Höhepunkt der Feierlichkeiten zu „70 Jahre Hessen“ Staatsminister Axel Wintermeyer: „In Dankbarkeit und mit Fröhlichkeit feiern wir eine 70-jährige Erfolgsgeschichte

Staatsminister Axel Wintermeyer (2.v.r.) u. Landtagspräsident Norbert Kartmann (mitte hinten) präsentieren mit Medienpartnern wie u.a.: Wiesbadener Kurier (li. Stefan Schröder), HR Redakteurin F. Holzer, FFH-Chef, Bildzeitung, Herrn Roth u. a. das Programm zu den Jübiläumsfeierlichkeiten 70Jahre Hessen. Foto: Diether v. Goddenthow
Staatsminister Axel Wintermeyer (2.v.r.) u. Landtagspräsident Norbert Kartmann (Mitte hinten) präsentieren mit Medienpartnern  u.a.: Wiesbadener Kurier (li. Stefan Schröder), HR Redakteurin F. Holzer, FFH-Chef, Bildzeitung, Herrn Roth u. a. das Programm zu den Jübiläumsfeierlichkeiten 70Jahre Hessen. Foto: Diether v. Goddenthow

Die Feierlichkeiten zum Jubiläum „70 Jahre Hessen“ steuern ihrem Höhepunkt entgegen. Das abwechslungsreiche Veranstaltungsjahr mündet in die zentralen Feierlichkeiten am 30. November und 1. Dezember 2016. An diesem Tag wird dem Inkrafttreten der Verfassung und damit der offiziellen Gründung des Landes am 1. Dezember 1946 gedacht. Das Festprogramm hat der Chef der Hessischen Staatskanzlei, Staatsminister Axel Wintermeyer, heute gemeinsam mit Landtagspräsident Norbert Kartmann im Wiesbadener Staatstheater vorgestellt. Das Theater war 1946 Tagungsort des Beratenden Landesausschusses, der die Weichen für den demokratischen Aufbau des neuen Landes gestellt hat.

„Die Bildung des Landes Hessen durch die amerikanische Militärregierung am 19. September 1945, nur vier Monate nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges und der Befreiung vom Nationalsozialismus, war ein Akt, der mit einem immensen Vertrauensvorschuss verbunden war – des Vertrauens in die Fähigkeiten der Bürgerinnen und Bürger, sich vom Ungeist der Vergangenheit zu lösen und eine freie, mitmenschliche Gesellschaft und ein demokratisches, rechtsstaatliches Land aufzubauen. Die US-Amerikaner haben damit die helfende Hand ausgestreckt, die die Bürgerinnen und Bürger dankend annahmen und sich mit einer Volksabstimmung am 1. Dezember 1946 eine neue Verfassung gaben – das demokratische Land Hessen war geboren. Der Beginn einer bemerkenswerten Landesgeschichte“, erinnerte Staatsminister Wintermeyer.

In der Zeit nach dem Krieg begann das noch junge und aus vielen Abschnitten neu gebildete Land seine Identität zu entwickeln. Einen gewichtigen Anteil daran hatten die eine Million Vertriebenen und Flüchtlinge, die bis 1950 nach Hessen kamen – rund ein Drittel der damaligen Bevölkerung. Schon 1946 konnten Alt- wie Neubürger das erste Mal frei per Volksentscheid wählen. Die Bevölkerung entschied sich für die Annahme der Verfassung und damit auch, das ‚Groß‘ aus ‚Hessen‘ zu streichen und dem Land seinen heutigen Namen zu geben. Es entwickelte sich in der Folgezeit zur ‚Apotheke der Welt‘, zum bedeutenden Finanzzentrum und zum florierenden, geografischen Mittelpunkt der Europäischen Union. „Hessen hat sich in den sieben Jahrzehnten zu einer der stärksten Regionen Europas entwickelt. Das ist auch das Ergebnis unbändigen Fleißes, von Kreativität und Forschungsdrang und nicht zuletzt von politisch gestellten Weichen. Trotz schier unlösbarer Herausforderungen boten diese auch immer die Chance, das Land weiterzuentwickeln und dabei die Zukunftsfähigkeit zu sichern und zu gestalten. Die überaus positive Entwicklung der vergangenen 70 Jahre hat deutlich gezeigt, dass Hessen ein Land der Vorreiter ist, die Aufgaben auf neuen und manchmal auch ungewöhnlichen Wegen angehen und bewältigen. Hessen ist heute ein stolzes und starkes Land, und, was besonders wichtig ist, ein Land, in dem die Menschen gerne leben. Und deshalb ist der 70. Geburtstag nicht nur Anlass in Dankbarkeit auf die historischen Entwicklungen und Herausforderungen zurückzuschauen, sondern auch Anlass zur Freude“, so der Staatsminister.

Der Präsident des Hessischen Landtags Norbert Kartmann erinnerte daran, dass sich vor siebzig Jahren die ersten der im Nachkriegsdeutschland neu geschaffenen Länder eine eigene Verfassung gaben und damit den Grundstein für die Demokratie und den föderalen Aufbau der Bundesrepublik Deutschland gelegt haben. „Am 1. Dezember 1946 wurde aber nicht nur in einer Volksabstimmung die Landesverfassung angenommen, sondern es wurde auch der erste Hessische Landtag gewählt. Die Hessen waren erstmals nach dem Krieg aufgerufen, ein frei gewähltes Parlament zu bestimmen. Das war die Geburtsstunde der Demokratie und des Parlamentarismus in Hessen. Wir freuen uns auf die Feierlichkeiten zu diesem besonderen Geburtstag“, sagte Landtagspräsident Kartmann.

Die zentralen Feierlichkeiten werden unter dem Motto ‚Zukunft braucht Herkunft‘ von der Landesregierung am Verfassungstag, dem 1. Dezember, mit einem Gottesdienst in der Wiesbadener Marktkirche und einem Festakt im Staatstheater Wiesbaden veranstaltet. Der Tag zuvor, 30. November, beginnt mit der Verleihung der Wilhelm Leuschner-Medaille an den früheren Bischof von Mainz, Karl Kardinal Lehmann, im Schloss Biebrich. Anschließend kommt der Hessische Landtag zur Sondersitzung „70 Jahre Hessen“ zusammen. Am Abend gibt es eine große Geburtstagsfeier im Kurhaus der Landeshauptstadt. Mit Musik und Tanz können Bürgerinnen und Bürger die vergangenen 70 Jahre in Hessen mit den prägendsten Momenten noch einmal erleben und feiern. Die Eintrittskarten für die Abendveranstaltung werden von Zeitungen, Hörfunk- und Fernsehsendern verlost. Ein Feuerwerk vor dem Kurhaus und ein Festkonzert des Hessischen Staatstheaters runden die Feierlichkeiten ab.

„Wiesbaden eignet sich besonders für die zentrale Feier, wurde hier doch an zahlreichen historischen Orten die Gründung Hessens forciert und ermöglicht. In den Räumen zu feiern, an denen Hessens Geschichte geschrieben und maßgeblich beeinflusst wurde, ist der richtige Rahmen, um den Geburtstag des Landes mit möglichst vielen Bürgerinnen und Bürgern gemeinsam begehen zu können“, sagte Wintermeyer im Wiesbadener Staatstheater.

Weitere Informationen finden Sie im Internet unter www.70Jahre.Hessen.de.

Programm der Feierlichkeiten

30. November 2016

10.00 – 13.00 Uhr Festakt zur Verleihung der Wilhelm Leuschner-Medaille,
Schloss Biebrich

14.00 – 16.00 Uhr Sondersitzung des Hessischen Landtags anlässlich der Feierlichkeiten zu „70 Jahre Hessen“,
Hessischer Landtag

19.30 – 00.30 Uhr Geburtstagsparty,
Kurhaus Wiesbaden – alle Bürger sind eingeladen. Die 1700 Karten werden über die Medienpartner verlost.

1. Dezember 2016

09.30 – 10.30 Uhr Gottesdienst,
Marktkirche Wiesbaden

11.30 – 13.00 Uhr Festakt mit anschließendem Empfang,
Staatstheater Wiesbaden

18.30 – 18.45 Uhr Abschlussfeuerwerk,
auf dem Bowling Green vor dem Kurhaus Wiesbaden

19.30 Uhr Sondervorstellung des Hessischen Staatstheaters:
Festkonzert „70 Jahre Hessen“, Staatstheater Wiesbaden

Musical-PREMIERE IM SCHAUSPIEL »SHOCKHEADED PETER« (STRUWWELPETER)

Foto: Diether v. Goddenthow
Foto: Diether v. Goddenthow

STRUWWELPETER-Musical von den Tiger Lillies, Julian Crouch & Phelim McDermott
Musik von Martyn Jacques

Premiere am 29. Oktober 2016 um 19:30 Uhr im Großen Haus // die beiden nächsten Vorstellungstermine sind am 3. & 5. November jeweils um 19:30 Uhr

Die berühmten Bildergeschichten, die der Frankfurter Kinderarzt und Psychiater Heinrich Hoffmann 1844 für seinen dreijährigen Sohn verfasste, prägten als Glanzstücke »schwarzer Pädagogik« die deutsche Kulturgeschichte nachhaltig. Wer kennt sie nicht: das zündelnde Paulinchen, den unverbesserlichen Daumenlutscher Konrad oder Zappel-Philipp, für den die ADHS-Diagnose noch ebenso wenig zur Diskussion stand wie Ritalin? Stattdessen ereilten all diese nervtötenden Monster drakonische Strafen überforderter Erziehungsberechtigter oder die gerechte Rache, die einem Fehltritt in Hoffmanns Welt stets auf dem Fuße folgt.

1998 entwickelten die Theatermacher Phelim McDermott, Julian Crouch und der Sänger Martyn Jacques, Kopf der Kultband »The Tiger Lillies« auf Basis von Hoffmanns Kinderbuch eine Junk-Opera für Erwachsene, in der sich Zirkusklänge und Varieté mit Punk, Musik in der Brecht-Weill-Nachfolge und bitterbösem britischen Humor zu einer höchst effektvollen Mischung verbinden. Am Hessischen Staatstheater setzt nun Tilo Nest (Regisseur des so vergnüglichen wie musikalisch raffinierten Dauerbrenners »Der ideale Ehemann«) den Moritatenbilderbogen in Szene. Unterstützung holt er sich dabei nicht nur vom bewährten Ausstatterteam Stefan Heyne und Anne Buffetrille, sondern auch von seinem »ABBA jetzt!«-Partner Hanno Friedrich, der ein extrem spielfreudiges (und auch als Instrumentalisten sehr versiertes!), fünfköpfiges Ensemble anführt. Mit Volker Griepenstroh ist außerdem ein Bühnenmusiker an Bord, der – nach seinem Ausstieg aus der Band von Lou Reed und Stippvisiten zu Rio Reiser – in den vergangenen Jahren vor allem Programme von Marlene Jaschke und Hape Kerkeling begleitete.

Regie Tilo Nest Musikalische Leitung Volker Griepenstroh Bühne Stefan Heyne Kostüme Anne Buffetrille Dramaturgie Katharina Gerschler

Mit Sólveig Arnarsdóttir, Michael Birnbaum, Barbara Dussler, Hanno Friedrich, Karoline Reinke, Anja S. Gläser
Band Matthias Baumgardt, Ralf Göldner, Volker Griepenstroh, Willy Wagner

Weitere Vorstellungstermine und mehr Informationen finden Sie unter www.staatstheater-wiesbaden.de

Filmreihe im Oktober und November 2016 des Deutschen Filmmuseums Frankfurt

Geliebt und verdrängt: Das Kino der jungen Bundesrepublik Deutschland von 1949 bis 1963

Die vom Deutschen Filminstitut mitveranstaltete Erfolgs-Retrospektive aus Locarno jetzt auch in Frankfurt / Raritäten und große Entdeckungen Direktorin Claudia Dillmann: „Größte und wichtigste Filmreihe der vergangenen Jahre“

Als „größte und wichtigste Filmreihe der vergangenen Jahre“ bezeichnet Direktorin Claudia Dillmann die Retrospektive zum bundesdeutschen Nachkriegskino, die im Oktober und November im Kino des Deutschen Filmmuseums in Frankfurt zu sehen sein wird. Schon bei ihrer Premiere vor einigen Wochen während des renommierten Festival del film Locarno hatte die vom Deutschen Filminstitut mitveranstaltete Retrospektive für große Aufmerksamkeit gesorgt: Fachpublikum und Festivalbesucher waren überrascht und begeistert von der Auswahl und den vielen „sensationelle[n] Wiederentdeckungen“ (Kirsten Liese, ray Filmmagazin), die das Programm bereithielt. „Großartig und irritierend“, resümierte der Tagesspiegel.

Nun kommt die Retrospektive nach Frankfurt. Weitere Stationen sind die Schweiz, Italien, Portugal und Finnland sowie zum Abchluss der Tour 2017 Washington sowie das Lincoln Center in New York. Neben den wichtigsten in Locarno gezeigten Werken enthält die Auswahl im Kino des Deutschen Filmmuseums eine große Zahl weiterer entdeckungswürdiger Filme. Das Team des Filmmuseums hat mit großem Aufwand seltene 35mm-Kopien aus zwölf Archiven zusammengetragen. Insgesamt besteht das Programm aus rund 30 Lang- und zehn Kurzfilmen, die als thematisch, stilistisch oder atmosphärisch passende Vorfilme viele Hauptfilme kommentieren. Zu allen Filmen wird es Einführungen von Mitarbeitern des Filmmuseums und von Gästen geben, darunter etliche Autorinnen und Autoren des schon als „Standardwerk“ (FAZ) bezeichneten Begleitbuchs. So werden unter anderen im Oktober der Filmemacher Rainer Knepperges und der Soziologe und Tongestalter Fabian Schmidt (etwa von TONI ERDMANN, DE/AT 2016, R: Maren Ade) zu Einführungen nach Frankfurt kommen.

„Das Publikum der Retrospektive erwarten Raritäten, die sonst weder im Kino noch auf DVD zu sehen sind eine einmalige Gelegenheit“, betont Claudia Dillmann. Anliegen der Schau ist es zu zeigen, dass das Kino der Adenauer-Ära sich bei genauem Hinsehen als vielgestaltiger, ambivalenter und brüchiger erweist als gängige filmhistorische Erzählungen glauben machen; dass es politischer und poetischer, ästhetisch ambitionierter und abgründiger, wilder, bizarrer und sinnlicher war als sein Ruf. Schon 1989 hat das Deutsche Filmmuseum mit „Zwischen Gestern und Morgen. Der Westdeutsche Nachkriegsfilm 1946 bis 1962″ eine einflussreiche Ausstellung und Filmreihe präsentiert, die erstmals wieder die Aufmerksamkeit auf das Kino der Adenauer-Zeit lenkte. Damit nahm es eine Kino-Ära in den Blick, die in ihrer Zeit, den 1950er und 1960er Jahren, immens populär war, mit dem Verdikt der Oberhausener im Jahr 1962 („Papas Kino ist tot) aber geschmäht wurde. „Nie wieder war der westdeutsche Film so vielseitig, schrieb Rüdiger Suchsland jetzt anlässlich der Retro über dieses Kino, in dem Kunst und Kommerz neben- und miteinander existierten. „“ie vergessene Geschichte dieses Kinos hat es verdient, erzählt zu werden.“

Eröffnet wird die Retrospektive mit zwei Meisterwerken: Helmut Käutners SCHWARZER KIES, für den er 1962 kurioserweise den „Preis der Jungen Filmkritik für die schlechteste Leistung eines bekannten Regisseurs“ erhielt, und Harald Brauns DER GLÄSERNE TURM. Die Frankfurter Auswahl enthält jene Filme, die in Locarno am meisten für Furore sorgten, darunter Hans H. Königs ROSEN BLÜHEN AUF DEM HEIDEGRAB und Wolfgang Staudtes KIRMES. Kurator Olaf Möller hat für die Filmauswahl im Deutschen Filmmuseum außerdem einen starken Akzent auf den Heimatfilm gelegt: ein genuin bundesrepublikanisches Phänomen, das bislang in seiner Komplexität und Bedeutung kaum gewürdigt wurde. So unterschiedliche Werke wie Richard Häußlers DAS DORF UNTERM HIMMEL, Wolfgang Liebeneiners WALDWINTER GLOCKEN DER HEIMAT oder Staudtes ROSE BERND demonstrieren nachhaltig, dass in dieser oft als bloß idyllisch und versöhnlerisch verschrienen Bilder- und Ideenwelt tatsächlich die großen gesellschaftlichen Kampfzonen der Nachkriegszeit mit einer immer wieder erstaunlichen Energie und Exaktheit vermessen wurden: Geschlechter- und Besitzverhältnisse, Flucht und Verfolgung, Fremdenfeindlichkeit, aber auch die ganz grundsätzliche Frage danach, was Heimat ausmacht.

Die Auswahl ist heiter gestimmt, mit einem Zug zur Frivolität. Das zeigen so unterschiedliche Titel wie Paul Martins DIE FRAUEN DES HERRN S., Kurt Hoffmanns KLETTERMAXE, Paul Mays DIE LANDÄRZTIN oder Hans Schott-Schöbingers NACKT, WIE GOTT SIE SCHUF. Wer sich die Zeit nimmt, die Reihe möglichst umfassend in Augenschein zu nehmen, dem helfen diese Filme vielleicht, das Idiosynkratische, Unerwartete, Legere, Verwegene in strenger wirkenden Werken wie Harald Brauns NACHTWACHE oder Rolf Hansens AUFERSTEHUNG zu erkennen. Es ist ein lebendiges, vielschichtiges, reiches Kino, das in einem so intensiven Dialog mit seinem Publikum stand, wie man es seither nicht mehr gesehen hat.
Die Reihe wird im November mit Filmen wie DIE ROTE (BRD 1962) und VIELE KAMEN VORBEI (BRD 1956) sowie weiteren Gästen im Kino des Deutschen Filmmuseums und auch in der Caligari FilmBühne, Wiesbaden, fortgesetzt.

Programm der Retrospektive (Oktober) im Detail:

Sonntag, 09.10.2016, 17:30 Uhr
DER GLÄSERNE TURM
BRD 1957. R: Harald Braun
D: Lilli Palmer, O. E. Hasse, Peter van Eyck. 105 Min. 35mm
Die Frau eines Magnaten will nicht mehr bloße Dekoration für das Leben ihres erfolgreichen und mächtigen Gatten sein und versucht, sich an ihre Vergangenheit als Schauspielerin anknüpfend, aus dem „gläsernen Turm“ ihrer Ehe auszubrechen … Eines der signifikantesten Werke jener Epoche: Ein Melodram mit Gerichtsfilm-Haarnadelkurven über Ehe- und Besitzverhältnisse und dabei auch ein Versuch einer Abrechnung mit der Gesellschaft der Adenauer-Ära als giftiges und verlogenes Biedermeier der Moderne und dessen Vorstellung von Schönheit und Harmonie.
Begrüßung: Claudia Dillmann
Einführung: Olaf Möller (Kurator)

Sonntag, 09.10.2016, 20:15Uhr
SCHWARZER KIES
BRD 1961. R: Helmut Käutner
D: Helmut Wildt, Ingmar Zeisberg, Hans Cossy. 111 Min. 35mm
Heimat, deine Düsternis. Oder auch: Zwei Streitfälle, zwei Filme, die aus diversen Gründen, die man mit dem Wort Zensur bezeichnen müsste, rabiat nachgekürzt wurden. NOTIZEN AUS DEM ALTMÜHLTAL zeigt das BRD-Hinterland von seiner unromantisch-verbohrten, aber auch zurückgeblieben-ärmlichen Seite. SCHWARZER KIES dramatisiert in knalligen Noir-Halbtönen die Auswirkungen der Besatzung auf die Bevölkerung des Hunsrückkaffs Sohnen gemeint war damit Lautzen- hausen, nahe der US-amerikanischen Hahn Air Base. Eine hellsichtig-zynische Generalabrechnung mit der BRD.
Vorfilm: NOTIZEN AUS DEM ALTMÜHLTAL BRD 1961. Hans Rolf Strobel & Heinrich Tichawsky. 18 Min. 35mm
Einführung: Olaf Möller (Kurator)

Montag, 10.10.2016, 19:00 Uhr
DAS DORF UNTERM HIMMEL
BRD 1953. R: Richard Häussler. D: Hedwig Wangel, Sepp Rist,
Peter Mosbacher. 97 Min. 35mm
Zuerst ein visuell beeindruckendes Stück Tourismuswerbung im straff-ornamentalen Ufa-Kulturfilmstil. Dann ein grimmiger Heimatkrimi um Nymphomanie, Schmuggler, Totgeburten, Blutnächte und Gewalt in der Ehe, wo der Narr (gegeben von Lederhosenerotikaxiom Franz Muxeneder) sich als einziger Weiser erweist. Dem breit angelegten Figurenarsenal und einigen halsbrecherischen Wendungen merkt man an, dass der Film auf einem Stoff des großen Exploitation-Melodramatikers Rolf Olsen fußt.
Vorfilm WEINLESE IN DER WACHAU BRD 1954. R: Clarisse Dreyer-Patrix. 15 Min. 35mm (Kopie des Österreichischen Filmmuseums)
Einführung: Olaf Möller (Kurator)

Montag, 10.10.2016, 21:15 Uhr
DAS LIED VON KAPRUN
BRD/Österreich 1955. R: Anton Kutter. D: Waltraut Haas,
Albert Lieven, Eduard Köck. 108 Min. 35mm
Begonnen in den späten 1920ern, doch rasch begraben von der Weltwirtschaftskrise, aufgegriffen von den Nazis, doch an der Materiallage (sowie wohl letztlich dem fehlenden Interesse der Entscheidungsträger) gescheitert, entwickelte sich der Bau des Kraftwerks Kaprun im Salzburger Land zu einem der Vorzeige- wie Identitätsstiftungsprojekte der Zweiten Republik: Es ging um Gemeinschaft und Fortschritt, aber auch Kampfeswillen und Opfergeist. In DAS LIED VON KAPRUN wurde ein guter Kampf durch ein neues Österreich gewonnen … Luis Trenker berichtet davon mit den Augen des Architekten, Anton Kutter mit denen des Astronomieautodidakten.
Vorfilm KAPRUN STROM FÜR EUROPA BRD 1956. R: Luis Trenker. 10 Min. 35mm
Einführung: Olaf Möller (Kurator)

Dienstag, 11.10.2016, 17:00 Uhr
EINE FRAU FÜRS LEBEN
Deutschland 1938/50. R: Rolf Hansen
D: Rudi Godden, Ilse Werner, Gustav Waldau. 82 Min. 35mm
Im Überläufer-Korpus finden sich vereinzelte Werke, die von den Nazis nicht zur Aufführung zugelassen worden waren und deshalb ihre Premiere zum Teil erst eine Dekade und mehr nach ihrer Fertigstellung feierten. Meister Rolf Hansens DAS LEBEN KANN SO SCHÖN SEIN zeichnet ein recht finsteres Bild vom Alltag in den späten reichsdeutschen 1930ern, inklusive Wohnungsnot und sexueller Nötigung am Arbeitsplatz. Als der Film schließlich 1950 unter dem Titel EINE FRAU FÜRS LEBEN startete, herrschte immer noch Wohnungsnot, und auch an den Verhältnissen zwischen den Geschlechtern hatte sich wenig verändert. So viel Kontinuität war selten.
Einführung
Olaf Möller (Kurator)

Dienstag, 11.10.2016, 19:00 Uhr
AUGEN DER LIEBE
Deutschland 1944/51. R: Alfred Braun
D: Käthe Gold, René Deltgen, Paul Wegener. 80 Min. 35mm
In den letzten Monaten des Nazi-regierten deutschen Reichs entstand eine erstaunliche Anzahl von Filmen, die sich um Akte der Verstellung drehen, um Schauspielerei und Schwindel, um echte Gefühle und falsche Identitäten, moralische Grauzonen, Wahrheits- und Sinnsuche Filme für später, von denen viele als Überläufer dann auch erst nach dem Sieg der Alliierten in die Kinos kamen. Einer der faszinierendsten stammt aus der Werkstatt Veit Harlans: In AUGEN DER LIEBE kann ein blinder Künstler nach einer Operation wieder sehen verheimlicht dies aber seiner Gattin
Einführung: Olaf Möller (Kurator)

Dienstag, 11.10.2016, 21:00 Uhr
SCHWEDENMÄDEL
BRD/Schweden 1955. R: Thomas Engel & Håkan Bergström
D: Karlheinz Böhm, Maj-Britt Nilsson, Walter Giller. 95 Min. 35mm
Neben Italien und Russland ist Fennoskandinavien und die melancholische Johannisnachtsleichtigkeit der dritte große deutsche Sehnsuchtsraum der Traum von einer problemlos(scheinend)en, weil naturverbundenen Sexualität. SCHWEDENMÄDEL, coinszeniert von dem immer wieder durch Eigensinnigkeiten und Verrücktheiten auffallenden Thomas Engel, entwickelt sich von einem quasi deplatzierten Heimat-Schlagerfilm zu einem strahlenden Stück Schärenschönheit leger erst, leichtfüßig, schließlich traurig, dabei stets auf fast philosophische Weise heiter.
Einführung: Olaf Möller (Kurator)

Mittwoch, 12.10.2016, 18:00 Uhr
NACHTWACHE
BRD 1949. R: Harald Braun
D: Luise Ullrich, Hans Nielsen, Dieter Borsche. 110 Min. 35mm
Die Bundesrepublik der ersten Jahre war geprägt von einer geradezu rabiaten Frömmigkeit, inklusive obskurantistischer Umtriebe aller Art, Scharlatanerie und Wunder(heilungs)gläubigkeit man kann sich denken, warum … NACHTWACHE wurde zum an der Kasse wie bei der Kritik äußerst erfolgreichen Schlüsselfilm jener Periode. Auch, weil man die Geschichte über die weltlichen Probleme von zwei Geistlichen unterschiedlicher Konfessionen wie ein Passionsspiel schaute und als Parabel über die erlösende Macht des christlichen Glaubens (miss)verstand. Wenig lag Harald Braun in seiner existentialistischsten Stunde ferner.
Einführung: Olaf Möller (Kurator)

Mittwoch, 12.10.2016, 20:30 Uhr
AUFERSTEHUNG
BRD/Italien/Frankreich 1958. R: Rolf Hansen
D: Horst Buchholz, Myriam Bru, Edith Mill. 106 Min. 35mm
Große Adaptionen russischer Klassiker waren in der zweiten Hälfte der 1950er international angesagt, auch wegen ihres finanziellen Erfolgs; und so entstanden auch in der BRD als internationale Gemeinschaftsproduktionen parallel zwei (produktionslogistisch einander wiederholt in die Quere kommende) Tolstoi-Adaptionen: Carmine Gallones lebenslustig-saftiger POLIKUSCHKA (1958) und Rolf Hansens bei allem Aufwand asketisch-verinnerlichter, einem unnachgiebigen christlichen Proto-Existentialismus huldigender AUFERSTEHUNG. Deutsche Russiana vom Mächtigsten!
Einführung: Olaf Möller (Kurator)

Freitag, 14.10.2016, 18:00 Uhr
ROSEN BLÜHEN AUF DEM HEIDEGRAB
BRD 1952. R: Hans H. König. D: Ruth Niehaus,
Hermann Schomberg, Armin Dahlen. 82 Min. 35mm. OmeU
Die junge BRD mit all ihren Neurosen und Alltagssorgen findet sich hier verdichtet in einer Erzählung von Rückkehrern und Wiedergängern, von Verdammnis und Gnade. Ein Heide-Heimatfilm, so düster, dass er zum Ende hin die Schwelle überschreitet ins Reich des Schauerkinos unwiederbringlich. Ein immer wieder neu zu entdeckendes Meisterwerk, das in seiner Schwere wie Nähe zum Horrorfilm typischer für die Epoche ist, als einen die Klischees glauben machen wollen: Angst und Paranoia sind der Schlüssel für die ambitionierte Genrekonfektion jener Jahre.
Einführung: Christoph Huber (Österreichisches Filmmuseum)

Samstag, 15.10.2016, 15:30 Uhr
DIE FRAUEN DES HERRN S.
BRD 1951. R: Paul Martin
D: Sonja Ziemann, Paul Hörbiger, Oskar Sima. 95 Min. 35mm
Die Bundesbürger der frühen 1950er standen den Okkupationsmächten mit vorsichtiger Skepsis, wenn nicht purer Feindseligkeit gegenüber. DIE FRAUEN DES HERRN S. ist eine Satire auf die Besatzung im altgriechischen Gewand, in dem Deutschland Athen gibt, die UdSSR das Perserreich, die USA Makedonien, Frankreich Korinth und Großbritannien Kreta. In dieser Welt der vielen Stimmen versucht Sokrates, die Polygamie einzuführen offiziell zur Versorgung der Kriegswitwen und -waisen. Paul Martins Kabarett-Kabinettstück gehört zu den ersten BRD-Fällen, in denen ein Film aus höheren Erwägungen heraus umgearbeitet werden musste.
Vorfilm DER UNSICHTBARE STACHELDRAHT BRD 1951. R: Eva Kroll. 13 Min. 16mm
Einführung: Rainer Knepperges (Autor und Filmemacher)

Samstag, 15.10.2016, 20:15 Uhr
ALRAUNE
BRD 1952. R: Arthur Maria Rabenalt
D: Hildegard Knef, Erich von Stroheim, Karlheinz Böhm. 92 Min. 35mm
TRAUM IN TUSCHE ist eine animierte Phantasie mit schwer albtraumhaften Aspekten (inklusive nicht allzu symbolisch verbrämter Verweise auf die jüngere Vergangenheit). Mit ALRAUNE geht es traumgleich weiter, wenn auch in einem teilweise delirierenden Register Hildegard Knef weiß sich lasziv zu räkeln, während ihr Schöpfer, Erich von Stroheim, wie ein jovialer Sadist wirkt, stets lässig auf der Lauer nach seinem nächsten Opfer spähend. Eine Abweichung sui generis in dem an Abweichungen wahrlich nicht armen Kino der 1950er.
Vorfilm TRAUM IN TUSCHE BRD 1952. R: Rolf Engler. 9 Min. 35mm
Einführung: Rainer Knepperges (Autor und Filmemacher)

Sonntag, 16.10.2016, 13:00 Uhr
Freitag, 21.10.2016, 20:30 Uhr
ROSE BERND
BRD 1957. R: Wolfgang Staudte
D: Maria Schell, Raf Vallone, Käthe Gold. 98 Min. 35mm
Nach dem Erfolg von Robert Siodmaks DIE RATTEN (1955) entstanden innerhalb weniger Jahre weitere (oft die Flüchtlingsproblematik tangierende) Gerhart-Hauptmann-Modernisierungen der künstlerisch vielleicht aufregendste Zyklus im gehobenen BRD-Kino der Ära. Ästhetisch am weitesten ging dabei Wolfgang Staudte: Er gestaltete seine ROSE BERND als sardonische Heimatfilmvariation mit einer bestechend strengen, an Brecht geschulten Regie, zu deren gewagtesten Elementen der eigenartig zwischen Süddeutschland und Ostpreußen changierende Kunstdialekt Maria Schells sowie Raf Vallone als wandelnder V-Effekt gehören.
Einführung (Sonntag, 16.10.2016): Christoph Huber (Österreichisches Filmmuseum)

Sonntag, 16.10.2016, 17:00 Uhr
KLETTERMAXE
BRD 1952. R: Kurt Hoffmann
D: Liselotte Pulver, Albert Lieven, Charlott Daudert. 86 Min. 35mm
Wer ist Klettermaxe? Wer krabbelt Häuserfronten hinauf und hinab, um Gaunern, Ganoven und Gangstern ihre Beute zu entwenden und an Bedürftige zu verteilen? Die kubanische Schöne Corry Bell, zu Gast bei ihrem Cousin, dem Krimiautor Max Malien, ist ganz baff, als sie die Identität des Vigilanten herausfindet … Eine quirlig-fetzige Mischung aus aktualisierter Populärliteratur-Neuverfilmung, Screwball-Komödie und Sensationsfilm, dessen wahrer Star am Ende das Stuntdouble Arnim Dahl war. In dieser Welt der Masken und Janusköpfe passt es dann auch perfekt, dass Dahl sich in einer Szene quasi selbst jagt als Polizist, der Klettermaxe verfolgt!
Einführung: Christoph Huber (Österreichisches Filmmuseum)

Montag, 17.10.2016, 18:00 Uhr
BARBARA
BRD 1961. R: Frank Wisbar
D: Harriet Andersson, Helmut Griem, Maria Sebaldt. 96 Min. 35mm
BARBARA ist die erste Verfilmung von Jørgen-Frantz Jacobsens gleichnamigem, 1939 posthum (und letztlich als Fragment) veröffentlichten Roman über die Liebe einer Pastorenwitwe zu dem Nachfolger ihres Gatten. Frank Wisbar, zu den Frauenfiguren seines Vorkriegsschaffens ein letztes Mal zurückkehrend, hat das alles etwas weltlicher ausgelegt, aus dem Geistlichen einen Arzt gemacht und die Geschichte im 20. statt im 17. Jahrhundert angesiedelt, dabei aber den Kern Barbaras beibehalten: Sie ist treu auf ihre Weise, aber sie fällt immer. Da ist etwas Tragisches an dem hoffnungslosen Kampf zwischen der guten Barbara und der unzuverlässigen.
Einführung:
Fabian Schmidt (Soziologe und Tongestalter)

Dienstag, 18.10.2016, 20:30 Uhr
VENUSBERG
BRD 1963. R: Rolf Thiele
D: Marisa Mell, Nicole Badal, Monica Flodquist. 88 Min. 35mm
Zuerst eine faszinierende Mischung aus ultrareduzierter Bauhaus-Bühnenkunst und animierter Malerei: DEN EINSAMEN ALLEN ist die letzte vollendete Soloregiearbeit von Franz Schömbs, des großen Verkannten der 50er-Jahre-Avantgarde, dessen Schaffen ob seiner scharfkantig-dissonanten Poesie zu seiner Zeit primär auf Widerspruch stieß. Ästhetisch ähnlich steil, wenn auch in milchig weiß und schlierig schwarz ist VENUS- BERG, ein verschroben-verwegener Frauen-Film, der sich als Parabel über die vornehme Gesellschaft der letzten Adenauerjahre schauen lässt eine Art Sittengemälde der Bonner Republik aus einem unerwarteten Blickwinkel.
Vorfilm DEN EINSAMEN ALLEN BRD 1962. R: Franz Schömbs. 8 Min. 35mm
Einführung: Andreas Beilharz (Deutsches Filminstitut)

Donnerstag, 20.10.2016, 18:00 Uhr
Dienstag, 25.10.2016, 18:00 Uhr
ZWEI UNTER MILLIONEN
BRD 1961. R: Victor Vicas & Wieland Liebske
D: Hardy Krüger, Loni von Friedl, Walter Giller. 96 Min. 35mm
Noch ist die Grenze zwischen der BRD und der DDR offen, noch gibt es keinen antiimperialistischen Schutzwall, noch ist es nicht ganz so schwer, mit entsprechender Hilfe Rostock illegal in einem Lastwagen zu verlassen, Richtung Westberlin. Und nun sitzt Christine da, umgeben von Gütern, die sie sich nicht leisten kann, und versucht sich mit ihrem Fluchthelfer-Liebsten Karl über Wasser zu halten … Eine neorealistisch infizierte Straßenfilm-Preziose, in der man die wirtschaftswunderreich-korrupte BRD und Westberlin ziemlich exakt so zu sehen bekommt, wie es die DDR immer wieder gesagt hat nur poetischer und zugleich rauer.
Einführung (Donnerstag, 20.10.2016): Stefanie Plappert (Deutsches Filminstitut)

Sonntag, 23.10.2016, 18:00 Uhr
Samstag, 29.10.2016, 18:00 Uhr
KIRMES
BRD 1960. R: Wolfgang Staudte
D: Götz George, Hans Mahnke, Juliette Mayniel. 102 Min. 35mm
Als beim Aufbau eines Karussells die Leiche eines Wehrmachtssoldaten gefunden wird, bricht unter den Würdenträgern eines Eifelkaffs Panik aus: Sie alle wissen, wer dieser junge Mann war und warum er starb … Ein Bild sowohl des kollektiven Versagens im Nazi-Deutschland wie auch des kollektiven Verdrängens in der BRD. Der Film wurde zum Politikum, weil er es wagte, den Dorfpriester als feigen Kollaborateur darzustellen: In der stark klerikalospirituell geprägten BRD der 1950er gehörte der Mythos von den widerständigen Geistlichen beider Konfessionen zum Fundament des jungen Staates.
Einführung (Sonntag, 23.10.2016): Rudolf Worschech (epd Film)

Montag, 26.10.2016, 20:30 Uhr
Sonntag, 30.10.2016, 18:00 Uhr
JONAS
BRD 1957. R: Ottomar Domnick
D: Robert Graf, Elisabeth Bohaty, Dieter Eppler. 87 Min. 35mm
Zuerst ein Imagefilm für die Deutsche Bundespost in Gestalt eines visuell so furiosen wie an gestalterischen Facetten reichen Experimentalfilms, dessen Audiolandschaften der vor kurzem verschiedene Josef Anton Riedl mit dem Münchner Studio für elektronische Musik Fa. Siemens erarbeitete. Dann: Kafka im Nachkriegsbrutalismus-Wirtschaftswunderland, mit dem Nervenschauspieler-Kriegsversehrten Robert Graf als fleischgewordenem Zeit-Symptom: als Durchschnittsbürger, der durch eine Normentgleitung in eine existentielle Krise gerät, Verfolgungswahn inklusive.
Vorfilm KOMMUNIKATION TECHNIK DER VERSTÄNDIGUNG BRD 1962. R: Edgar Reitz. 11 Min. 35mm
Einführung (Sonntag, 30.10.2016): Winfried Günther (Deutsches Filminstitut)

Freitag, 28.10.2016, 20:30 Uhr
DER ROTE RAUSCH
BRD 1962. R: Wolfgang Schleif
D: Klaus Kinski, Brigitte Grothum, Sieghardt Rupp. 87 Min. 35mm
Ein Programm wie ein äußerst verwirrender Albtraum: DIE PURPURLINIE ist buntes, frappierend poppiges Allegorienkino. Anschließend verknüpft Wolfgang Schleifs DER ROTE RAUSCH lässig Serienmörder-Schrecken mit Polit-Paranoia. Ein geisteskranker Frauenmörder gibt sich als Grenzflüchtling aus und versteckt sich bei einer ahnungslosen Bauernfamilie nahe der österreichisch-ungarischen Grenze. Die karge Landschaft um den Neusiedler See ist bewusst eingesetzt, tauchten hier doch nach der Ungarnkrise 1956 immer wieder Menschen, die über die Grenze geflohen waren, wie aus dem Nichts auf.
Vorfilm DIE PURPURLINIE BRD 1959. R: Flo Nordhoff. 14 Min. 35mm
Einführung: Torgil Trumpler (Junger Filmclub Treppe 41)

Die folgenden Filme werden im November gezeigt, Termine folgen:

WALDWINTER GLOCKEN DER HEIMAT
BRD 1956. R: Wolfgang Liebeneiner. 97 Min

DIE LANDÄRZTIN
BRD 1958. R: Paul May. 92 Min

NACKT, WIE GOTT SIE SCHUF
BRD/Österreich/Italien 1958. R: Hans Schott-Schöbinger. 94 Min

VIELE KAMEN VORBEI
BRD 1956. R: Peter Pewas. 80 Min

DIE ROTE
BRD/Italien 1962. R: Helmut Käutner. 100 Min

MAYA. DER FILM VOM DEUTSCHEN FILMNACHWUCHS
BRD 1957. R: Hans Carl Opfermann. 104 Min

Pressestimmen:

„Großartig und irritierend […] Man darf sagen: Die Retrospektive von Locarno rettet dem frühen bundesrepublika-nischen Kino ein Stück Ehre und Würde.
Der Tagesspiegel

„Das deutsche Kino der Nachkriegszeit war besser, bunter, ernster, lustiger, problembewusster, kurz: vielfältiger als sein Ruf.
FAZ

„Man kommt kaum heraus aus dem Kino, um ja nichts zu verpassen.
Frankfurter Rundschau

„Die Retrospektive zeigt aber auch, dass selbst im Unterhaltungskino jener Jahre eine erstaunliche Vielfalt an Schattierungen, und Untertönen hervorstechen, die man aus der historischen Distanz umso lustvoller entdecken kann.
Berliner Morgenpost

Katalog:
Das Begleitbuch zur Retrospektive, aufgrund der großen Nachfrage schon in zweiter Auflage erschienen, ergänzt die Filmschau mit 33 Essays und einer Vielzahl teils bisher unveröffentlichter Bilder.
Herausgegeben von Claudia Dillmann und Olaf Möller
416 Seiten, 270 Abbildungen, 24,80 €
Der Katalog wurde ermöglicht durch die Förderung der Georg und Franziska Speyer’schen Hochschulstiftung, des Förderkreises des Deutschen Filminstituts und von German Films.

Deutsches Filminstitut – DIF e.V.
Deutsches Filmmuseum
Schaumainkai 41
60596 Frankfurt am Main
www.deutsches-filminstitut.de | www.deutsches-filmmuseum.de
www.filmportal.de | www.europeanfilmgateway.eu

Landesmuseum Mainz thematisiert Wandel des Stadtbildes

Stadtansicht von 1965 © Landesmuseum Mainz
Stadtansicht von 1965 © Landesmuseum Mainz

Immer wieder verändern Zerstörung, Wiederaufbau und Modernisierung das Gesicht einer Stadt grundlegend. Historische Bausubstanz und moderne Strukturen stoßen mitunter hart aufeinander. Das führt gelegentlich zu kontroversen Diskussionen in der Bevölkerung. Grund genug für die Architektenkammer und die GDKE, sich in den nächsten Wochen intensiv mit Fragestellungen zur Stadtplanung, -entwicklung, -gestaltung und Denkmalpflege im Mainzer Stadtbild zu beschäftigen.

Im Rahmen der Sonderausstellung „Mainz – ein Blick, viele Ansichten“ starten im Oktober dazu drei Gesprächsrunden. Die Reihe beginnt am 4. Oktober mit dem Thema „Wiederaufbau der Nachkriegszeit: Bewahrung – Brüche – Wandlungen“. Unter der Moderation von Thomas Metz, Generaldirektor der GDKE, wird zunächst Prof. Dr. Werner Durth von der TU Darmstadt einen Impulsvortrag halten. Danach diskutieren mit ihm die Landeskonservatorin Dr. Roswitha Kaiser, Prof. Dr. Regina Stephan von der Hochschule Mainz und der Zeitzeuge Prof. Hellmut Kanis über die teils umstrittenen Kontraste zwischen Alt und Neu, die im Zuge des Wiederaufbaus durch schnelle Notlösungen, durch die Bewahrung historischer Bauten und durch den Aufbruch in die Moderne entstanden sind.

Unter dem Motto „Attrappenkult: Rekonstruktionen – wiedergewonnene oder gefälschte Geschichte?“ wird am 11. Oktober zunächst die Landeskonservatorin Dr. Roswitha Kaiser den Impulsvortrag präsentieren, anschließend diskutiert sie mit der Frankfurter Architektin Astrid Wuttke, dem Historiker und Ingenieur Björn Wissenbach sowie dem Denkmalpfleger Hartmut Fischer die Fragen: Sind Rekonstruktionen ein legitimes Mittel der Stadtsanierung, um Lücken zu schließen und eine menschlichere Stadt zu gestalten? Oder wird hier lediglich eine heile Welt vorgespielt, die so nie existiert hat? Die Moderation übernimmt Dr. Martin Bredenbeck vom Rheinischen Verein für Denkmalpflege und Landschaftsschutz, Köln.

Abgeschlossen wird die Gesprächsreihe am 25. Oktober mit dem Thema „Bunt wie das Leben? Farbe in der historischen Stadt“. Professor Gerhard Meerwein wird nach seinem Impulsvortrag in die Diskussion einsteigen. Mit Prof. Markus Schlegel von der Hochschule Hildesheim, Dr. Georg Peter Karn von der Landesdenkmalpflege und Sabine Guttmann vom Stadtplanungsamt Frankfurt diskutiert er unter der Moderation von Annette Müller M.A., Architektenkammer Rheinland-Pfalz, über die Fragen: Sollen sich Fassaden harmonisch in das Gesamtbild einfügen oder sind sie berechtigter Ausdruck individueller Freiheit? Und welche Bedeutung hat der historische Farbkanon in einer gewachsenen Stadt?

„Auf all diese Fragen gibt es häufig unterschiedliche Positionen“, erklärt Generaldirektor Thomas Metz: „Vielmehr sollen unterschiedliche Blickwinkel vorgestellt und diskutiert werden. Die historische Erfahrung sowie die Bedeutung dieser Themen für unsere Zeit sollen im Zentrum der Gesprächsrunden stehen.“

Foto: Diether v. Goddenthow © atelier-goddenthow
Foto: Diether v. Goddenthow © atelier-goddenthow

Die Veranstaltungen finden jeweils dienstags am 4., 11. und 25. Oktober um 18 Uhr im Forum des Mainzer Landesmuseums statt. Der Eintritt ist frei.

GENERALDIREKTION KULTURELLES ERBE RHEINLAND-PFALZ
Landesmuseum Mainz
Große Bleiche 49-51
55116 Mainz

Deutscher Buchpreis 2016: Literarischer „Catwalk“ der Finalisten am Shortlist-Abend im Frankfurter Literaturhaus

Foto: Diether v. Goddenthow © atelier-goddenthow
Foto: Diether v. Goddenthow © atelier-goddenthow

Knisternd spannende Atmosphäre herrschte als über 200 Buchfreunde am gestrigen 1. Oktober im ausverkauften Frankfurter Literaturhaus sich bei halbstündigen Lesungen und Autoren-Gesprächen  einen ersten Eindruck von fünf auf der Shortlist des Deutschen Buchpreises 2016  stehenden Autoren und ihren Werken verschaffen konnten. Leider fehlte Bodo Kirchhoff, einer der Buchpreis-Favoriten,  beim literarischen  „Catwalk“, da er im Ausland weilte. Sein Werk „Widerfahrnis“ präsentiert er am 5.Oktober im Literaturhaus.

shortlist16-coverBereits zum neunten Mal präsentierten das Kulturamt Frankfurt am Main und das Literaturhaus Frankfurt in Kooperation mit dem Börsenverein des Deutschen Buchhandels, der den Preis vergibt, die Autoren der Shortlist des Deutschen Buchpreises vor der Preisverleihung Mitte Oktober. Moderiert haben die Autorengespräche Sandra Kegel (F.A.Z.), Gert Scobel (3sat) und Alf Mentzer (hr2-kultur). Die „besten“  Ausschnitte der über vierstündigen Veranstaltung werden vom 10.10. bis 15.10. um 9.30 und 15.05 Uhr in hr2-kultur gesendet.

Hauke Hückstädt, Leiter des Literaturhauses Frankfurt eröffnete den Abend. Foto: Diether v. Goddenthow © atelier-goddenthow
Hauke Hückstädt, Leiter des Literaturhauses Frankfurt eröffnete den Abend. Foto: Diether v. Goddenthow © atelier-goddenthow

Um  18.00 Uhr eröffnete Hauke Hückstädt, Leiter des Literaturhauses Frankfurt,  den Shortlist-Abend, stellte Grußwort-Redner, Autoren und Moderatoren vor,  dankte insbesondere der Deutschen Bank-Stiftung für die Stiftung des Deutschen Buchpreises, erläuterte den organisatorischen Ablauf des Abends und lud namens der Veranstalter alle Gäste zu vertiefenden Gesprächen in der Pause und im Anschluss der Veranstaltung ein .

Grußworte
Dr. Ina Hartwig, Kulturdezernentin der Stadt Frankfurt am Main. Foto: Diether v. Goddenthow © atelier-goddenthow
Dr. Ina Hartwig, Kulturdezernentin der Stadt Frankfurt am Main. Foto: Diether v. Goddenthow © atelier-goddenthow

Dr. Ina Hartwig, seit Mai dieses Jahres Kulturdezernentin der Stadt Frankfurt und als Literaturkritikerin und  freie Autorin im Literaturhaus keine Unbekannte, ging mit ihrem Grußwort gleich in media res, als sie den Juroren zurief, aus eigener Erfahrung als Literaturkritikerin und Buchpreis-Jurorin 2011 zu wissen, „welch eine Mammutaufgabe das für die Jury sei“, insbesondere, „als Kritiker selbst in der Kritik zu stehen, was aber eine ganz heilsame Erfahrung wäre“. Denn „egal wen man auswählt“, so Hartwig; „es hagelt immer Kritik!“ „Man erlebe somit auch mal das, was man normalerweise als Kritiker anderen antue“. Man solle so etwas ruhig selbst mal erleben, obgleich „es gar nicht so leicht ist, das wegzustecken“, so die Kulturdezernentin. Für sie sei der Deutsche Buchpreis – eine Mischung aus Herzblut und Kalkül –  weit mehr als nur symbolisches Kapital. Obgleich der Deutsche Buchpreis weltweit bekannt wäre, sei er im Kern auch ein Preis der Stadt Frankfurt, weil er dort gestiftet wurde und bis heute im Kaisersaal des Römers am Montag vor der Buchmesse traditionell vergeben wird, verbunden mit einem großen Rahmenprogramm am Tag danach rund um die Buchmesse wie: „Literatur im Römer“, „Open Books“, „Ausstellungen“ und zahlreiche weitere kulturelle Angebote im Kontext der Buchmesse des diesjährigen Gastlandes „Flandern und die Niederlande“. Das freue sie als städtische Kulturdezernentin mit ihrer Leidenschaft für zeitgenössische Literatur in der neuen Berufung selbstverständlich ganz besonders.

Dem deutschsprachigen Roman Geltung verschaffen

Alexander Skipis, Geschäftsführer des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels. Foto: Diether v. Goddenthow © atelier-goddenthow
Alexander Skipis, Geschäftsführer des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels. Foto: Diether v. Goddenthow © atelier-goddenthow

In seinem Grußwort formulierte Alexander Skipis, Geschäftsführer des Deutschen Börsenvereins, die Intention des Abends und des Deutschen Buchpreises drastisch: Eigentlich sei es „etwas Unerhörtes“, 6 Romane auf die Shortlist zu setzen und zu behaupten, „dass wir den besten Autor oder die beste Autorin und den besten deutschsprachigen Roman der Saison prämieren“, so Skipis.  „Ich glaube, es würde jedem von uns schwerfallen, zu sagen, der oder die ist es. Es sind hervorragende Autoren, die mit Sicherheit jeder den Preis verdient hätten. Sie „sind jetzt alle Sieger“. Aber im Grunde „zeichnen wir etwas anderes aus. Wir zeichnen die deutschsprachige Romanliteratur aus, nicht in erster Linie um Bestseller zu generieren, sondern um der deutschsprachigen Romanliteratur Geltung zu verschaffen.

Das habe zunächst weniger mit Verkaufszahlen zu tun, als vielmehr mit einer Buchkultur, die von Menschen in „unserer Branche“ getragen wird, „die den Anspruch haben, einen wertvollen Beitrag zum Gelingen der Gesellschaft beizutragen“, so Skipis. Der deutsche Buchmarkt, der zweitgrößte der Welt, sei ein Vorbild an Qualität und Vielfalt, und das sei ein „Wert, der in unserer Branche steckt. Deswegen möchten wir mit diesem Buchpreis diesen Wert darstellen“, betonte Skipis.

Appell an die „Freiheit des Wortes“ weltweit!

banner-turkey-250pxDiese Vielfalt und Qualität des deutschen Buchmarktes wäre aber nicht  möglich, mahnte Skipis, wenn es in Deutschland nicht eine völlige Publikations- und Meinungsfreiheit gäbe. Die Freiheit des Wortes sei der Kern unserer Buchkultur. Sie sei aber auf der Welt  nicht selbstverständlich. Das zeige eine „Karte der Rangliste der Pressefreiheit“ von Reportern ohne Grenzen, auf der lediglich eine Handvoll Staaten auf der Welt über Meinungs- und Publikationsfreiheit verfügten. Deshalb setze sich der Börsenverein des Deutschen Buchhandels so massiv für die Meinungsfreiheit und Publikationsfreiheit weltweit ein, zuletzt mit der  vor drei Wochen gestarteten Petition „FreeWordsTurkey“, die schon 80 000 Menschen unterzeichnet haben. Skipis lud alle Anwesenden ein, soweit noch nicht geschehen, diese Petition ebenfalls zu unterzeichnen. „Bis zur Buchmesse dürften wir die 100 000er Grenze kappen.“

Die Autoren-Gespräche und Lesungen

André Kubiczeck – mit Gerd Scobel über „Skizzen eines Sommers“ (Rowohlt Berlin)

André Kubiczeck, Shortlist-Autor von Skizzen eines Sommers (Rowohlt-Verlag),Foto: Diether v. Goddenthow © atelier-goddenthow
André Kubiczeck, Shortlist-Autor von Skizzen eines Sommers (Rowohlt-Verlag),Foto: Diether v. Goddenthow © atelier-goddenthow

Augenzwinkernd an André Kubiczeck gerichtet,  „Es wäre immer so bescheuert, einen Autor zu fragen, wie autobiographisch sein Roman denn sei“, eröffnete Gert Scobel den Gesprächsreigen über das erste Buch des Abends:„Skizzen eines Sommers“ (Rowohlt Berlin). Worauf hin Shortlist-Autor Kubiczeck, der die Frage gar nicht so bescheuert fand, unumwunden einräumte: „Warum soll ich mir ein kompliziertes Setting ausdenken, wenn ich sozusagen mein Leben dafür nehmen kann, um das zu erzählen, was ich erzählen will“. Der Roman aus dem eigenen Nähkästchen der Pubertätsjahre Mitte der 80er in der ehemaligen DDR sei wie im Rausch innerhalb von nur vier Monaten entstanden. Verblüfft stellte Scobel fest, dass darin zwar auch Ossi-Jargon vorkäme, aber „diese in der Literatur immer wieder hochstilisierten Ost-West-Unterschiede“ seien „völlig unterschnitten“, kämen praktisch nicht vor, ob das „denn eine identische Pubertät in Ost und West“ gewesen sei: „Ja, wenn man die ‚richtige‘ Musik gehört hat im Jahr 1986“, dann habe man mehr Gemeinsamkeiten mit allen Gleichaltrigen in der Welt, als beispielsweise mit denen der „Modern Talkingfraktion“.

Gerd Scobel (3Sat-Moderator)  Foto: Diether v. Goddenthow © atelier-goddenthow
Gerd Scobel, (3Sat-Moderator) Foto: Diether v. Goddenthow © atelier-goddenthow

Im Grunde genommen sei das Buch eine riesige Playlist. „Sie haben einen Roman geschrieben, den man hören kann“, so Scobel. Selbst der Titel des Romans, so der 3Sat-Moderator, sei eigentlich ein Titelsong „Sketch for Summer“. „Ja, klar“, er habe eine riesengroße Plattensammlung „und eine Plattensammlung ist wie ein Tagebuch“, so der 1969 in Potsdam geborene und heute in Berlin lebende Autor.

André Kubiczeck versucht aber nicht, mit möglichst vielen Songs inhaltlich nachzulegen. In seinem Roman verhält es sich genau umgekehrt, da ein Doppel-Kassettenrekorder aus dem Westen, den ihm seine Oma „wohl zur Ablenkung von der Trauer über seine mit 14 Jahren sehr früh verlorene Mutter“ besorgt hatte, eine zentrale Rolle spielt, nicht nur für ihn ganz persönlich, auch für die Entwicklung seine Freundeskreises, „da alle bei ihm Musik hören kommen wollen“.

André Kubiczek: Skizze eines Sommers Gebundene Ausgabe: Rowohlt Berlin 2016, 384 Seiten, EUR 19,95. ISBN-13: 978-3871348112
André Kubiczek: Skizze eines Sommers
Gebundene Ausgabe: Rowohlt Berlin 2016, 384 Seiten, EUR 19,95. ISBN-13: 978-3871348112

Die Musik bleibt dabei lediglich Medium und zugleich eine Metapher des Leitmotivs seines Romans, nämlich die Suche nach dem perfekten Moment. Die sei sozusagen das Hauptmotiv eines großen Schriftstellers wie bei Proust, so Scobel, nämlich „diese verlorenen perfekten Momente in irgendeiner Form noch einmal wiederzubekommen“. „Ja, aus diesem Grund habe ich das Buch eigentlich geschrieben, die verdeckten Momente der eigenen Jugend nochmal aufleben zu lassen und zu bannen!“, so Kubiczeck „Was ihnen großartig gelungen ist“, lobte Gert Scobel.

 

Reinhard Kaiser-Mühlecker mit Sandra Kegel über „Fremde Seele, dunkler Wald“ (S. Fischer, Frankfurt)

Shortlist-Autor Reinhard Kaiser-Mühlecker im Gespräch mit FeuilSandra Kegel, FAZ-Redakteurin  im Feuilleton über das Buch „Fremde Seele, dunkler Wald“ (S. Fischer, Frankfurt)  Foto: Diether v. Goddenthow © atelier-goddenthow
Shortlist-Autor Reinhard Kaiser-Mühlecker im Gespräch mit FeuilSandra Kegel, FAZ-Redakteurin im Feuilleton über das Buch „Fremde Seele, dunkler Wald“ (S. Fischer, Frankfurt) Foto: Diether v. Goddenthow © atelier-goddenthow

Ein wenig zäh verlief das Gespräch zwischen Reinhard Kaiser-Mühlecker und Moderatorin Sandra Kegel (F.A.Z.) über seinen Roman „Fremde Seele, dunkler Wald“ (S. Fischer). Vielleicht lag es an zu tiefst bedrückenden  thematischen Alternativlosigkeit, die alle Energie zu absorbieren schien, wie eine Art melancholischer Nebel, durch den die Moderatorin mit noch so vielen Anläufen nicht wirklich zum Autor  durchzudringen vermochte.  „Das ist ihre Beobachtung und die muss ich zur Kenntnis nehmen“, war beispielsweise eine der Absagen Kaiser-Mühleckers auf einen erneuten Anlauf der Moderatorin, etwas mehr über Beweg- und Hintergründe zu erfragen. Dennoch konnte Sandra Kegel  ihrem Gesprächspartner zuletzt doch noch ein paar persönliche Bekenntnisse entlocken, etwa, dass er als Autor kein Makro-Planer sei, der eine Geschichte vorkonzeptioniere. Alles entstünde im Raum. Er wolle beim Schreiben Schritt für Schritt einen Raum erkunden, und zwar im eigenen Tempo.

Errettend aus dem schleppenden Gesprächsverlauf war schließlich die Leseprobe, die einmal mehr die hohe literarische Qualität des großartigen Autors bezeugte, und einen sofort mitnahm in die grauen, subtilen Stimmungen dieses düsteren, wie aus der Zeit gefallenen Familiendramas mit der hilflosen Stummheit seiner Protagonisten und ihren existentiellen Untiefen, und der Ausweglosigkeit einer beengten verlogenen Heimat-Idylle, die bis zum Schluss mit krimihafter Spannung aufgeladen bleibt.

Reinhard Kaiser-Mühlecker. Fremde Seele, dunkler Wald. Fischer Verlag, Frankfurt 2016, Gebundene Ausgabe: 304 Seiten, EUR 20,00 ISBN-13: 978-3100024282
Reinhard Kaiser-Mühlecker. Fremde Seele, dunkler Wald. Fischer Verlag, Frankfurt 2016,
Gebundene Ausgabe: 304 Seiten, EUR 20,00
ISBN-13: 978-3100024282

Worum geht es im Werk? Alexander kehrt von seinem Auslandseinsatz als Soldat internationaler Truppen in die Heimat zurück. Seine Unruhe treibt ihn bald wieder fort. Sein jüngerer Bruder Jakob führt unterdessen den elterlichen Hof. Als sich sein Freund aufhängt, wird Jakob die Schuldgefühle nicht mehr los. Der Vater fabuliert von phantastischen Geschäftsideen, während er heimlich Stück für Stück des Ackerlandes verkaufen muss. Mit großer poetischer Ruhe und Kraft erzählt Reinhard Kaiser-Mühlecker von den Menschen, die durch Verwandtschaft, Gerede, Mord und religiöse Sehnsüchte aneinander gebunden sind. Es ist die Geschichte zweier Brüder, die dieser Welt zu entkommen versuchen – eine zeitlose und berührende Geschichte von zwei Menschen, die nach Rettung suchen.

Philipp Winkler mit Alf Mentzer über „Hool“ (Aufbau, Berlin)

Shortlist-Autor Philipp Winkler im Gespräch mit hr-2-Kulturredakteuer Alf Mentzer  über sein Buch "Hool" (Rowohlt-Verlag9 Foto: Diether v. Goddenthow © atelier-goddenthow
Shortlist-Autor Philipp Winkler im Gespräch mit hr-2-Kulturredakteuer Alf Mentzer über sein Buch „Hool“ (Rowohlt-Verlag9 Foto: Diether v. Goddenthow © atelier-goddenthow

Das  vor der Pause letzte Autorengespräch mit Philipp Winkler (Hool, Aufbau) begann hr-2-Kulturredakteuer Alf Mentzer mit der Feststellung: „Nachdem ich im vergangenen Jahr mit Frank Witzel, der für den längsten Roman verantwortlich war, der jemals auf der Shortlist zum Deutschen Buchpreis stand, gesprochen habe, geht es in diesem Jahr um ein Buch mit den kürzesten jemals in einem Buchjahr shortgelisteten Titel“, nämlich um den der Roman „Hool“.

Ob man nun die Materie Gewalt mag oder nicht – literarisch handelt es sich um ein Meisterwerk. Auf Mentzers mehr rhethorisch gestellte Frage, ob er, der Autor dieses Werkes, denn auch so einer wäre, kam wie aus der Pistole geschossen ein schlichtes energisches: „Nein!“.

Alf Mentzer, hr-2-Kulturredakteuer. Foto: Diether v. Goddenthow © atelier-goddenthow
Alf Mentzer, hr-2-Kulturredakteuer. Foto: Diether v. Goddenthow © atelier-goddenthow

Ihn habe, so Winkler, diese Hooligan-Szene schon lange fasziniert. „Ich bin selber von Kindheit an Fußballfan gewesen, und egal in welchem Bereich: Ich interessiere mich vor allem für Extremsituationen, für Dunkelzonen, für Randgebiete“ und dazu gehöre natürlich auch der Hooliganismus. Besonders interessiert den Autor, „was Leute dazu treibt, diesem Hobby oder dieser Leidenschaft, oder wie man es immer nennen will, nachzugehen.“ Grundsätzlich müsse man zwischen zwei Hauptgruppen, den  Ultras und Hooligans, unterscheiden.

Shortlist-Autor Philipp Winkler in lässiger "Hool-Pose" Foto: Diether v. Goddenthow © atelier-goddenthow
Shortlist-Autor Philipp Winkler in lässiger „Hool-Pose“ Foto: Diether v. Goddenthow © atelier-goddenthow

Die Ultras seien die Gangs, die man als Fangruppen im Stadion sähe, die immer organisiert seien, die die Fan-Gesänge machten und die Doppel-Banner hochhielten. Mit Hooligans hingegen, um die es in seinem Buch ginge, bezeichnete man in Deutschland Leute, „die sich außerhalb dieses ganzen Stadion- und Fußball-Kontextes zum Beispiel auf dem Acker, ob auf einem Feld oder in einem entlegenen Industriegebiet, verabredet träfen, um sich gegenseitig auf die Schnauze zu hauen.“

 

Philipp Winkler Hool. Aufbau Verlag, Berlin 2016,  310 Seiten, EUR 19,95 ISBN-13: 978-3351036454
Philipp Winkler Hool. Aufbau Verlag, Berlin 2016,
310 Seiten, EUR 19,95
ISBN-13: 978-3351036454

Interessant sei auch das sehr an Traditionen orientierte Weltbild der Szene im Gegensatz zu anderen Jugendbewegungen, die sich gegenüber Erwachsenen abgrenzten. Tradition spiele eine sehr große Rolle. Hools seien das Gegenteil von Jugendkultur, eher mit einem Rasse-Geflügel-Zuchtverein vergleichbar, der unter Nachwuchsproblemen leide und durch die voranschreitende Überalterung zum Aussterben verurteilt sei. So alterspyramidenorientiert kommt Winklers Werk „Hools“ allerdings nicht daher. Es geht häufig heftig zur Sache, Fäuste fliegen, Nasen bluten oder werden gebrochen, und es herrscht mitunter eine archaische Stimmung, des Rechts des Stärkeren,  wobei es der Autor stets hervorragend versteht, Szenen spannend und wirklichkeitsgetreu, schnörkellos und detailliert zu erzählen, und durch das mitunter richtige „Weglassen“ einen Sog äußerster Spannung erzeugt. „Es ist ein Sog, den man sich kaum entziehen kann, und ich kann Ihnen nur raten, sich diesem Sog auszusetzen, diesen Roman zu lesen, „Hool, von Philipp Winkler!“, verabschiedete  Mentzer den Autor und die Gäste in die Pause.

Nachtrag: Am 7.Oktober 2016 gab das ZDF bekannt, dass Philipp Winkler den ZDF-„aspekte“-Literaturpreis erhält. Die Verleihung findet am 20.Oktober 2016 auf der diesjährigen Buchmesse statt.

 

In der Pause, bei guten Gesprächen und einem Glas Wein, konnten die am Bücherstand erworbenen Werke signiert werden. Das Bild zeigt Reinhard Kaiser-Mühlecker beim Eintrag in sein Werk "Fremde Seele, dunkler Wald" (S.Fischer, Frankfurt).
In der Pause, bei guten Gesprächen und einem Glas Wein, konnten die am Bücherstand erworbenen Werke signiert werden. Das Bild zeigt Reinhard Kaiser-Mühlecker beim Eintrag in sein Werk „Fremde Seele, dunkler Wald“ (S.Fischer, Frankfurt).

 

Eva Schmidt mit Gert Scobel über „Ein Langes Jahr“ (Jung und Jung, Salzburg)

Shortlist-Autorin Eva Schmidt im Gespräch mit Gert Scobel über ihr Werk "Ein Langes Jahr" (Jung und Jung, Salzburg) Foto: Diether v. Goddenthow © atelier-goddenthow
Shortlist-Autorin Eva Schmidt im Gespräch mit Gert Scobel über ihr Werk „Ein Langes Jahr“ (Jung und Jung, Salzburg) Foto: Diether v. Goddenthow © atelier-goddenthow

Auf Gert Scobels Frage, weswegen ihr Werk „Ein Langes Jahr“ die erste Buchpublikation nach 19 Jahren ihres letzten Werkes sei, bekannte die in Bregenz lebende Autorin Eva Schmidt, dass ihr das Schreiben schwer falle, dass schreiben für sie ein sehr erschöpfender Prozess sei, der sie verausgabe. „Irgendwann waren wir eine Familie mit vielen Kindern. Es war wie eine Flucht vom Schreibtisch in die Wirklichkeit“. Es sei vor allem einem befreundeten Agenten zu verdanken, der „mich in den vergangenen 20 Jahren immer ein bisschen ermuntert hat“, wodurch dieses  Buch „Ein Langes Jahr“ letztlich entstehen konnte. Ich hatte tatsächlich mal eine Geschichte fertig, eine Geschichte aus diesem Werk, „und dann hat er gesagt: ‚wie geht es weiter?‘“, und dann habe sie weitergeschrieben bis schließlich ein ganzes Buch daraus wurde.

Es handelt sich nicht um einen Roman im klassischen Sinne, eher um ein Romanmosaik, nämlich um eine Sammlung von 38 verschieden langen Kurz-Geschichten aus wechselseitigen Perspektiven erzählt, die parallel innerhalb eines Jahres in einer fiktiven Stadt geschehen. Es geht um Kinder, Alte, alleinerziehende Frauen und einen Obdachlosen. Beziehungen zwischen diesen Protagonisten kommen gar nicht und später nur sehr zart zustande. Engere Bezüge gibt es eigentlich immer nur zwischen „Mensch und Hund“. Doch auch das treue Haustier kann die Lücken von Einsamkeit und Vereinzelung nicht schließen, allenfalls unzureichend lindern. Dieses ungleiche Seelenverhältnis zwischen Mensch und Hund als Krücke zur Erleichterung der Einsamkeit ist ein alle Episoden verbindendes Element.

Eva Schmidt. Ein langes Jahr. Jung u. Jung, Salzburg 2016 212 Seiten, EUR 20,00 ISBN-13: 978-3990270806
Eva Schmidt. Ein langes Jahr. Jung u. Jung, Salzburg 2016
212 Seiten, EUR 20,00
ISBN-13: 978-3990270806

Wie der Klappentext beschreibt, lebt „Benjamin  mit seiner Mutter allein, die Wohnung in der Siedlung am See ist klein, den Hund, den er gerne hätte, kriegt er nicht. Als er Joachim davon erzählt, will der sich einen schenken lassen, am besten zwei, aber Benjamin findet, Hunde sind fast wie Menschen und kein Geschenk. Eines Tages begegnet Benjamin Herrn Agostini, einem alten Mann aus der Nachbarschaft, auch er wollte sein Leben lang einen Hund. Früher als er ist seine Frau nach einem Sturz ins Pflegeheim umgezogen, jetzt hat er endlich einen, Hemingway heißt er. Aber Herr Agostini ist nicht mehr gut auf den Beinen, er weiß nicht, was aus »Hem« werden soll. Ähnlich wie Karin, die gerne wüsste, wer sich um ihren Hund kümmert, wenn ihr was zustößt, wie sie sagt. Karin ist krank, sie hat Schmerzen, niemand weiß davon. Im Baumarkt kauft sie eine Leiter, vom Nachbarn borgt sie eine Bohrmaschine …  „

Thomas Melle mit Sandra Kegel über „Die Welt im Rücken“ (Rowohlt, Berlin)

Shortlist-Autor Thomas Meller im Gespräch mit Sandra Kegel, FAZ-Redakteurin  im Feuilleton, über "Die Welt im Rücken" (Rowohlt, Berlin) Foto: Diether v. Goddenthow © atelier-goddenthow
Shortlist-Autor Thomas Melle im Gespräch mit Sandra Kegel, FAZ-Redakteurin im Feuilleton, über „Die Welt im Rücken“ (Rowohlt, Berlin) Foto: Diether v. Goddenthow © atelier-goddenthow

Publikumsliebling Thomas Melle stellte als letzter Gesprächspartner des Abends seinen Shortlist-Titel „Die Welt im Rücken“ (Rowohlt, Berlin) vor. Melle ist Literaturwissenschaftler, Philosoph und Autor viel gespielter Theaterstücke. Melle übersetzte u.a. William T. Vollmanns Roman „Huren für Gloria“. Sein Debütroman „Sickster“ (2011) war für den Buchpreis nominiert und wurde mit dem Franz-Hessel-Preis ausgezeichnet. Es wäre  „fast eine Mogelpackung gewesen, sein Werk ‚Die Welt im Rücken‘ Roman zu nennen“, antwortet er  Sandra Kegel auf ihre Frage nach der Genre-Einordnung seines Werkes. Aus bibliographisch-organisatorischen Gründen hatte ihn der Rowohlt-Verlag der Rubrik Belletristik zugeordnet, da sein aktueller Titel eben auch kein typisches Sachbuch ist. Vielmehr handelt es sich bei Melles genialem Werk „Die Welt im Rücken“ um eine hammerharte, schonungslos ehrliche,  fiktional aufgeladene Geschichte seiner bipolaren Störungen mit abgrundtiefen, länger anhaltenden Absturzphasen im Wechsel  mit euphorischen „Was-kostet-die-Welt“-Episoden. Sandra Kegel brachte es auf den Punkt, als sie bemerkte: „Sie schreiben, als würden Sie um  ihr  Leben schreiben“. „Ja, natürlich, das habe ich  auch!“, so Melle, der sich mitunter am liebsten ganz verkriechen und keinerlei Interview geben würde. Aber er wolle jetzt doch ein wenig zur Aufklärung über seine Krankheit beitragen, unter  der mehr Menschen litten, als bekannt wäre, so Melle. Deswegen habe er sich entschieden, nunmehr doch persönlich mit seinem Gesicht und Namen an die Öffentlichkeit zu gehen.

Denn über die bipolare Störung würde hinweg geschwiegen wie über die meisten psychischen Erkrankungen. Im Englischen gäbe es die bekannte Wendung «the Elephant in the Room», eine Metapher für ein offensichtliches Problem, das ignoriert würde, so Melle. Da stehe also ein Elefant im Zimmer, nicht zu übersehen, und dennoch redete keiner über ihn. Vielleicht sei der Elefant peinlich, vielleicht sei seine Präsenz allzu offensichtlich, vielleicht denke man, der Elefant werde schon wieder gehen, obwohl er die Leute fast gegen die Zimmerwände drückte. „Meine Krankheit ist ein solcher Elefant“, so Melle.

Sandra Kegel, FAZ-Redakteurin  im Feuilleton.  Foto: Diether v. Goddenthow © atelier-goddenthow
Sandra Kegel, FAZ-Redakteurin im Feuilleton. Foto: Diether v. Goddenthow © atelier-goddenthow

Bei dieser Krankheit, die in Schüben verlaufe, zerfalle das Ich in verschiedene Phasen, in die eines Manikers, die des Depressiven und in die, in der ich jetzt bin. Wenn Sie manisch-depressiv sind, hat Ihr Leben keine Kontinuität mehr. Was zuvor als einigermaßen durchgängige Geschichte erzählt oder erlebt wurde, zerfällt rückblickend zu unverbundenen Flächen und Fragmenten.“, so Melle. Seine Krankheit habe ihm die Heimat genommen, jetzt sei seine Krankheit seine Heimat.

Thomas Melle. Die Welt im Rücken. Rowohlt-Verlag, Berlin 2016, 352 Seiten, EUR 19,95 ISBN-13: 978-3871341700
Thomas Melle. Die Welt im Rücken. Rowohlt-Verlag, Berlin 2016, 352 Seiten, EUR 19,95
ISBN-13: 978-3871341700

Aber jetzt gehe es ihm seit zwei Jahren besser, und nicht alles sei Krankheit. Sein größter Trost sei, dass nach Erfahrung der Medizin zwischenzeitlich immer die vollkommene Genesung möglich, ja sogar die Regel sei, wenngleich man nicht wisse für wie lange, ob für Monate oder Jahre. Der Wahnsinn bestehe also fast immer nur vorübergehend und endete höchst selten in ewiger Umnachtung oder Demenz, so Melle. Wer mehr aus der Binnenperspektive eines Genies mitunter am Rande des Wahnsinns  über verglühende Nächte, Tage und Wochen erfahren möchte, sollte unbedingt  „Die Welt im Rücken“ von Thomas Melle lesen.

Diether v. Goddenthow (Rhein-Main.Eurokunst)

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Literaturhaus Frankfurt am Main e.V.
Schöne Aussicht 2
60311 Frankfurt am Main

Könige eröffnen flämisch-niederländischen Pavillon auf Frankfurter Buchmesse

Seine Majestät König Willem-Alexander eröffnet gemeinsam mit Seiner Majestät Philippe König der Belgier und die Königin Mathilde am Dienstag, den 18. Oktober 2016 den flämisch-niederländischen Pavillon auf der Frankfurter Buchmesse. Flandern und die Niederlande sind in diesem Jahr gemeinsam Ehrengast der Buchmesse. Begleitet wird die Delegation vom Ministerpräsidenten der flämischen Regierung, Geert Bourgeois, der niederländischen Kulturministerin Jet Bussemaker und dem flämischen Kulturminister Sven Gatz.

Unter dem Motto »Dit is, wat we delen« (Dies ist, was wir teilen) präsentieren Flandern und die Niederlande über 70 Autoren auf der Buchmesse selbst sowie auf verschiedenen Podien in der Stadt. Insgesamt erscheinen im Rahmen der Messe über 300 deutsche Übersetzungen niederländischsprachiger Literatur aus den verschiedensten Sparten, darunter Klassiker ebenso wie Werke von Nachwuchsautoren.

Das Design des 2.300 qm großen Pavillons ist inspiriert von der Weite und Offenheit der flämischen und niederländischen Landschaft, die an der Küste ihren Höhepunkt erreicht. Entworfen wurde der Pavillon von der niederländischen Agentur The Cloud Collective; er umfasst ein Theater, ein Kino, Ausstellungen, (literarische) Virtual Reality sowie ein Atelier, in dem jeden Tag eine einzigartige Zeitschrift entsteht.

Die Frankfurter Buchmesse, die in diesem Jahr vom 19. bis 23. Oktober stattfindet, ist mit über 7.000 Ausstellern und rund 275.000 Besuchern die größte Buchmesse der Welt. Für das fünftägige Event akkreditieren sich jährlich nahezu 10.000 Journalisten. Unter der Woche ist die Messe den internationalen Fachbesuchern vorbehalten, am Wochenende öffnet sie ihre Tore auch für das breite Publikum.

Die 68. Deutsche Weinkönigin ist Lena Endesfelder von der Mosel

 Vorgängerin Josefine Schlumberger krönt die neue Weinkönigin Lena Endesfelder Foto: Diether v. Goddenthow © atelier-goddenthow
Vorgängerin Josefine Schlumberger krönt die neue Weinkönigin Lena Endesfelder Foto: Diether v. Goddenthow © atelier-goddenthow

Eigentlich hätten alle Finalistinnen den Titel „68. Deutsche Weinkönigin“ verdient:Anja Antes (Hessische Bergstraße), Lena Endesfelder (Mosel), Louisa Follrich (Rheingau), Mara Walz (Württemberg), Christina Schneider (Franken) und Clarissa Peitz (Nahe) brillierten mit ihrem Fachwissen, Charme und Auftritt gleichermaßen grandios und souverän auf der großen Bühne des vom SWR live übertragenen Finale vor 1300 Zuschauern. Das machte der 78köpfige Fachjury die Entscheidung wirklich nicht leicht. Es sei ein knappes Kopf-an-Kopf-Rennen gewesen, versicherte die Geschäftsführerin des Deutschen Weininstituts Monika Reule denn auch, als sie nach zwei Stunden Prüfungs-Kürveranstaltung gegen 22.15 Uhr am gestrigen Abend in der Mainzer Rheingoldhalle die Siegerin bekannt gab: Durchgesetzt als neue Deutsche Weinkönigin 2016/17 hatte sich die 23jährige Winzerin Lena Endesfelder von der Mosel. Nicht zuletzt dürften in ihrer abschließenden Selbstdarstellung „ihre zupackenden Hände und muskulösen und dynamischen Steillagen-Waden“ die Juroren überzeugt haben. Ihr in drei Bussen mitgereister Hofstaat sang zur Krönung: „Lena, du bist Königin“.

Die neuen Weinbotschafterinnen: Das majestätische Trio Weinprinzessinnen Christina Schneider (Franken, r.) Weinkönigin Lena Endesfelder (Mosel), Mara Walz (Württemberg, links) Foto: Diether v. Goddenthow © atelier-goddenthow
Die neuen Weinbotschafterinnen: Das majestätische Trio Weinprinzessinnen Christina Schneider (Franken, r.) Weinkönigin Lena Endesfelder (Mosel), Mara Walz (Württemberg, links) Foto: Diether v. Goddenthow © atelier-goddenthow

Königin Lena zur Seite stehen die – im Topfinale unterlegenen – beiden neuen  Weinprinzessinnen Mara Walz aus Württemberg und Christina Schneider. Als majestätisches Trio werden sie den deutschen Wein mit seinen 13 einzigartigen Weinanbaugebieten und Regionen ab sofort national und international würdig und kompetent und mit absoluter Sicherheit auch äußerst charmant repräsentieren.

 

 

"So sehen Sieger aus ... Lena, du bist unsere neue Königin", sangen die Fans aus Mehring von der Mosel.  Foto: Diether v. Goddenthow © atelier-goddenthow
„So sehen Sieger aus … Lena, du bist Königin“, sangen die Fans aus Mehring von der Mosel. Foto: Diether v. Goddenthow © atelier-goddenthow

Strahlend und unter lautstarkem Jubel nahm Lena Endesfelder aus Mehring die Krone und zahlreiche Glückwünsche entgegen. Überzeugend und kompetent präsentierte sich die 23jährige Winzerin bereits im Vorentscheid, charmant und schlagfertig war ihr Auftreten im äußerst spannenden Finale. Damit überzeugte sie die Fachjury und gewann die Sympathien der rund 1.300 Zuschauer in der Mainzer Rheingoldhalle. Im Auftrag des Deutschen Weininstituts (DWI) wird Lena Endesfelder nun als 68. Deutsche Weinkönigin ein Jahr lang auf über 200 Terminen im In- und Ausland als Botschafterin für den deutschen Wein unterwegs sein.„Ich bin einfach nur überglücklich“, jubelte die frisch gekürte Weinkönigin unmittelbar nach der Wahl. „Ich genieße den Moment und freue mich auf ein spannendes und ereignisreiches Jahr im Dienst der deutschen Weinwirtschaft“, sagte Lena Endesfelder, die das Studium Bachelor of Science Weinbau und Oenologie in Geisenheim bereits erfolgreich abgeschlossen hat und seither gemeinsam mit Mutter und Schwester das eigene Weingut in Mehring bewirtschaftet.Mit ihren ausgesprochen guten weinsensorischen, rhetorischen und kommunikativen Fähigkeiten setzte sich die Kandidatin von der Mosel in mehreren Spielrunden gegen ihre fünf Mitbewerberinnen durch. Vor laufenden Kameras mussten sie beispielsweise in einer verdeckten Weinprobe die Rebsorte erkennen und dem richtigen Anbaugebiet zuordnen. In der Raterunde „Was bin ich“ galt es, mit geschickten Fragen weinbezogene Berufe herauszufinden und bei „Dingsda“ die richtigen Weinbegriffe zu erkennen, die von Kindern beschrieben wurden. Lena Endesfelder blieb dabei sehr locker, punktete mit ihrer souveränen Art und Kompetenz. Auch ihre einminütige Rede zum Thema „Weinvermarktung in China – vier Helfer für das DWI“, in die sie spontan die vier Persönlichkeiten Sepp Blatter, Papst Benedikt, David. Cameron und Stefan Raab einbauen musste, gelang ihr ganz hervorragend. Fröhlich und humorvoll hat Lena ihre letzte Aufgabe gelöst, in der Sie einen Brief an sich selbst schreiben und dem Publikum vortragen musste.

Nach sieben Jahren geht die höchste deutsche Weinkrone damit wieder an die Mosel, und Lena Endesfelder darf sich auf einen rauschenden Empfang in ihrem Heimatort Mehring freuen.

Freudig schaut auch die Württembergerin Mara Walz auf das vor ihr liegende Amtsjahr als Deutsche Weinprinzessin. Die 23jährige hat ihr Duales Studium für Weinbau & Oenologie in Neustadt bereits abgeschlossen und wird nun statt im elterlichen Weingut vor allem „am modernen Bild des Weinlands Deutschland“ arbeiten.

Glücklich zeigte sich zudem Christina Schneider aus Franken nach ihrer Krönung. „Ich kann noch gar nicht glauben, was hier gerade passiert“, sagte die 22jährige, die nach ihrem Bachelor der Psychologie den Master-Abschluss der Psychologie an der Julius-Maximilians-Universität Würzburg anstrebt. Dies wird sie nun sicher gerne ein Jahr zurückstellen, um sich als Deutsche Weinprinzessin in den Dienst der Weine aus den 13 Anbaugebieten zu stellen.

Durch das wunderbare Finale führte SWR-Moderator Holger Wienpahl.

Julius-Campe-Preis 2016 geht an Netzwerk der Literaturhäuser

literaturhaus-netDer Julius-Campe-Preis, den der HOFFMANN UND CAMPE Verlag 2016 verleiht, geht in diesem Jahr an das Netzwerk der Literaturhäuser.

Die Auszeichnung gilt Persönlichkeiten und Institutionen, die sich auf herausragende Weise literaturkritische und literaturvermittelnde Verdienste erworben haben. Der Preis ist mit 99 Flaschen edlen Weins und des bei HOFFMANN UND CAMPE erschienenen Faksimiles der Französischen Zustände Heinrich Heines dotiert.

Die Verleihung erfolgt am Freitag, 21. Oktober 2016 im Haus des Buches während der Frankfurter Buchmesse.

Die Laudatio hält der Schriftsteller Hanns-Josef Ortheil.

Daniel Kampa, Verleger von Hoffmann und Campe:

»Literatur ist vielerorts zu Hause. Zu den schönsten Orten gehören sicherlich die Literaturhäuser in Basel, Berlin, Göttingen, Graz, Hamburg, Köln, Leipzig, Rostock, Salzburg, Stuttgart, Wien, Wiesbaden und Zürich, die heute das seit 2008 bestehende Netzwerk literaturhaus.net bilden.

Als Treffpunkt für Autoren, Leser und Literaturinteressierte sind Literaturhäuser eine wertvolle und unverzichtbare Einrichtung im Kulturleben jeder Stadt. Sie bieten der Literatur eine prominente Bühne für Begegnungen und Inspirationen. Hier wird das Lesen zum Ereignis, hier werden Bücher lebendig. Wenn – wie Cicero einst sagte – »ein Haus ohne Bücher wie ein Körper ohne Seele« ist, sind es die Literaturhäuser, die in vielen Städten die Seele der Bücher zum Schwingen bringen.

Das Netzwerk der Literaturhäuser dient dem Austausch von Erfahrungen, Konzepten und Kontakten und leistet so einen essenziellen Beitrag zur fortwährenden Weiterentwicklung und Neuerfindung dieser so wichtigen Institution. Mit gemeinsamen Projekten, Veranstaltungen, Werbeaktionen, der Initiative »Junges Literaturhaus« und dem »Preis der Literaturhäuser« hat das Netzwerk seit seiner Gründung die Ausstrahlungskraft der Literaturhäuser als Zentren des literarischen Lebens und der Literaturvermittlung enorm gesteigert. Die Arbeit und Wirkung des Netzwerks Literaturhaus kann daher nicht hoch genug gewürdigt werden.«

Mit der Verleihung des Julius-Campe-Preises 2016 ehrt der Hoffmann und Campe Verlag das Netzwerk der Literaturhäuser für die Verdienste um die deutsche Literatur.

Im Netzwerk der Literaturhäuser, 2008 aus einem losen Zusammenschluss zahlreicher deutschsprachiger Literaturhäuser als Verein hervorgegangen, entwickeln und veranstalten 14 Literaturhäuser in Deutschland, Österreich und der Schweiz mit verschiedenen Partnern internationale Projekte wie Länderschwerpunkte, bilaterale Stadtschreiberprojekte, Plakataktionen wie »Poesie in die Stadt« und Veranstaltungsreihen, zuletzt »Fragile. Europäische Korrespondenzen«.

Das Netzwerk ermöglicht es, Erfahrungen und Kontakte auszutauschen und über gemeinsame Projekte und Mittelakquisition im deutschsprachigen Raum als Literaturvermittler zu wirken. Die inzwischen auch international anerkannte »Marke« Literaturhaus soll gestärkt werden. Ziel ist es, zu zeigen, wie es auch im digitalen Zeitalter möglich ist, deutschsprachige und internationale Gegenwartsliteratur zeitgemäß und innovativ zu verbreiten. Viele der Mitglieder stärken unter dem Label »Junges Literaturhaus« die Kinder- und Jugendliteratur.

Außerdem wird jährlich der Preis der Literaturhäuser verliehen. Mit diesem Preis werden Autorinnen und Autoren ausgezeichnet, die sich um originelle Lesungskonzepte bemühen und Abende in den Literaturhäusern zu unvergesslichen Live-Erlebnissen machen. Zu den Preisträgern zählen etwa Peter Kurzeck, Judith Schalansky, Feridun Zaimoglu, Elke Erb, Sibylle Lewitscharoff, Nicolas Mahler, Ilija Trojanow oder 2016 Ulf Stolterfoht. Medienpartner des literaturhaus.net ist ARTE. Weitere Informationen unter www.literaturhaus.net.

Der Laudator Hanns-Josef Ortheil wurde 1951 in Köln geboren. Er ist Schriftsteller, Pianist und Professor für Kreatives Schreiben und Kulturjournalismus an der Universität Hildesheim. Seit vielen Jahren gehört er zu den bedeutendsten deutschen Autoren der Gegenwart. Sein Werk wurde mit vielen Preisen ausgezeichnet, darunter dem Thomas-Mann-Preis, dem Nicolas-Born-Preis, dem Stefan-Andres-Preis und zuletzt dem Hannelore-Greve-Literaturpreis. Seine Romane wurden in über zwanzig Sprachen übersetzt.

Der Preis ist benannt nach Julius Campe (1792 – 1867), der zu den größten Verlegern der deutschen Geschichte zählt. Als Entdecker von Heinrich Heine und als mutiger Förderer der Autoren des »Jungen Deutschlands« wurde er zum Inbegriff des idealistischen Verlegers, der literarische Entdeckungsfreude mit gesellschaftlichem Engagement vereint.

Die Julius-Campe-Preisträger der vergangenen Jahre waren:

2015: Denis Scheck
2014: Buchhandlungskooperation 5 plus
2013: Felicitas von Lovenberg
2012: Petra Roth
2011: Roger Willemsen
2010: Elke Heidenreich
2009: Elisabeth Niggemann
2008: Wendelin Schmidt-Dengler (posthum)
2007: Klaus Reichert
2006: Michael Naumann
2005: Jan Philipp Reemtsma
2004: Joachim Kaiser
2003: Heinrich Detering
2002: Martin Walser