dem König auch die sieben Kurfürsten als lebensgroße Figuren am Giebel des städtischen Kaufhauses anbringen. Als das Kaufhaus Anfang des 19. Jahrhunderts abgerissen wird, gelangen die hier ausgestellten Figuren in die Sammlungen der Stadt Mainz. © Foto: Diether v. Goddenthow

Bitte beachten Sie, dass aufgrund aktueller Ereignisse Veranstaltungen auch kurzfristig entfallen oder verschoben werden könnten. Infos dazu, Aktualisierungen und ggf. weitere Veranstaltungen auch zu den Korrespondenzorten finden Sie online unter www.landesmuseum-mainz.de und www.kaiser2020.de

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Stiftung Lesen mobilisiert breite Allianz für Nationalen Lesepakt

6,2 Millionen Menschen in Deutschland können nicht richtig lesen und ihre Kinder beim Lesenlernen unterstützen / Zum Weltalphabetisierungstag ruft die Stiftung Lesen auf, sich dem Nationalen Lesepakt anzuschließen
6,2 Millionen Erwachsene zwischen 18 und 64 Jahren können laut LEO-Grundbildungsstudie kaum oder überhaupt nicht lesen. Viele von ihnen haben Kinder, die sie auf Grund dieses Defizits wiederum nur schwer für das Lesen begeistern können. Die Folgen für die betroffenen Jungen und Mädchen sind gravierend: Sie erzielen später oftmals schlechtere Schulnoten und haben Schwierigkeiten lesen zu lernen sowie Zusammenhänge zu erkennen. Schon früh werden so Weichen gestellt, die sich mit fortschreitendem Alter immer weniger verändern lassen.

Nationaler Lesepakt: Ein politischer und gesellschaftlicher Aufbruch
Leseförderung ist daher wichtiger denn je – auch um der Weitergabe mangelnder Lesekompetenz an die nächste Generation vorzubeugen. Um die Lesemotivation und Lesekompetenz der Kinder und Jugendlichen nachhaltig zu verbessern, hat die Stiftung Lesen im Herbst 2019 den Nationalen Lesepakt initiiert. Die stetig wachsende Allianz wird mitgetragen vom Börsenverein des Deutschen Buchhandels und unterstützt von aktuell rund 200 Akteuren aus allen gesellschaftlichen Bereichen: Dazu zählen die Führungsebenen der Bundes- und Landesregierungen, Kommunen, Unternehmen, Arbeitgeber- und Arbeitnehmerverbände, Gewerkschaften, Interessensvertretungen von Eltern, pädagogische Fachkräfte, Bibliotheken, Verlage, Medienhäuser, Buchhandel, Kinderärzte, Sozialverbände und Kirchen. Mit einem Statement dokumentieren alle Partner ihre Zugehörigkeit zu der Initiative und ihr Engagement für die Leseförderung. Die öffentlichkeitswirksame Auftaktveranstaltung für den Nationalen Lesepakt ist im Frühjahr 2021 geplant: der Nationale Lese-Summit im Bundesministerium für Bildung und Forschung.

Dr. Jörg F. Maas, Hauptgeschäftsführer der Stiftung Lesen, sagt: „Unser Ziel ist es, den Wert des Lesens und die Bedeutung der Leseförderung nachhaltiger in der Gesellschaft zu verankern. Gemeinsam mit den Partnern wollen wir neue Kooperationen zugunsten der Leseförderung entwickeln und bestehende Netzwerke erweitern. Denn fest steht: Kinder und Jugendliche können ihr Bildungspotenzial nur dann ausschöpfen, wenn ihnen von Geburt an regelmäßig vorgelesen wird und sie beim Lesenlernen begleitet werden. Mit der Entwicklung eines Nationalen Leseplans wollen wir dafür die programmatische Basis schaffen. Jeder, der sich für die Leseförderung einsetzen möchte, ist willkommen, den Nationalen Lesepakt zu unterstützen.“

Appell für freie Debattenkultur

Das Intellectual Deep Web Europe in Zürich lädt  gemeinsam  mit namhaften Erstunterzeichnern  (von Hamed Abdel-Samad über Monika Maron und Harald Martenstein bis Dieter Nuhr und Günter Wallraf) Gleichgesinnte dazu ein,  einen APPELL FÜR FREIE DEBATTENRÄUME  zu unterzeichnen, und darüber hinaus  auch zu spenden auf ein Konto, aus welchem Ausfallhonorare für „gecancelte“ Künstler (mit-)finanziert werden sollen.

Weitere Infos zum Appell Für eine freie Debattenkultur über idw-europe.org Hintergrund-Infos hier!

Faszinierende Unterwasserwelt – Senckenberg eröffnet die Themenräume „Tiefsee“ und „Meeresforschung“

Ausstellungs-Impression. "Tiefsee und Meeresforschung" im Senckenberg-Naturmuseum. Im Vordergrund eine Langnasenchimäre (Rhinochimaera pacifica). Besonders charakteristisch ist die namensgebende lange Nase. In dieser befinden sich Sensoren zur Wahrnehmung von im Sand versteckter Beute mittels Elektrorezeption. Chimären jagen meist in Bodennähe. © Foto: Diether v. Goddenthow
Ausstellungs-Impression. „Tiefsee und Meeresforschung“ im Senckenberg-Naturmuseum. Im Vordergrund eine Langnasenchimäre (Rhinochimaera pacifica). Besonders charakteristisch ist die namensgebende lange Nase. In dieser befinden sich Sensoren zur Wahrnehmung von im Sand versteckter Beute mittels Elektrorezeption. Chimären jagen meist in Bodennähe. © Foto: Diether v. Goddenthow

Die Bereiche der Ozeane, die tiefer als 1000 Meter sind und in ewiger Dunkelheit liegen, nehmen 60 Prozent der Erdoberfläche ein und sind weniger erforscht als die Oberfläche des Mondes. Erst vor rund 150 Jahren  begann man mit ihrer systematischen Erforschung. Die wichtigsten Entdeckungen und die dazu gehörige Meerestechnik  zeigt ab dem 4. September 2020 das Senckenberg-Naturmuseum Frankfurt in Kooperation mit dem Wissenschaftspartner GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel im Rahmen des Umbauprojektes Neues Museum in der interaktiven Dauerausstellung:„Tiefsee und Meeresforschung“ –  unter anderen mit 90 Originalen im Raum Tiefsee, darunter ein 2,5-fach verkleinertes Modell des im Original 5,2 Mio. teuren Tauchboots JAGO,  66 Modellen von Tieren und Geräten sowie 13 zum Teil international einzigartigen Präparaten von Tiefsee-Organismen mit Leuchtorganen.

"Tiefseeforschung ist wie Weltraumforschung nur im Nassen", entsprechend sind auch meerestechnische Gerätschaften bis hin zu Tauchrobotern und ein Taucher an von der Decke herabhängenden Seilen befestigt. © Foto: Diether v. Goddenthow
„Tiefseeforschung ist wie Weltraumforschung nur im Nassen“, entsprechend sind auch meerestechnische Gerätschaften bis hin zu Tauchrobotern und ein Taucher an von der Decke herabhängenden Seilen befestigt. © Foto: Diether v. Goddenthow

Die beiden neuen Themenräume, kuratiert von Dr. Thorolf Müller (Senckenberg) und Dr. Gerd Hoffmann-Wieck (GEOMAR), befinden sich im 2. Obergeschoss, welches zukünftig den „Lebensräumen der Erde“ mit den Großbereichen „Mensch, Erde, Kosmos und Zukunft“  gewidmet werden soll. Durch die voranschreitende modulare Modernisierung und Erneuerung des Senckenberg-Naturmuseums entsteht auf dieser Etage nach und nach ein Rundgang „entlang eines Höhengradienten, der in der ‚Tiefsee‘ beginnt und mit dem Hochgebirge endet. Als nächster Themenraum werden wir im Sommer 2021 der Raum ‚Korallenriff‘ eröffnen“, erläutert Senckenberg-Generaldirektor Prof. Dr. Dr. h.c. Volker Mosbrugger bei einem Presse-Preview durch die neue Dauerausstellung.

Die Dauerausstellung Tiefsee und Meeresforschung gibt umfangreiche Einblicke anhand von zahlreichen Originalpräparaten aus der Sammlung Senckenberg sowie Spezialanfertigungen wie den Lebensraum "Schwarzer Raucher" hier im Bild. © Foto: Diether v. Goddenthow
Die Dauerausstellung Tiefsee und Meeresforschung gibt umfangreiche Einblicke anhand von zahlreichen Originalpräparaten aus der Sammlung Senckenberg sowie Spezialanfertigungen wie den Lebensraum „Schwarzer Raucher“ hier im Bild. © Foto: Diether v. Goddenthow

Wir möchten im Neuen Museum die Faszination einzelner Lebensräume vermitteln und für die Natur und für unsere Naturforschung begeistern “, unterstreicht Prof. Dr. Katrin Böhning-Gaese, Direktoriumsmitglied und zuständig für das Programm Wissenschaft und Gesellschaft. „Wir zeigen Systeme und Zusammenhänge – dazu gehört auch die Rolle des Menschen in einem Ökosystem. In der Tiefsee sprechen wir daher von Themen wie Vermüllung, Überfischung, Erwärmung und Versauerung der Meere sowie von dem Abbau von Rohstoffen“. „Bitte seien Sie ein wenig nachtsichtig, pardon, nachsichtig, denn dieser Text kommt direkt aus der Tiefsee, und da ist es ab 1000 Metern ganz dunkel“,  ähnlich  wie die Themenräume, insbesondere der Bereich „Meeresforschung“, bereitet  Prof. Dr. Katrin Böhning-Gaese die Presse auf das Eintauchen in die Meereswelt in den neuen Ausstellungsräumen vor. Sie selbst habe  ein  ganz besonderes Faibel für den Walfall.

Themenraum Tiefsee

Der Riesenkalmar Architeuthis dux ist einer der sagenumwobensten Tiefsee-Bewohner. Erst 1854 lieferte der Fund eines RiesenkalmarSchnabels den Beweis seiner Existenz. In der Ausstellung ist ein Modell im Maßstab 1:1 zu bestaunen. © Foto: Diether v. Goddenthow
Der Riesenkalmar Architeuthis dux ist einer der sagenumwobensten Tiefsee-Bewohner. Erst 1854 lieferte der Fund eines RiesenkalmarSchnabels den Beweis seiner Existenz. In der Ausstellung ist ein Modell im Maßstab 1:1 zu bestaunen. © Foto: Diether v. Goddenthow

Wer in das Dunkel des Themenraums Tiefsee „eintaucht“ , den weichen Boden spürt und den von der Decke herabhängenden Tiefseeschwarm aus 1:1-Modellen wie den etwa 8 Meter langen Riesenkalmar oder Riemenfisch und all die zahlreichen exotisch bis gruselig anmutenden Tiefsee-Exponate aus Wand- und Standvitrinen entgegenleuchten sieht, wähnt sich fast schon selbst 1000 Meter und tiefer unterm Meeresspiegel. Besucher erwartet hier nicht nur ein ästhetisches anmutendes Erlebnis, sondern auch viele neue Einblicke und Erkenntnisse in die weitestgehend noch unbekannte Lebenswelt der Tiefsee. Erst 20 Prozent der Tiefsee-Organismen seien entdeckt und erst 7 Prozent des Meeresgrundes vermessen, so Dr. Gerd Hoffmann-Wieck. Neben zahlreichen Originalpräparaten aus den wissenschaftlichen Sammlungen Senckenbergs werden drei Lebensraumausschnitte der Tiefsee gezeigt: Black Smoker, Weichboden und Walfall. Sie stellen Hotspots der Biodiversität, bzw. temporäre Nahrungsquellen in der Tiefsee dar.

Walfall

Wenn tote Wale auf dem Meeresboden niedergehen, spricht man von „Walfällen“. In einem ansonsten nahrungsarmen Bereich stellen ihre sterblichen Überreste für eine Vielzahl dort lebender Organismen ein wahres Festmahl dar. Das international  einzigartige Walfall-Modell in der Ausstellung zeigt die vier Phasen der Zersetzung des Walkadavers. © Foto: Diether v. Goddenthow
Wenn tote Wale auf dem Meeresboden niedergehen, spricht man von „Walfällen“. In einem ansonsten nahrungsarmen Bereich stellen ihre sterblichen Überreste für eine Vielzahl dort lebender Organismen ein wahres Festmahl dar. Das international einzigartige Walfall-Modell in der Ausstellung zeigt die vier Phasen der Zersetzung des Walkadavers. © Foto: Diether v. Goddenthow

Ein Walfall, so Dr. Thorolf Müller, sei eine Nahrungs-Oase in der Tiefsee. Sinke der große tote Meeressäuger bis auf den Grund des ansonsten nahrungsarmen Meeres, gäbe es für die unterschiedlichsten Mitbewohner der Tiefsee Nahrung über Jahre. Der Verfall des Walkadavers erfolge in vier aufeinander folgenden Phasen, so der Kurator. Zuerst fressen Aasfresser das weiche Gewebe, in der zweiten Phase fressen Muscheln und andere Tiefseebewohner weiter. Im dritten Stadium zersetzen schwefelliebende Bakterien die Lipide in den Knochen, was Jahre bis Jahrzehnte dauern kann. Und im letzten Stadium – dem Riffstadium – besiedeln sesshafte Organismen die Knochenreste. Besonders spannend, um nur mal ein der zahlreich dargestellten Beispiele aus Phase 3 herauszupicken, ist die Rolle des „Knochenfresser-Wurms“.

Hier "nagt" der Zombiewurrn, ein Tier ohne Augen, Mund und Darm, sich zersetzend durch die Knochen des toten Meeressäugers. © Foto: Diether v. Goddenthow
Hier „nagt“ der Zombiewurrn, ein Tier ohne Augen, Mund und Darm, sich zersetzend durch die Knochen des toten Meeressäugers. © Foto: Diether v. Goddenthow

Auch „Zombie-Wurm“ genannt, zersetzt dieses Tier ohne Augen, Mund und Darm die Knochen von Wal-Kadavern. Kurios ist auch, dass aus einer Zombie-Larve, die unmittelbar auf dem Knochen siedelt, ein Weibchen wird. Landet jedoch die Larve  auf einem anderen Weibchen, erwächst hieraus ein Männchen. Es lebst im Weibchen.

 

 

Black Smoker – Chemosynthese

Auf bis zu 400 °C aufgeheiztes, mineralreiches Meerwasser steigt durch Risse aus dem Meeresboden empor. Die abkühlungsbedingt ausflockenden Mineralien formen diese typischen Black-Smoker-Gebilde. © Foto: Diether v. Goddenthow
Auf bis zu 400 °C aufgeheiztes, mineralreiches Meerwasser steigt durch Risse aus dem Meeresboden empor. Die abkühlungsbedingt ausflockenden Mineralien formen diese typischen Black-Smoker-Gebilde. © Foto: Diether v. Goddenthow

Aus einer gläsernen Großvitrine ein paar Schritte neben dem Wal-Fall schimmert im Dämmerlicht ein „Schwarze Raucher“. Diese „Black Smoker“ entstehen in Regionen mit vulkanischer Aktivität an Stellen, an denen durch das Erdinnere aufgeheiztes, mineralreiches Meerwasser mit bis zu 400 °C durch Risse aus dem Meeresboden austritt. Sobald das Wasser abkühlt, flocken die darin gelösten Mineralstoffe schnell aus und lagern sich Schicht für Schicht zu schornsteinähnlichen Strukturen ab. Schwarze Raucher sind Lebensräume, die ohne Sonnenlicht und Photosynthese funktionieren. Mikroorganismen nutzen an diesen Heißwasserquellen gelöste Schwefel- und Mineralstoffe als Energiequelle. Man nennt diesen Prozess Chemosynthese. Diese Mikroorganismen oder ihre Stoffwechselprodukte dienen wiederum Muscheln, Würmern, Krebsen und Fischen als Nahrung.

Weichböden der Tiefsee 

In den Weichböden der Tiefsee werden bis zu 10 Mio. unbekannte Arten vermutet.© Foto: Diether v. Goddenthow
In den Weichböden der Tiefsee werden bis zu 10 Mio. unbekannte Arten vermutet.© Foto: Diether v. Goddenthow

Da ein Großteil der Ozeanböden auf den ersten Blick leblosen Wüsten aus Schlick und Sedimenten gleicht, was aber weit gefehlt ist, wurde für die Ausstellung ein „Weicher Meeresboden“ nachgebaut. Weichböden sind von Borstenwürmern, Fischen, Muscheln und vielen anderen sehr kleinen bis zu mikroskopisch kleinen Lebewesen besiedelt, so Dr. Thorolf Müller. Bohrkernuntersuchungen zeigten, dass sich in den Weichböden der Tiefsee eine enorme Artenvielfalt verberge. Es werde vermutet, dass dort bis zu 10 Mio. unbekannte Arten leben könnten, wodurch die Artenvielfalt der Weichböden der in tropischen Riffen und Regenwältern in nichts nachstehe, so der Kurator.

Biolumineszieren – Eigenlichterzeugung 

Alarmqualle lebt in 1000 bis 4000 Metern Tiefe. Wird sie angegriffen sendet sie eine Reihe von kreisförmig pulisierenden Lichtblitzen aus, wodurch auch größere Raubtiere abgeschreckt werden. © Foto: Heike v. Goddenthow
Alarmqualle lebt in 1000 bis 4000 Metern Tiefe. Wird sie angegriffen sendet sie eine Reihe von kreisförmig pulisierenden Lichtblitzen aus, wodurch auch größere Raubtiere abgeschreckt werden. © Foto: Heike v. Goddenthow

Einen Neben-Raum weiter geht es um das Thema Biolumineszenz. Viele Tiefseebewohner können durch eine chemische Reaktion eigenes Licht erzeugen – sie biolumineszieren. Besucher können dies anschaulich nachvollziehen an acht Modellen von Tiefsee-Organismen wie etwa der Alarmquelle. Per Knopfdruck können diese zum Leuchten gebracht werden. Dabei sind Besucher von Geräuschen der Tiefsee umgeben, die mit Unterwasser-Mikrophonen von der amerikanischen National Oceanic and Atmospheric Administration (NOAA) aufgezeichnet wurden.

Themenraum Meeresforschung

Impression aus dem Themenraum "Meeresforschung", unter anderem mit einem herabhängendem Tiefsee-Schleppnetz. Erst mit diesen Spezialnetzen war es überhaupt möglich Lebewesen aus mehreren 100 oder 1000 Metern Tiefe zu bergen. Zuvor kannte man nur Tiefsee-Tiere, die beispielsweise durch einen Tsunami vom Meeresgrund hochgespült wurden. © Foto: Diether v. Goddenthow
Impression aus dem Themenraum „Meeresforschung“, unter anderem mit einem herabhängendem Tiefsee-Schleppnetz. Erst mit diesen Spezialnetzen war es überhaupt möglich Lebewesen aus mehreren 100 oder 1000 Metern Tiefe zu bergen. Zuvor kannte man nur Tiefsee-Tiere, die beispielsweise durch einen Tsunami vom Meeresgrund hochgespült wurden. © Foto: Diether v. Goddenthow

Besonders Technik-Fans dürften im Raum „Meeresforschung“ auf ihre Kosten kommen. Gezeigt werden hier die wichtigsten Geräte und Techniken, deren es zur Erforschung der Meere und Tiefsee bedarf wie Netze, Bohrgeräte und Schlitten sowie Hightech-Geräte, die auf Forschungsschiffen eingesetzt werden. Geforscht und gemessen wird von der Oberfläche bis hinab zum Meeresboden. Viele Geräte hängen an Stahlseilen und Kabeln, einige navigieren selbstständig – so zum Beispiel das Autonome Unterwasser-Vehikel „ABYSS“ vom GEOMAR. Die designierte GEOMAR-Direktorin Prof. Dr. Katja Matthes nennt diese Tiefsee-Geräte die „Verlängerung der Arme und Augen der Forscher in der Tiefsee“ und spricht von einer „nassen NASA“, weil die Tiefsee-Messtechnik ähnlichen Extrembedingungen standhalten muss, wie die in der Raumfahrt.

Dr. Gerd Hoffmann-Wieck (GEOMAR) zeigt, wie die mit dem Schwerelot aus dem Meeresboden gestanzten Sedimentschichten geborgen werden und man aus ihnen lesen kann. © Foto: Diether v. Goddenthow
Dr. Gerd Hoffmann-Wieck (GEOMAR) zeigt, wie die mit dem Schwerelot aus dem Meeresboden gestanzten Sedimentschichten geborgen werden und man aus ihnen lesen kann. © Foto: Diether v. Goddenthow

Mit Schwereloten, so Dr. Gerd Hoffmann-Wieck (GEOMAR), die von einem Forschungsfisch herabgelassen werden und sich in den Meeresboden bohren, stanzen Meeresforscher Kerne mit Sedimentschichten heraus. Hieraus könne wie aus einem globalen Geschichtsbuch über die Zusammensetzung der einzelnen über Jahrmillionen abgelagerten Schichten anorganischen und organischen Materials gelesen werden.

Auf Tauchfahrt mit Tiefsee-Roboters „BEMBEL“ 

6000 Meter können Besucher mit dem Tauchroboter "Bembel Frankfurt 11.000" virtuell abtauchen. Am Steuer Prof. Dr. Katrin Böhning-Gaese, die hier den Journalisten das faszinierende Simulations-Abenteuer erläutert und vorführt. © Foto: Diether v. Goddenthow
6000 Meter können Besucher mit dem Tauchroboter „Bembel Frankfurt 11.000″ virtuell abtauchen. Am Steuer Prof. Dr. Katrin Böhning-Gaese, die hier den Journalisten das faszinierende Simulations-Abenteuer erläutert und vorführt. © Foto: Diether v. Goddenthow

In der interaktiv gestalteten Ausstellung können Besucher selbst zu Piloten des Tiefsee-Roboters „BEMBEL“ werden und sich auf eine virtuelle Tauchfahrt bis in eine Tiefe von 6000 Metern zur Unterwassererkundung begeben. Mit „BEMBEL Frankfurt 11.000“ präsentieren die Ausstellungsmacher ein interaktives U-Boot-als mögliche Zukunft einer bemannten Tiefsee-Unterwasser- Erkundung.  Da bemannte Tauchfahrten in die Tiefsee sehr teuer, aufwendig und gefährlich sind, setzen Tiefseeforscher meist unbemanntes Gerät ein.

Tiefsee ist größter Lebensraum der Erde – Begleitbuch
SB_83_Tiefsee_MIT_U1-240x270Die Tiefsee ist der größte zusammenhängende Lebensraum der Erde, jedoch gehört sie zu den am wenigstens erforschten Regionen. Über 90 Prozent der Tiefsee sind komplett unbekanntes Gebiet. Nur 0,0001 % wurden von Menschen gesehen und intensiv erforscht. Je nach Definition, beginnt die Tiefsee  bei 200 Metern Meerestiefe. Sie ist durchschnittlich 3,8 km tief, wobei die tiefste Region, der Mariannengraben,  mit 11 km tiefer ist als der Mount Everest hoch ist. Inzwischen weiß man, dass trotz der ab 1000 Metern  ewig herrschenden Finsternis, lähmenden Kälte, enormem Druck und ständigen Nahrungsknappheit vielfältiges Leben in der Tiefsee existiert. Alles darüber finden Sie im von Thorolf Müller und Gerd Hoffmann-Wieck herausgegebenen Begleitbuch zur Ausstellung: Tiefsee – Vielfalt in der Dunkelheit“ , Frankfurt 2020)

Sponsoren
Der Raum Tiefsee wurde ermöglicht durch die Unterstützung der Familie Orenstein. Der Raum Meeresforschung durch die Unterstützung der DZ BANK Stiftung und der Mitglieder der Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung. „Die DZ BANK Stiftung hat sich der Förderung von Bildung, Forschung und Lehre verschrieben. Mit der Unterstützung des Themenraums Meeresforschung würdigen wir die Verdienste der Naturwissenschaften in diesem Bereich und freuen uns, die faszinierende Diversität der Tiefsee weiter zu ergründen“, so Dr. Cornelius Riese, Co-Vorstandsvorsitzender der DZ BANK.

Besuch unter Einhaltung der Hygiene-Bedingungen
Wegen der Auswirkungen der Corona-Pandemie musste die ursprünglich für den 15. Mai geplante Eröffnung der Themenräume „Tiefsee“ und „Meeresforschung“ auf den 3. September 2020 verschoben werden. Sie kann nun unter Berücksichtigung geltender Sicherheitsmaßnahmen eröffnet werden. Nach aktuell geltenden Regelungen sind zunächst maximal 20 Personen in den Räumen zugelassen. Ein Besuch der neuen Ausstellungsräume ist daher nur nach vorheriger Anmeldung unter museumfrankfurt.senckenberg.de möglich. Hier können einzelne Zeitslots für den Besuch der neuen Räume gebucht werden. In der Ausstellung gilt die Abstandsregelung von 1,5 Metern und das Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes ist Pflicht. Vor Besuch des Museums empfehlen wir, die aktuellen Regelungen auf unserer Webseite nachzulesen: museumfrankfurt.senckenberg.de

(Dokumentation Diether v. Goddenthow /Rhein-Main.Eurokunst)

Wissenschaftspartner GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel.

Das GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel ist eine der weltweit führenden Einrichtungen auf dem Gebiet der Meeresforschung. Aufgabe des Instituts ist die Untersuchung der chemischen, physikalischen, biologischen und geologischen Prozesse im Ozean und ihre Wechselwirkung mit dem Meeresboden und der Atmosphäre. Mit dieser Bandbreite deckt das GEOMAR ein in Deutschland einzigartiges Spektrum ab.

Die Natur mit ihrer unendlichen Vielfalt an Lebensformen zu erforschen und zu verstehen, um sie als Lebensgrundlage für zukünftige Generationen erhalten und nachhaltig nutzen zu können – dafür arbeitet die Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung seit nunmehr 200 Jahren. Diese integrative „Geobiodiversitätsforschung“ sowie die Vermittlung von Forschung und Wissenschaft sind die Aufgaben Senckenbergs. Drei Naturmuseen in Frankfurt, Görlitz und Dresden zeigen die Vielfalt des Lebens und die Entwicklung der Erde über Jahrmillionen. Die Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung ist ein Mitglied der Leibniz-Gemeinschaft. Das Senckenberg Naturmuseum in Frankfurt am Main wird von der Stadt Frankfurt am Main sowie vielen weiteren Partnern gefördert. Mehr Informationen unter www.senckenberg.de

Sanierung des ältesten Bauwerks von Wiesbaden – Römermauer wird restauriert und dauerhaft geschützt

Um die Wartezeit bis zum Abbau des doch ziemlich unansehnlichen, schmucklosen Gerüstes ansehnlicher zu überbrücken, hat man sich entschlossen, die Außenhaut des Gerüstes mit einem gestalteten Netz (einer Außenhaut), bedruckt mit einigen Informationen und Bildern zur Geschichte der Römermauer, zu umhüllen. © Foto: Diether v. Goddenthow
Um die Wartezeit bis zum Abbau des doch ziemlich unansehnlichen, schmucklosen Gerüstes ansehnlicher zu überbrücken, hat man sich entschlossen, die Außenhaut des Gerüstes mit einem gestalteten Netz (einer Außenhaut), bedruckt mit einigen Informationen und Bildern zur Geschichte der Römermauer, zu umhüllen. © Foto: Diether v. Goddenthow

Anlässlich der Einweihung der vorübergehenden Umkleidung für die Sanierungszeit der „Heidenmauer“, die jetzt Römermauer heißt, hatten die Stadt Wiesbaden und das Hochbauamt in Beisein von Vertretern der Landesdenkmalpflege und Roland Presbar, Ortsvorsteher des Bezirks Mitte, zu einem Ortstermin eingeladen. „Wir haben die Heidenmauer wieder sichtbar gemacht- zunächst nur als Bild“ auf der Außenhaut, so Baudezernent Hans-Martin Kessler. Ähnlich wie bei den Sanierungsarbeiten am Stadtschloss säumt die Römertor-Baustelle eine Umkleidung, bedruckt mit einigen Informationen und Bildern zur Geschichte der Römermauer.

Die Römermauer aus dem 3. bis 4. Jahrhundert n. Chr. ist die größte im Bauvolumen erhaltene Struktur der Antike – nicht nur in Wiesbaden, sondern sogar in ganz Hessen. Die Römermauer repräsentiert mit ihren verbliebenen Mauerresten eine fast 2000-jährige Baugeschichte und nötigt dem heutigen Betrachter noch Respekt vor römischer Baukunst und Bautechnik ab. Allerdings sind von der nachweislich 500 Metern Länge nur noch rund 80 Meter Mauer bis zu einer Höhe von 10 Metern erhalten, beziehungsweise in einem solch desolaten Zustand, nicht zuletzt wegen fehlerhafter Sanierungsarbeiten in den 70er Jahren, so dass sie dringend saniert werden muss. Die Heidenmauer, wie sie bislang hieß, sei Teil einer Stadtmauer, die anscheinend niemals ganz fertiggestellt worden ist,“ hob Dieter Neubauer vom Landesamt für Denkmalpflege hervor.

Um weitere Schäden an dem überaus wertvollen Denkmal zu verhindern, betreibt das Hochbauamt der Stadt Wiesbaden seit zirka 10 Jahren eine schrittweise Sicherung des gesamten Bestandes. Um weiterem Substanzverlusten und Witterungseinflüssen und Pflanzenbezug vorzubeugen, wird die – eigentlich in den vergangenen Jahrzehnten eher stiefmütterlich behandelte – Römermauer grundsaniert. Das macht eine intensive baulich-restauratorische Bearbeitung der römischen Substanz notwendig, sowie tiefergreifende bauhistorische Untersuchungen und Einstufungen. Dieser Prozess nimmt einen langen Zeitraum in Anspruch, was jedoch der Bedeutung eines Bauwerks von nationaler Einzigartigkeit angemessen ist.

Später soll die Römermauer so überdacht werden, dass sie vor weiteren Witterungseinflüssen geschützt ist und dennoch ansehnlich bleibt. © Foto: Diether v. Goddenthow
Später soll die Römermauer so überdacht werden, dass sie vor weiteren Witterungseinflüssen geschützt ist und dennoch ansehnlich bleibt. © Foto: Diether v. Goddenthow

Die Römermauer soll zudem eine Art Schutzdach (Schutzbauwerk) erhalten, um sie dauerhaft vor Witterungseinflüssen zu sichern. Hierzu wird aktuell ein Architektenwettbewerb vorbereitet. Diesem ist ein Ideenwettbewerb angegliedert zur Neugestaltung der Grünflächen und der Straßenräume in der näheren Umgebung der Römermauer. Der Wettbewerb soll voraussichtlich im September/Oktober ausgelobt werden.

Die Gesamtmaßnahme wird vom Hochbauamt in enger Zusammenarbeit mit dem Kulturamt, weiteren Fachämtern sowie der Unteren Denkmalschutzbehörde und dem Landesamt für Denkmalplfege mit seinen Fachabteilungen begleitet.

Wenn die Maßnahmen umgesetzt sind, wird die Ruine Römermauer auch für künftige Generationen ein identitätsstiftendes und bedeutendes Zeugnis längst vergangener Zeiten sein. Darüber hinaus wird sie ein lohnendes Ausflugsziel und Ort kultureller Veranstaltungen, mit einer großen Strahlkraft weit über die Stadtgrenzen von Wiesbaden hinaus sein , sind sich die Wiesbadener Ämter und die Denkmalpfleger ganz sicher.

Rheingau Literatur Festival 2020 – WeinLese vom 17.9. bis 27.9.2020

Oestrich-Winkel, 03.09.2020 – Zur herbstlichen WeinLese hält zwischen dem 17. und 27. September 2020 wieder ein literarischer Jahrgang Einzug in einmalige Kulturstätten des Rheingaus. Kloster Eberbach, Schloss Johannisberg und die an mittelalterliche Architektur erinnernde romantische Burg Schwarzenstein laden dazu ein, mit Literatur auf Tuchfühlung zu gehen.

„Auch in diesem Corona-Jahr, in dem wir das Rheingau Musik Festival bedauerlicherweise absagen mussten, möchten wir herzlich einladen, zu den Lesungen in den Rheingau zu kommen. Die Lesungen finden im großen Tagungssaal von Burg Schwarzenstein, im Fürst-von-Metternich-Saal von Schloss Johannisberg und im Laiendormitorium von Kloster Eberbach statt, so dass das Publikum den Veranstaltungen unter Berücksichtigung der geltenden Abstands- und Hygieneregeln beiwohnen kann.“ so Michael Herrmann, Intendant und Geschäftsführer des Rheingau Musik Festivals.

Das Rheingau Literatur Festival nimmt die vielgerühmten Eigenarten des Rheingaus auf und bietet eine schöne Mixtur aus Vergnügen und geistiger Anregung. Etwa mit den Weinwanderungen mit dem Senior-Winzer Franz Herke und dem überaus kundigen Kultur- und Weinbotschafter Wolfgang Blum. Beim legendären Koch und Kenner Franz Keller kann man erfahren, wie wunderbares regionales Essen mit einfachen Mitteln zu kochen ist.

Neue Literatur bildet wie immer einen Schwerpunkt des Bücherfestes. Dabei wird die Balance zwischen bewährten, beliebten Gästen und Autorinnen und Autoren gesucht, die zum ersten Mal in den Rheingau kommen. Mit Thomas Mann hat die Auftaktveranstaltung des Festivals zu tun.

Andreas Platthaus war im vorigen Jahr vier Monate Stipendiat im Haus von Thomas Mann in Pacific Palisades. Über seine Erfahrungen berichtet er in seinem Buch „Auf den Palisaden.

Amerikanisches Tagebuch“. Mit Ingrid Noll werden gleich zwei Traditionen gepflegt: Sie ist eine der erfolgreichsten deutschen Autorinnen von Kriminalromanen und sie wird von vielen Festivalgästen verehrt. Tilman Spreckelsen bietet wieder ein doppeltes Vergnügen: Krimi-Spannung und mit Theodor Storm literarische Feinkost.

Rheingau Literatur Preisträger werden immer wieder gerne mit ihren neuen Büchern eingeladen. Ingo Schulze hat den Preis 2017 erhalten, jetzt stellt er seinen gerühmten Roman „Die rechtschaffenen Mörder“ vor. In diesem Jahr wird Annette Pehnt mit dem Rheingau Literatur Preis ausgezeichnet. „Alles was Sie sehen ist neu“ lautet der Titel ihres ausgezeichneten Romans.

Literarische Vielfalt ist das Markenzeichen der Veranstaltungsreihe. Dazu gehören auch sogenannte Sachbücher. Es kann zum Beispiel auch einmal um die wichtigste Frage unserer Existenz gehen: Wie kommt unser Selbst zustande? Dem geht der renommierte Autor Joachim Bauer in seinem Buch „Wie wir werden, wer wir sind“ nach. Zudem kann man sich auf eine Galerie bedeutender Neuerscheinungen von Nele Pollatscheck, Terézia Mora, John von Düffel und Thomas Hettche freuen. Er schreibt in seinem Roman „Herzfaden“ liebevoll und kenntnisreich über die Augsburger Puppenkiste.

Relais & Châteaux Hotel Burg Schwarzenstein unterstützt das Rheingau Literatur Festival wieder als Hauptsponsor. hr2-kultur ist der Medienpartner.

Die Veranstaltungen der WeinLese 2020 im Überblick:

17.9. Donnerstag, 20.00 Uhr, Kloster Eberbach, Laiendormitorium
Andreas Platthaus: Auf den Palisaden. Amerikanisches Tagebuch
Ruth Fühner Moderation
22,- Euro

18.9. Freitag, 20.00 Uhr, Kloster Eberbach, Laiendormitorium
John von Düffel: Der brennende See
Martin Maria Schwarz Moderation
20,- Euro

19.9. Samstag, 10.30 Uhr, Parkplatz am Rheinweg/Am Lindenplatz, Oestrich-Winkel
Literarische Weinwanderung zu den Rieslingschlössern
Auf Dichters und Denkers Spuren durch den Rheingau
48,- Euro

19.9. Samstag, 20.00 Uhr, Kloster Eberbach, Laiendormitorium
Ingo Schulze: Die rechtschaffenen Mörder
Martin Maria Schwarz Moderation
24,- Euro

20.9. Sonntag, 16.00 Uhr Kloster Eberbach, Laiendormitorium
Ingrid Noll: In Liebe Dein Karl und Goldschatz
Heiner Boehncke Moderation
24,- Euro

20.9. Sonntag, 18.00 Uhr, Die Adler Wirtschaft, Eltville-Hattenheim
Franz Keller: Ab in die Küche! – Lesung mit Verkostung
Martin Maria Schwarz Moderation
60,- Euro

20.9. Sonntag, 20.00 Uhr, Kloster Eberbach, Laiendormitorium
Thomas Hettche: Herzfaden
Ruth Fühner Moderation
20,- Euro

24.9. Donnerstag, 20.00 Uhr, Schloss Johannisberg, Fürst-von-Metternich-Saal
Tilman Spreckelsen: Die Nordseefalle. Ein Theodor-Storm-Krimi
Heiner Boehncke Moderation
20,- Euro

25.9. Freitag, 20.00 Uhr, Schloss Johannisberg, Fürst-von-Metternich-Saal
Terézia Mora: Auf dem Seil
Andreas Platthaus Moderation
20,- Euro

26.9. Samstag, 10.00 Uhr, Seilbahn-Talstation, Rüdesheim
Literarische Wanderung durch Amors Garten
54,- Euro

26.9. Samstag, 20.00 Uhr, Schloss Johannisberg, Fürst-von-Metternich-Saal
Nele Pollatschek: Dear Oxbridge. Liebesbrief an England
Andreas Platthaus Moderation
20,- Euro

27.9. Sonntag, 11.00 Uhr, Burg Schwarzenstein, Geisenheim-Johannisberg
Verleihung des Rheingau Literatur Preises 2020 an Annette Pehnt

Andreas Platthaus Laudatio
Heiner Boehncke Moderation
20,- Euro

27.9. Sonntag, 18.00 Uhr, Burg Schwarzenstein, Geisenheim-Johannisberg
Joachim Bauer: Wie wir werden, wer wir sind.
Joachim Müller-Jung Moderation
24,- Euro

Informationen auf einen Blick zum Download 

Kartenverkauf

Alle Preise zzgl. Systemgebühr von 1,80 Euro pro Karte und Servicegebühr von 2,90 Euro pro Auftrag.
Karten unter 06723 / 60 21 70 und www.rheingau-literatur-festival.de

Das Festival digital erleben: Die Online-Kampagne „Trotzdem Sommer!“ findet auf allen Kanälen statt! Weitere Informationen finden Sie auf www.rheingau-musik-festival.de.

ARTe Wiesbaden 2020 vom 25. bis 27. September

© Foto: Diether v. Goddenthow
© Foto: Diether v. Goddenthow

Im vergangenen Jahr feierte die junge Kunstmesse ARTe in Wiesbaden ein ebenso aufregendes wie erfolgreiches lokales Debüt – eine Wiederholung galt als ausgemacht. Dann kam der Corona-Shutdown und mit ihm eine beispiellose, weltweite Serie an Absagen von Kunst- und Kulturveranstaltungen und aller
namhaften Kunstmessen. Ob die ARTe Wiesbaden im kommenden Herbst stattfinden kann, stand eine ganze Weile in den Sternen. Jetzt zeichnet sich eine gute Nachricht ab: Die ARTe Wiesbaden, so lassen die Messemacher verlauten, wird wie geplant vom 25. bis 27. September im RheinMain CongressCenter stattfinden und damit als eine der ersten Messen wieder die Tore für ein kunstbegeistertes Publikum öffnen.

Zeitgenössische Kunst im Erlebnisformat: Drei Tage lang vom 25. bis 27. September 2020 lädt die spritzige Kunstmesse ARTe im neu erbauten RheinMain CongressCenter im Herzen von Wiesbaden zum Flanieren durch ihr reiches Angebot an Gegenwartskunst ein. Skulpturen, Gemälde, Zeichnungen, Fotografien, Collagen und Installationen …

© Foto: Diether v. Goddenthow
© Foto: Diether v. Goddenthow

Auf 5.000 qm zeigen rund 100 ausgewählte Galerien und Künstler aus der Region, dem In- und dem Ausland auf der ARTe in einem inspirierten Präsentationsambiente ihre aktuellen Positionen. Die Besucher erwartet junge, freche Kunst von etablierten Künstlern, verwegenen neuen Meistern und vielversprechenden Talenten. Die ARTe – das kreative Schaufenster für die zeitgenössische Kunst in der Rhein-Main-Region und darüber hinaus.

Die ARTe 2020 in Wiesbaden findet vom 25. bis 27. Sept. im RheinMain CongressCenter Wiesbaden statt.

Am Fr ist die Messe von 17 bis 21 Uhr geöffnet, am Sa von 11 bis 20 Uhr, am So von 11 bis 18 Uhr.

Der Eintritt kostet für Erwachsene 15 €, ermäßigt 10 €. Für Kinder unter 16 Jahren in Begleitung Erwachsener ist der Eintritt frei. Änderungen vorbehalten.

Infos zum Kauf von Tickets, aktuellen Abstands- und Hygieneregeln sowie zu weiteren coronabedingten Pflichten und Maßnahmen erhalten Sie unter www.arte-messe.de und unter der Telefonnummer +49 (0)7031 791 118. Bitte entsprechend vorab informieren!

Weitere Informationen: www.arte-messe.de

„Dem ungelesenen Buche“ und „Wovon wir träumen“: Neue Kunstwerke auf dem Campus reflektieren den Standort

Präsident der JGU, Prof. Dr. Georg Krausch begrüßt vor der Universitätsbibliothek die Künstlerinnen und Freunde und Förderer der JGU zur kleinen feierlichen Übergabe der beiden neuen Kunstwerke: der Büchersessel von Liesel Metten und den großformatigen Fassaden-Print des Gemäldes "Wovon wir träumen" von Silvia Willkens, jeweils gestiftet von Prof. Dr. Elisabeth Gateff. © Foto: Diether v. Goddenthow
Präsident der JGU, Prof. Dr. Georg Krausch begrüßt vor der Universitätsbibliothek die Künstlerinnen und Freunde und Förderer der JGU zur kleinen feierlichen Übergabe der beiden neuen Kunstwerke: der Büchersessel von Liesel Metten und den großformatigen Fassaden-Druck des Gemäldes „Wovon wir träumen“ von Silvia Willkens, jeweils gestiftet von Prof. Dr. Elisabeth Gateff. © Foto: Diether v. Goddenthow

Die Stifterinnen Elisabeth Gateff und Heidrun Feine prägen mit den Kunstwerken von Liesel Metten und Silvia Willkens das Erscheinungsbild des Campus

Auf dem Campus der Johannes Gutenberg-Universität Mainz finden sich mehr als 50 Kunstwerke. Sie verleihen dem Campus mit seinen verschiedenen Quartieren ein architektonisch-städtebauliches Profil. Sie geben damit Orientierung und stärken die Identifikation der Nutzerinnen und Nutzer mit den Gebäuden und Plätzen. Zwei neue Kunstwerke exponieren jetzt die Standorte Universitätsbibliothek Mainz und Georg Forster-Gebäude: der Büchersessel von Liesel Metten und großformatige Fassaden-Print des Gemäldes „Wovon wir träumen“ von Silvia Willkens, jeweils gestiftet von Prof. Dr. Elisabeth Gateff. Das Originalgemälde aus dem Jahr 2016, das dem Print zugrunde liegt, wurde der JGU durch Heidrun Feine ebenfalls gestiftet und ist in der Universitätsbibliothek Mainz zu sehen. „Wir danken den Künstlerinnen und Stifterinnen sehr für diese herausragenden Arbeiten, die sich nicht nur in ihrer Ästhetik in den jeweiligen Raum einpassen und so zu einem ansprechenden Erscheinungsbild des Campus beitragen“, erklärt der Präsident der JGU, Prof. Dr. Georg Krausch. „Die beiden Kunstwerke, weit mehr als Dekor, reflektieren vor allem auch den Standort und seine Funktion. Indem sie die intellektuellen Dimensionen ihrer Umgebung visualisieren, befördern die Werke die intellektuelle Auseinandersetzung und tragen auch auf diese Weise dem Selbstverständnis und Anspruch von Universität Rechnung.“

„Dem ungelesenen Buche“ einen Sessel

Büchersessel "Dem ungelesenen Buche" © Foto: Diether v. Goddenthow
Büchersessel „Dem ungelesenen Buche“ © Foto: Diether v. Goddenthow

Dem Büchersessel liegt die Idee der Künstlerin Liesel Metten zugrunde, dass jedes Buch bewahrt werden müsse – wenn nicht in einer Bibliothek, dann doch als gemeinschaftsstiftendes Kunstprojekt. Vierhundert weggeworfene Bücher aus Altpapiertonnen wurden von den 130 Schülerinnen und Schülern der Liesel-Metten-Schule in Nieder-Olm eingegipst und angestrichen. Aus den verschiedenen Ideen zur Verwendung der konservierten Bücher wurde der Büchersessel ausgewählt und als Bronzeabguss verwirklicht. Platziert vor der Zentralbibliothek der Mainzer Universitätsbibliothek, verweist das Kunstwerk auf die über 3,5 Millionen gedruckten Medien im Bestand der Universitätsbibliothek Mainz und ebenso auf eine große Zahl an verfügbaren E-Books. Zugleich ist der Büchersessel zur Mitte des Campus ausgerichtet. Wer darin Platz nimmt, blickt hinüber zu dem Ort, der für den Bibliotheksneubau vorgesehen ist. In diesem Neubau soll der Büchersessel nach Fertigstellung der neuen Universitätsbibliothek dauerhaft seinen Platz finden.

„Der Büchersessel ist frei zugänglich und lädt Studierende, Lehrende, Beschäftigte und Gäste zu seiner Benutzung ein – am besten lesend, denkend, schreibend“, erklärt der Vizepräsident für Studium und Lehre der JGU, Prof. Dr. Stephan Jolie. „Der Betrachter wird aufgefordert, den Platz mit seinen eigenen Vorstellungen zu füllen, mit seiner eigenen Beziehung zum Geschriebenen – oder noch Ungeschriebenen. Der Sessel lädt ebenso dazu ein, auf den vielen Büchern zu ruhen, Zwerg auf den Schultern von Riesen zu sein. Er regt aber auch dazu an, das Riesen-Bücherpolster durch eigene Arbeit, durch kritisches Denken und Schreiben wachsen zu lassen. Deshalb ist er gerade nicht denjenigen Büchern gewidmet, die vielgelesen und vielbeachtet sind, sondern eben ‚Dem ungelesenen Buche‘: Ungelesen, weil es noch gar nicht geschrieben ist, weil es vergessen ist, vielleicht verloren oder schlicht, weil es zu der Menge von Literatur gehört, die jede und jeder von uns sich zur Lektüre vorgenommen hat, ohne doch bislang dazu gekommen zu sein.“

Für die Fotografen hat die Künstlerin  Liesel Metten auf "ihrem" Büchersessel Platz genommen, begleitet von. Prof. Georg Krausch (li). rechts die Stifterin Prof. Dr. Elisabeth Gateff mit JGU-Vizepräsident Prof. Dr. Stephan Jolie. © Foto: Diether v. Goddenthow
Für die Fotografen hat die Künstlerin Liesel Metten auf „ihrem“ Büchersessel Platz genommen, begleitet von. Prof. Georg Krausch (li). rechts die Stifterin Prof. Dr. Elisabeth Gateff mit JGU-Vizepräsident Prof. Dr. Stephan Jolie. © Foto: Diether v. Goddenthow

Liesel Metten und Prof. Dr. Elisabeth Gateff – die Künstlerin und die Stifterin des Büchersessels
Der Büchersessel stammt von der rheinhessischen Bildhauerin und Malerin Liesel Metten. Ihr Werk umfasst Skulpturen aus Bronze, Gips, Kork, Styropor und Papier. Sie wurde mit zahlreichen Kunstpreisen und 2016 mit dem Verdienstorden des Landes Rheinland-Pfalz ausgezeichnet.

Die Stifterin des Büchersessels, Prof. Dr. Elisabeth Gateff, tritt seit Jahren als großzügige Förderin der Mainzer Universität in Erscheinung. So hat die emeritierte Professorin der JGU mit einer großen Privatspende im Jahr 2008 den Bau der Grünen Schule im Botanischen Garten auf den Weg gebracht. Auch stiftete sie dem Botanischen Garten schon einmal bedeutende Werke regionaler Künstler, darunter die Frauenfigur „Elisabeth II“ von Reinhold Petermann, „Tanzpartie“ von Eberhard Linke oder die Bärengruppe von Anne-Marie Kuprat. Darüber hinaus setzt sie sich nachhaltig für die Verschönerung des Campus ein. Mit ihrem großen Projekt, den Campus zu begrünen und mit Kunst zu schmücken, prägt sie das Erscheinungsbild der JGU und steigert die Attraktivität des Gutenberg-Campus.

Die emeritierte Professorin Dr. Elisabeth Gateff der JGU  hat unter anderem mit einer großen Privatspende im Jahr 2008 den Bau der Grünen Schule im Botanischen Garten auf den Weg gebracht und möchte das Erscheinungsbild und die ästhetische Attraktivität der JGU steigern  mit ihrem großen Projekt, den Campus zu begrünen und mit Kunst zu schmücken, © Foto: Diether v. Goddenthow
Die emeritierte Professorin Dr. Elisabeth Gateff der JGU hat unter anderem mit einer großen Privatspende im Jahr 2008 den Bau der Grünen Schule im Botanischen Garten auf den Weg gebracht und möchte das Erscheinungsbild und die ästhetische Attraktivität der JGU steigern mit ihrem großen Projekt, den Campus zu begrünen und mit Kunst zu schmücken, © Foto: Diether v. Goddenthow

Elisabeth Gateff wurde 1932 in Sofia geboren. Ihr Interesse an Pflanzen und Gärten reicht bis in ihre Kindheit zurück, als ihr Vater den damals königlichen botanischen Garten von Sofia leitete. Nach dem Studium in München lebte und forschte sie zunächst in den USA und leistete wichtige Beiträge zur Erforschung der Krebsentstehung bei Fruchtfliegen. Von 1983 bis 1997 hatte Gateff den Lehrstuhl für Genetik an der JGU inne. Für ihre Forschung, mit der sie nachwies, dass Krebs eine genetische Grundlage hat, erhielt sie mehrere renommierte Preise. Elisabeth Gateff lebt in Mainz.

Gemälde und Fassaden-Print „Wovon wir träumen“

Im September 2019 installierte die Künstlerin Silvia Willkens an der Fassade des Georg Forster-Gebäudes den 2,50 x 7,00 Meter großen Print mit dem Titel „Wovon wir träumen“. Es ist das Ergebnis einer weiteren Initiative und Stiftung von Elisabeth Gateff, die nach mehr als einem Jahr Vorbereitung realisiert werden konnte. Auf der großformatigen Arbeit präsentiert sich eine Gruppe von fünf jungen Menschen. Kompositorisch in Segmente eingeteilt, entspricht die Darstellung der Idee, dass sich jeder in seiner eigenen Welt und doch gleichzeitig immer in einer Gemeinschaft befindet. Wie in einer Collage sind sie scheinbar zufällig zusammengewürfelt. Jeder von ihnen verfolgt einen eigenen Traum und hat seine ganz individuellen Erwartungen an die Zukunft. Und dennoch gibt es Überschneidungen mit den anderen, dort wo das Persönliche auf das Gemeinsame trifft – in der Kommunikation, im Austausch der Ideen, in gemeinsamen Projekten, in einer bewussten Verortung in der Gesellschaft.

Silvia Willkens versteht ihre Arbeiten als "kollektive Porträts": Es sind Menschenbilder, die uns immer diffus erinnern. Sie sind das Ergebnis einer Zusammenschau von Persönlichkeiten aus unterschiedlichsten Zeiten und Kulturen, wie sie uns in der Kunst überliefert werden. "Jedes Gesicht beheimatet ein eigenes Universum", erklärt die Künstlerin. "Jeder Blick ist eine persönliche Reise in den Raum." © Foto: Diether v. Goddenthow
Silvia Willkens versteht ihre Arbeiten als „kollektive Porträts“: Es sind Menschenbilder, die uns immer diffus erinnern. Sie sind das Ergebnis einer Zusammenschau von Persönlichkeiten aus unterschiedlichsten Zeiten und Kulturen, wie sie uns in der Kunst überliefert werden. „Jedes Gesicht beheimatet ein eigenes Universum“, erklärt die Künstlerin. „Jeder Blick ist eine persönliche Reise in den Raum.“ © Foto: Diether v. Goddenthow

Als Protagonisten der Welt, in der wir leben, sind die Figuren ohne besondere Attribute und betont schlicht gestaltet. Der Blick ist entscheidend. Sie sind eine Metapher für die immer gleiche Herausforderung, den Einzelnen mit der Gemeinschaft in Einklang zu bringen – und unerschrocken den persönlichen Traum in den Ring der Gesellschaft zu werfen. Silvia Willkens versteht ihre Arbeiten als „kollektive Porträts“: Es sind Menschenbilder, die uns immer diffus erinnern. Sie sind das Ergebnis einer Zusammenschau von Persönlichkeiten aus unterschiedlichsten Zeiten und Kulturen, wie sie uns in der Kunst überliefert werden. „Jedes Gesicht beheimatet ein eigenes Universum“, erklärt die Künstlerin. „Jeder Blick ist eine persönliche Reise in den Raum.“

Kunst am Bau präge das Erscheinungsbild des Georg Forster-Gebäudes, betont der Dekan des dort beheimateten Fachbereichs 02 Sozialwissenschaften, Medien und Sport, Prof. Dr. Gregor Daschmann: „Wie die eindrucksvolle Glasfassade, bedruckt mit prägnanten Zitaten, lädt nun auch das großformatige Gemälde unsere Studierenden und Beschäftigten, aber auch Besucher und Passanten zum Verweilen und Nachdenken ein.“

Kunst am Bau präge das Erscheinungsbild des Georg Forster-Gebäudes, betont der Dekan des dort beheimateten Fachbereichs 02 Sozialwissenschaften, Medien und Sport, Prof. Dr. Gregor Daschmann.  © Foto: Diether v. Goddenthow
Kunst am Bau präge das Erscheinungsbild des Georg Forster-Gebäudes, betont der Dekan des dort beheimateten Fachbereichs 02 Sozialwissenschaften, Medien und Sport, Prof. Dr. Gregor Daschmann. © Foto: Diether v. Goddenthow

Großprojekte im Öffentlichen Raum
Silvia Willkens arbeitet in den klassischen Disziplinen von Malerei und Zeichnung. Zudem hat sie mehrere Großprojekte im Öffentlichen Raum realisiert; darunter auch 2012 die Wandgestaltung „Ricercare“ am Institut für Anthropologie auf dem Universitätscampus. Diese Komposition, drei Meter hoch und ca. zehn Meter breit, versinnbildlicht den forschenden Menschen sowie den Menschen, der erforscht wird durch den Menschen.

Willkens studierte Kunsterziehung an der Akademie der Bildenden Künste Stuttgart, Kunstgeschichte an der Universität Stuttgart sowie Kunst an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz. Sie unternahm Studienreisen unter anderem in die USA und nach Afrika. Zahlreiche Aufenthalte und Kunstprojekte führten sie nach Italien. Ihre Arbeiten werden international ausgestellt mit Schwerpunkt in Asien und USA. Silvia Willkens lebt in Mainz.

Das Originalgemälde „Wovon wir träumen“ aus dem Jahr 2016, das dem Fassaden-Print zugrunde liegt, wurde der JGU durch Heidrun Feine ebenfalls gestiftet. Das 100 x 220 cm große Bildnis, Acryl/Leinwand, ist in der Universitätsbibliothek Mainz zu sehen. „Nachdem die Wandgestaltung am Georg Forster-Gebäude auf einem Bild von Silvia Willkens beruht, erschien es mir folgerichtig, das Original auch in der Universität zu beheimaten“, so Heidrun Feine. Der Direktor der Universitätsbibliothek Mainz, Dr. Michael Hansen, freut sich entsprechend über diese Stiftung: „Das eindrucksvolle Gemälde ist eine deutliche Aufwertung des Gruppenarbeitsraums und trägt zu einer angenehmen Lernumgebung für die Studierenden bei.“

Heidrun Feine, Jahrgang 1947, lebt im Ruhestand in Wiesbaden. Ihr Berufsleben hat sie in der Versicherungswirtschaft verbracht, viele Jahre als Ausbildungsleiterin. „Ich habe mich immer für Kunst interessiert und platziere gerne das eine oder andere Kunstwerk im ‚öffentlichen Raum‘, um es auf diesem Weg mit anderen zu teilen. Und nicht zuletzt will ich auch für Kunst und Künstlerinnen private Mittel einsetzen“, so die Stifterin. Auf die Arbeiten von Silvia Willkens ist Heidrun Feine 2018 aufmerksam geworden. Ihr gefallen die klare Strukturierung und die zeitlosen, von Humanität geprägten Menschenbilder. „Ich schätze Silvia Willkens als Künstlerin und als Mensch“, so Feine. „Schön, dass die JGU mir für diese Stiftung Gelegenheit bietet. Insoweit ist die Stiftung an die Universität auch ein Geschenk an mich selbst.“